Event reports
Gemeinsam mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) lud das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einem Expertengespräch ein, um mit einem ausgewählten Fachpublikum die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA und die damit verbundenen Auswirkungen auf Europa zu besprechen. Mit Fokus auf die künftige Ausprägung der transatlantischen Beziehungen wurden Modelle und Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert, die in Abhängigkeit des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten stehen. Die Diskussionsrunde war in zwei Panels mit den Titeln „What US foreign policy to expect? Implications for the transatlantic relationship” sowie “The 2016 elections and the future of the two party system“ untergliedert. Europäische USA-Experten, wie der Europaabgeordnete und Vorsitzender der USA Delegation im Europäischen Parlament David McAllister sowie die USA Forscher der SWP Johannes Thimm und Marco Overhaus diskutierten mit Kennern der politischen Landschaft aus dem Land selbst. Die Professorin der Harvard Kennedy School Leah Wright Rigueur war neben Danielle Pletka vom American Enterprise Institute einer der Gäste, die extra aus den USA angereist sind und somit einen aktuellen Einblick in die Geschehnisse der Kampagnen auf republikanischer und demokratischer Sicht bieten konnten.
Kurz vor Ende der Primaries ist sowohl bei den Demokraten als auch im republikanischen Lager nur noch jeweils ein Kandidat bzw. eine Kandidatin übrig: die politisch erfahrene aber skandalbehaftete Hillary Clinton und der kontroverse jedoch bei der bürgerlichen Mittelschicht äußerst beliebte Donald Trump. Wie kam es dazu, dass gerade diese beiden Kandidaten es in ihren jeweiligen Parteien bis ganz nach oben geschafft haben? Was sagt das über den Zustand der jeweiligen Partei und über das Zwei-Parteien-System grundsätzlich aus? Wie wird sich der eine oder andere Kandidat auf die Außenpolitik der USA auswirken? Dies beschäftigte die Teilnehmer der Expertenrunde vorrangig. Doch wie kam es überhaupt zu dem Erfolg Donald Trumps? Dieser basiert primär auf der unterschätzten „stillen Mehrheit“. Diese besteht aus Bürgern der Mittelklasse, die sich größtenteils an ökonomischen Aspekten orientieren, wenn es um ihre Wählerstimme geht. Darauf aufbauend machte sich Trump die „amerikanische patriotische Idee“ zu Eigen und gab ihr eine öffentlich akzeptierte Plattform. Damit in Zusammenhang steht das Prinzip der „post-factual democracy“, dessen Basis es ist, im Wahlkampf mit Grundemotionen die Bürger zu überzeugen, statt nur mit politischen Fakten zu argumentieren.
Eine neue Ära der amerikanischen Außenpolitik?
Die zu erwartende, aber dennoch schwer einschätzbare Neugewichtung der amerikanischen Außenpolitik variiert je nach Kandidat: Sowohl Trump als auch Clinton stellten bereits die Forderung nach einer gerechten Lastenverteilung vor allem hinsichtlich der Höhe der NATO- und allgemeinen Sicherheitsausgaben in den Raum. Von Trump wird außerdem ein explizites Desinteresse an der Stärkung von Auslandsbeziehungen erwartet. Doch auch Clinton zeigte sich bisher nicht sehr konkret in Hinblick auf ihre geplante Außenpolitik. Potential für transatlantische Uneinigkeiten ist jedoch reichlich vorhanden: Während die EU, allen voran Deutschland, generell mehr auf einen konstruktiven Dialog setzt, wirkt Amerika weitaus kriegslüsterner und zieht militärische Aktionen vor, was nicht zuletzt anhand des anhaltenden Russland-Konflikts deutlich wird. Ein starker Dialog als deeskalierendes Mittel des Krisenmanagements wird hier vonseiten der EU als Muss angesehen, wohingegen dies in den USA als weniger praktikabel angesehen wird. Auch Aspekte wie Abrüstung werden mehr von der EU als von den USA forciert. Diese