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Marcus Schmidt

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„Verinnerung“: Flohmarkt-Fotos bekommen neue Geschichten

by Marcus Schmidt

Claudia Grabowski und Monika Zobel lasen in Bremerhaven und Bremen-Nord

Draußen funkelt die Fassade des Klimahauses Bremerhaven – am Montag. Drinnen glitzern Balken der „Scheune“ bei Knoops Park – einen Tag später: Im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven und im Haus Kränholm in Bremen-Nord zeigen uns Claudia Grabowski und Monika Zobel Fotos vom Flohmarkt. Vor Gästen der Konrad-Adenauer-Stiftung erzählen sie, was sie in den Bildern sehen. Übersetzerin Zobel und Videojournalistin Grabowski nennen ihr gemeinsames Kunstprojekt „Verinnerung“. Durch beide Abende führt Ralf Altenhof.

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Der Leiter des Politischen Bildungsforums lässt sich erklären, was mit dem Kunstwort „Verinnerung“ gemeint sei. „Wir erinnern uns an neue Geschichten und verinnern sie“, erklärt Grabowski. Zobel nennt die Wörter, die in „Verinnerung“ stecken: „Vergessen. Erinnern. Verrinnen. Vergeben.“ Auslöserin fürs Projekt war Grabowski, die besonders auf Flohmärkten Fotos und ganze Alben gesucht und gefunden hat. Private, deren Fotografen und abgebildete Personen nicht mehr nachzuforschen sind. „Aber die man beim Betrachten zu kennen glaubt“, so Grabowski. Etwa 2000 Fotos „zum Greifen“ stapeln sich in Kisten. Das sind zwei davon:

„Äquatortaufe“ zeigt fröhliche Menschen. Verkleidet auf der Bremer „Sierra Cordoba“. Einige davon tragen Hitler-Bärtchen im Juni 1929. Dazu denkt sich Zobel einen Brief von „Konrad“ an „Hanni“ in der Heimat aus:

„...Vor ein paar Tagen noch in Peru, und heute schon in der Mitte des Ozeans... … Ach Hanni, wie sehr ich mir dich herbeigewünscht hätte. Du hättest den Fischöl- und ranzigen Heringsgestank wohl kaum ausgehalten, und dennoch … in dem Tumult und Gekreische... ...fühlte ich den Scheiterhaufen in meiner Brust.“

„Sonnilein“ zeigt ein trauriges Ereignis – eines der letzten Weihnachten eines Kindes im 3. Reich

„...Das Lametta hängt zaghaft an den Ästen, der Baum wirkt kahler als die Wände im Spital... ...Sonnilein freut sich aufs Christkind, weil das Christkind ein Engel sei und Engel niemals verschwinden, auch wenn sie unsichtbar werden. Wenn Sonnilein ein Engel wäre, dann würde ich dir glauben...“ Das nächste Bild zeigt ihr Grab, drei Jahre später.

Eisbären, Hitlerkopien, ein „viel“ zu großes Auto und ein frustriert wirkendes Paar: Zu all den unbekannten Personen und Szenen wachsen im Laufe der Lesungen immer mehr Fragen – und Antworten von allen Teilnehmern.  Ralf Altenhof will wissen, wie das Projekt entstand: „Ich habe seit 20 Jahren Fotos gesammelt“, so Grabowski. Zobel erklärt mit viel Understatement, sie schreibe gern und mache Lyrik. Irgendwann fragte Grabowski ihre Kollegin Zobel zu einem Bild: „Was würdest du dazu schreiben – was passiert da?“ Die Suche nach Antworten setze sich weiter fort. Sie suchen sogar einen Verlag fürs erste gemeinsame Buch.

Darin könnten auch die - als Eisbären verkleideten - Unbekannten auftauchen. Eine Besucherin erinnerte sich an ein eigenes Foto. Andere wunderten sich, dass sie „diesen Trend“ nicht kannten. Auch ein breiter Oldtimer mit dem Kennzeichen „VIE L“ sorgt für Diskussion: Ihm werden nicht nur vom Podium ein „Zu-viel“ attestiert.

Die ehemalige Fulbright-Stipendiatin Zobel zum Schluss: „Traurig, dass solche privaten Bilder auf dem Flohmarkt landen“. Es gehen damit ganze Leben verloren. Aber ein Gast bringt es auf den Punkt: „Die Künstlerinnen beleben die Menschen und Geschichten neu“.

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Dr. Ralf Altenhof

Dr. Ralf Altenhof

State Representative and Head of the Political Education Forum Bremen

ralf.altenhof@kas.de +49 421 163009-0 +49 421 163009-9
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