Event reports
Good Governance – unterschiedliche Definitionen und Perspektiven
Das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel lud zum vierten Mal deutsche Vertreter internationaler Organisationen an den Comer See ein. Die Konferenzen dienen der Diskussion relevanter internationaler Themen und der besseren Vernetzung internationaler Organisationen mit den Entscheidungsträgern in Berlin. Schwerpunktthema des diesjährigen Seminars war „Good Governance und die Rolle von Internationalen Organisationen“, als ein in seiner Bedeutung zunehmendes Paradigma in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Dr. Gerhard Wahlers, Hauptabteilungsleiter „Internationale Zusammenarbeit“ der Konrad-Adenauer-Stiftung eröffnete die Konferenz mit der Feststellung, dass politische Stiftungen das Konzept des Good Governance schon lange inhaltlich besetzten, und ihre Bedeutung durch die wachsende Europäisierung und Politisierung der Entwicklungspolitik zunehmen würde. Als Wasserscheide bezeichnete Wahlers hier den 11. September 2001. Die sich als Konsequenz der Anschäge zunehmende Überlappung und Interdependenz zwischen sicherheitspolitischer, entwicklungspolitischer und wirtschaftlicher Dimension von Entwicklung verlange nach integralen Strategien und Lösungsansätzen.
Den Einführungsvortrag zur definitorischen und konzeptuellen Eingrenzung des Begriffes Good Governance hielt Franz H. Kaps, Sonderbeauftragter der Weltbankgruppe für Süd-Ost Europa. 1996 entdeckte die Weltbank das Thema für sich. Jim Wolfensohn identifizierte gleich zu Beginn seiner Amtszeit das Krebsgeschwür der Korruption als ein entscheidendes Element zur Armutsbekämpfung . Die Aufklärungsarbeit von Transparency International als Watchdog sei ein Auslöser für das wachsende Interesse der Internationalen Organisationen gewesen. Die Entwicklung von Indikatorensystemen zur Messung und besseren Vergleichbarkeit von Korruption habe hier einen bedeutenden Beitrag geleistet. Weiter hob Kaps hervor, dass nicht nur Kontroll- sondern auch die Anreizmechanismen geschaffen werden müssten, damit Staaten effizientere und transparente Verwaltungen aufbauen. Der EU-Erweiterungsprozess, der Anreize (Aufnahme in die EU) mit Bedingungen an eine Mitgliedschaft (Kopenhagenkriterien) knüpft, könne hier eine Vorbildsfunktion haben.
Kaps stellte kurz den neuen operationellen Ansatz der Weltbank vor, der in Kürze vom Development Committee der Weltbank offiziell vorgestellt werde, und neben weiteren Safeguards für Projekte in Länder- und Strategiepapieren mit Indikatoren Good Governance misst und die „Performance“ bewertet. Fraglich bleibe, ob die ansteigenden Bürokratie- und Kontrollkosten den stiftenden Nutzen des Weltbankansatzes nicht konterkarieren werde. Offen bleibe auch, ob politische Schwergewichte wie China und Russland nicht andere Finanzierungsquellen suchen, wenn sie mit solch rigiden Kontrollmechanismen konfrontiert werden.
Entscheidend für die Setzung äußerer und innerer Standards werde in Zukunft auch die Rolle Chinas sein. Die Einbindung Chinas in multilaterale Foren sei ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung solcher Standards.
Dr. Herwig Schlögl, stellvertetender Direktor der OECD in Paris verwies insbesondere auf die gestiegene Rechenschaftspflicht multilateraler Unternehmen sowie staatlicher Verwaltungen. Die Zivilgesellschaft decke in zunehmendem Masse vorhandene Defizite im staatlichen Handeln auf. Das Monitoring der Staaten durch den Steuerzahler sowie der Zivilgesellschaft führe zu gestiegener Rechenschaftspflicht.
Schlögl sieht folgende konkrete politische Herausforderungen für „Governance“, die er nicht als völkerrechtlich akzeptierten Begriff, sondern als allgemeinen Grundsatz definiert. Zentrales Thema bleibe die Korruptionsbekämpfung, die auch in den OECD Ländern in gravierender Form auftrete. Die Realität der zerfallenden Staaten sowie der Schutz des geistigen Eigentums bedürfe eines langfristigen Überdenkens der Volkerrechtgrundsätze sowie der Anpassung der Rechtsregime. Weitere politische Themen seien die Governance Vorkehrungen bei Terrorismus oder Pandemien. Die weiterhin offene Frage bleibe, ob sich unser demokratisches Rechtsstaatssystem, als Modernisierungspaket angeboten, global durchsetzten könne?
Michael Köhler, stellvertretender Kabinettschef von EU-Kommissar Joe Borg, beschrieb in seinem Vortrag die Akzentverschiebung des neuen Governance Papiers der Kommission zu der Position von 2003. Das möglichst breit angelegte Governmentkonzept der EU sei pragmatischer in der täglichen Politikanwendung. Durch die Verbesserung des Feininstrumentariums der Anreiz- und Kontrollmechanismen konnten graduelle Fortschritte in bestimmten Ländern erzielt werden. Allerdings sei die Verbesserung des Feininstrumentariums keine Garantie für die Verbesserung der Indikatoren. So habe die Konditionierung des MEDA Programmes nicht zu einer positiven Governance Situation geführt. Fortschritte seien dort erzielt worden, wo die Anreizstrukturen durch gesellschaftlichen und politischen Druck generiert wurden. Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt durch bindende Festlegungen im Governance Bereich (an Assoziierungsabkommen) könnten echte Fortschritte bringen.
