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Nach einer kurzen Begrüßung der anwesenden Gäste durch den Direktor des Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Herrn Dr. Stefan Gehrold, begann Botschafter Erdmann mit seinen Ausführungen. Er sprach zunächst über die sich derzeitig stark verändernde Weltsicherheitslage. Diese sei nicht ausschließlich durch bloße Umwälzungen hinsichtlich einzelner Situationen oder Beziehungen geprägt. Die Form des Konfliktes habe eine neue Nuance hinzugewonnen. Der Botschafter verwies auf verschiedene aktuelle „eingefrorene“ Konflikte wie in Transnistrien, im georgischen Abchasien und in der Region zwischen Armenien und Aserbaidschan, Nagorny Karabach. Laut Botschafter Erdmann führen diese Konflikte und die neuen Entwicklungen in der Ukraine den Europäern schmerzhaft vor Augen, dass die Sicherheitskrisen an der Türschwelle zu Europa stattfinden. Ferner sind Probleme zu erkennen, welche vom weit geglaubten und sicheren Horizont an die Grenzen des Kontinents getragen werden. Beispielsweise im „failed state“ Libyen. Desgleichen in Mali, wo Frankreich sich nach Kräften bemühe, eine stabile politische Basis zu etablieren. Afrika hat als Kontinent zudem mit der Ebola-Seuche zu kämpfen. All dies sollte den Europäern in Erinnerung rufen, dass sich solche Konflikte zu sozialen Katastrophen mit erheblichem Ausmaß entwickeln können.
Nach diesem Überblick über einzelne Brennpunkte der globalen Sicherheitslage, erläuterte Botschafter Erdmann Einzelheiten des NATO-Gipfels in Wales. Neben der
Ukraine-Krise wurde auch über das Erstarken und Vorgehen der islamistischen Terrororganisation ISIS gesprochen. Die westliche Welt erlebe derzeit einen fundamentalen Wandel in der globalen Sicherheitsarchitektur, so der Botschafter.
Einer der Kernpunkte auf dem Gipfel war der „Readiness Action Plan“ der NATO. Dieser Plan, welcher u.a. die „NATO response force“ beinhaltet, stelle eine unmittelbare Direktive des transatlantischen Bündnisses hinsichtlich der zukünftigen Sicherheitsher-ausforderungen dar. Der Botschafter negierte die Mutmaßung, der Plan ebenso wie die NATO-Kampftruppe würden Maßnahmen gegen einzelne Länder darstellen. Er diene vielmehr zur allgemeinen Grenzsicherung der NATO-Bündnispartner. Dies wird u.a. am Einsatz der NATO in Afghanistan deutlich.
Im weiteren Verlauf betonte der Botschafter neben der militärischen Vorbereitung auch die unbedingte Notwendigkeit einer funktionierenden Diplomatie. Er ging diesbezüglich vor allem auf den NATO-Russland-Rat ein. Dieser habe sich seit Ausbruch der Krise in der Ukraine bereits zwei Mal getroffen. Die NATO habe hier, anders als 2008 während der Eskalation in Georgien, verstärkt auf deutliche Signale in Richtung Russland gesetzt. Sofern die Voraussetzungen, insbesondere von Seiten Russlands vorliegen, ist eine verstärkte Zusammenarbeit seitens der NATO durchaus gewünscht. Man dürfe das Mittel der Diplomatie nicht zu schnell aus der Hand geben.
Als weiteren Diskussionspunkt während des Gipfels in Wales nannte der deutsche Vertreter im Nordatlantikrat die Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben. Diese müssten aufgestockt werden. Gerade aus deutscher Sicht sei hier das Maximum noch lange nicht erreicht. Deutschland kommt der Empfehlung der NATO, 2 % des Haushaltsbudgets aufzuwenden, derzeit nicht nach. Die Bundesrepublik nutze lediglich 1,29 % ihres Budgets hierfür. Die Erhöhung sei vor allem nötig, da Entspannungen der-zeitiger Krisen noch nicht abzusehen sind. Botschafter Erdmann sprach ebenfalls in einem Resümee des Gipfels über das Thema ISIS. Hier sei das größte und dringendste Problem, jenes der ausländischen Kämpfer. Aufgrund der Tatsache, dass so viele im Ausland lebende Personen dieser Organisation beitreten und aktiv für sie in den „Krieg“ ziehen, besteht eine erhöhte Wahr-scheinlichkeit, dass diese – radikalisiert – in ihr Heimatland zurückkehren und dort zur Verschlechterung der Sicherheitslage direkt beitragen.
Des Weiteren erläuterte Botschafter Erd-mann die Notwendigkeit und Weiterentwicklung der „interoperability platform“. Diese soll die Zusammenarbeit der vielen Mitgliedsländer verbessern und auch anderen Nationen mit ihrer Expertise in der Zusammenarbeit der Interessensgruppen helfen. Als Beispiel einer solchen Hilfestellung und Zuhilfenahme der Plattform, nannte er Afghanistan.
Der Botschafter schloss seinen Vortrag mit einer Erläuterung über die „kurzen Wege nach Europa“. Anhand einer Grafik zeigte er eben diese auf. Es seien nur 100 km von Tunesien nach Lampedusa und nur 12 km von Marokko nach Spanien. Die hieraus entstehenden Herausforderungen kann Europa nicht einfach ignorieren, so Botschafter Erdmann. Die Konflikte durch Migration vermehren sich.
Ein weiteres Problem sei die schwindende Relevanz Europas und Nordamerikas in Relation zur Weltbevölkerung. 1950 beherbergten diese beiden Kontinente noch 800 Mio. von insgesamt 2,1 Mrd. Menschen auf der Welt. Zum heutigen Zeitpunkt kommen sie auf eine Gesamtzahl von 900 Mio. Menschen, bei einer Weltbevölkerung von 7,2 Mrd. Menschen. Ihre Relevanz sinke. Dies sei unbedingt im Lichte der sicherheitspoliti-schen Veränderungen zu beachten, so der Botschafter. In diesem Kontext begrüße er auch außerordentlich das Freihandelsabkommen der USA mit der EU, TTIP. Botschafter Erdmann zeigte sich überzeugt von der Erfordernis eines solchen Abkommens: Sofern die Europäer sich weiterhin mithilfe von Handels- und Tarifzöllen als Gegner Nordamerikas aufstellen, würden sie auf mittel- bis langfristige Sicht als Verlierer auf dem globalen Spielfeld enden. Das Freihandelsabkommen sei ein weiterer, aber sehr wichtiger Aspekt zu anderen Sicherheitsprogrammen.
In der abschließenden Fragerunde wurde mehrheitlich den Ausführungen und vor allem den Vorstellungen der stetigen Diplomatie, welche der Botschafter äußerte, zugestimmt. Insbesondere die Ausweitung der diplomatischen Beziehungen im Allgemeinen, aber hauptsächlich im Falle Russlands mittels des NATO-Russland-Rates, sei ein sehr bedeutsames Mittel. Der Westen bleibe dadurch nicht nur beständig in Gesprächen, was im Allgemeinen die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Eskalation verringere. Vielmehr habe man dadurch verstärkten Einfluss auf den jeweiligen Verhandlungspartner. Unkontrollierbare und unerwartete Aktionen können eher vermieden werden.