Zurückhaltung bezüglich aktiver Militärpräsenz in Krisengebieten ist sicherlich mitunter auf die Historie Deutschlands zurückzuführen, wird jedoch von den USA kritisch begutachtet. Fest steht jedoch, dass transatlantische Beziehungen das nötige Rückgrat für die Bewältigung der derzeitigen globalen Krisen darstellen. Innerparteilich machen sich irreversible strukturale Änderungen bei den Demokraten sowie bei den Republikanern bemerkbar: Auch falls Donald Trump die Präsidentschaftswahl im November verlieren wird, hatte seine Art der Politik und der Wahlkampfführung bereits grundlegenden Einfluss auf das politische System der USA. Hier steht beispielsweise Trumps narrativer Populismus dem faktenorientierten, politischen Wahlkampf gegenüber, womit er trotz seiner offensichtlichen Erfahrungs-, Plan- und Ziellosigkeit große Wählererfolge verbucht. Er kann somit als direkte Auswirkung der amerikanischen Tea-Party-Bewegung gesehen werden, die für eine Verringerung der Macht der Bundesregierung einsteht. Der daraus resultierenden innerparteilichen Spaltung zwischen den „alten“ systemtreuen Republikanern und den „neuen“ Trump unterstützenden Republikanern liegt eine grundlegende Debatte über die politische Linie der Partei zugrunde. Auch bei den Demokraten zeigen sich ähnlich gravierende Umbrüche. Hier steht ein alteingesessener Zentralismus einem neuen Liberalismus gegenüber, der unter anderem durch den demokratisch-sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders Ausdruck fand.
Die Zukunft des amerikanischen Zwei-Parteien-Systems
Eine grundlegende Reformierung des Wahlprozesses der USA und damit ein Bruch des traditionellen Zwei-Parteien-Systems ist nach wie vor nicht zu erwarten. Grundsätzlich gilt, dass Demografie essenziell für den Verlauf und Ausgang von Wahlen ist, weshalb Trumps kategorischer Ausschluss ethnischer Minderheiten in seiner politischen Agenda langfristig gesehen politischer Selbstmord ist. Es kristallisieren sich vier mögliche Zukunftsszenarien in Hinblick auf die kommende Wahl heraus: 1, Donald Trump gewinnt und ist als Präsident entweder enttäuschend unproduktiv (und er bzw. ein zukünftiger, ihm ähnlicher Kandidat wird nicht wieder gewählt werden), oder aber er etabliert sich wider allen Erwartungen als überraschend erfolgreicher Politiker. Aufgrund Trumps fehlender politischer Erfahrung ist eine Prognose dessen was passieren wird schwer zu treffen. 2, Donald Trump verliert die Wahl gegen Clinton, es erfolgen keine drastischen Änderungen in der amerikanischen Politik da Clinton bereits ankündigte, die Obama-Administration weitgehend weiterführen zu wollen. In diesem Fall würde der „Reality-TV-show-Kandidat“ Donald Trump wohl ein einmaliges Phänomen bleiben. 3, Unabhängig vom Ausgang der Wahl im November verändert sich die Republikanische Partei durch eine überarbeitete politische Linie, die eine Attraktivitätssteigerung der Partei für Minderheiten hervorruft. Dies wäre ein sogenannter Pro-Business-Kurs, der präventiv dem Wählerabschwung und der Politikverdrossenheit entgegen wirken soll. 4, Auch Parteineugründungen als Abspaltungen mit reformierten Parteilinien sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern wären möglich. Angesichts der grundsätzlichen Tendenz zur Loyalität – vor allem vonseiten der konservativen Republikaner - ist dies aber eher unwahrscheinlich.
In jedem Fall werden die in Gang gesetzten strukturalen Veränderungen der U.S.-amerikanischen Politiklandschaft einschneidende Folgen für die transatlantischen Beziehungen haben. Die künftige Außenpolitik der USA wird europapolitische sowie internationale Themen anders tangieren als bisher, es ist aber bei beiden Kandidaten trotz allem mit einer überwiegend konstruktiven Kooperation zwischen der EU und den USA zu rechnen.