Schnellere Erfolge ließen sich eher mit solchen Partnern erzielen, die wirkliches Interesse haben ihre Partnerschaft mit dem Westen aufzuwerten.
Diskussionsbeitäge
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde Kritik an den komplizierten und zwischen Gebern divergierenden Kriterienkatalogen geübt, die in einem sehr kleinen Expertenkreis erarbeitet würden.
Kritisiert wurde auch die Neigung der internationalen Gebergemeinschaft, nach großen Konzepten und Lösungen zu suchen. Es sei müßig eine „One fits all“ Lösung zu suchen. Stattdessen sollte der Prozesscharakter des Begriffes in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Die Bertelsman Kriterien für GG seien in diesem Zusammenhang sehr hilfreich, da Sie die staatliche und zivilgesellschaftliche Sphäre gleichermaßen berücksichtigen würden.
Ebenso wurde die Rolle der Zivilgesellschaft als glaubhafter Botschafter des GG-Konzeptes unterstrichen. Allerdings werde GG in verschiedenen Weltregionen unterschiedlich definiert. Bei Staaten, die Souveränität staatlichen Handels, sowie die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten als außenpolitische Maxime proklamieren, stoße die westliche Konzeption von GG auf Unverständnis.
Schließlich wurde auch auf die sicherheitspolitische Dimension von GG und die wachsende Rolle der NATO im Rahmen der staatlichen Transformationsprozesse verwiesen.
Good Governance als Herausforderung für die Zusammenarbeit Internationaler Organisationen
Dr. Ulrich Seidenberger plädierte in seinem Eingangsvortrag am zweiten Tag für einen weiten Begriffsinhalt. GG sollte nicht nur auf guter Regierungsführung beruhen, sondern als inklusiver Entwicklungsbegriff NGOs und Unternehmen gleichermaßen mit einbeziehen. Die breite Definition von GG als „Orientierung der Inklusivität eines Interessenausgleiches“, die insbesondere den Prozesscharakter von GG hervorhebt, sei der richtige Weg, um das Entstehen multidimensionaler Netzwerke zu erleichtern. Die Übertragung von „Convening Power“ von staatlichen auf nichtstaatliche Akteure und zentralen auf dezentrale staatliche Verwaltungsstrukturen sei von zentraler Bedeutung für effektives Entwicklungsmanagement.
Aus krisenpräventiver Sicht sei Demokratisierung ein guter Ansatz. Probleme entstünden dann, wenn die Entwicklungsagenda und die Sicherheitsagenda kollidieren. Good Governance erlange besondere Bedeutung bei fragiler Staatlichkeit. Ohne Sicherheit als Grundvoraussetzung für ein Funktionieren der grundlegenden institutionellen Prozesse könne keine wirtschaftliche und soziale Entwicklung einsetzen. Die Bundesregierung habe hier Verantwortung übernommen und sich für Stabilisierungsprozesse eingesetzt.
Adolf Kloke-Lesch, Ministerialdirigent im BMZ, stellte in seinem Beitrag kurz das GG Konzept in Abrenzung zu den anderen internationalen Geberkonzepten dar. Die Einteilung unterschiedlicher Gouvernance Niveaus in Trends (besser werdend, gleichbleibend, schlechter werdend) kann bei den Ländern Signal- und Frühwarncharakter haben, die sich wie Simbabwe oder die Elfenbeinküste negativ entwickeln. Kritisch betrachtete Kloke Lesch die Differenzierung des Nordens in seinen Instrumenten. Die Internationalen Organisationen stünden mit ihren unterschiedlichen Indizes und Kriterienkatalogen im intellektuellen Wettbewerb. Entscheidend sei es, dass Internationale Organisationen an einigermaßen nachvollziehbaren Indizes arbeiten. Der grundsätzliche Wille nach stärkerer Harmonisierung sei besonders in der Kommission zu erkennen, die von den 25 Mitgliedsstaaten erwarten, dass Sie die Übernahme des Kriterienkataloges der EU für die Außenpolitik im Bereich des GG vornehmen.
Dr. Ernst Fassbender, Vertreter der UNAMA (United Nations Assistance Mission to Afghanistan) in Bamyan, reagierte auf die Äußerungen seiner Vorgänger skeptisch. Seine mehrjährigen Erfahrungen in Krisenregionen hätten häufig gezeigt, wie kleptokratische Systeme mit nationalen Eliten und internationale Ölgiganten zum Schaden der breiten Bevölkerung interagieren. Im Hinblick auf die Situation in Afghanistan äußerte Fassbender starke Vorbehalte gegenüber der Strategie der internationalen Staatengemeinschaft. Der riesige Mitteleinsatz führe häufig zu einem intransparenten Mittelabfluss. Sämtliche Koordinationsversuche der Geber würden dann scheitern, wenn es nicht gelänge, mentale Brücken zu schlagen und das Vertrauen der Bevölkerung zu erlangen. Das Anlehnen der äußerlich stark verwestlichten Jugend an traditionelle Denkformen zeigt, dass das Vertrauen in die politische Führung nicht ausreichend vorhanden ist.
Sabine Hader von der Weltbank bemängelte die Vervielfachung der Berichtsanforderungen. Beispielsweise wurde in den USA der „Global Aids Fund“ mit einer neuen Verwaltungsstruktur geschaffen. Nach kurzer Zeit seien von der Weltbank Spezialisten angefragt worden, um bei Verfahrensfragen zu beraten.
Ein weiteres Thema sei ein effektives System des Whistle Blowing. Konstantin von Kitzing wies auf die Glaubwürdigkeitslücke der Mitgliedsstaaten hin, die bei GG Themen insbesondere bei Fragen der Rechenschaftspflicht und Transparenz europäischer Institutionen keine ausreichende Kontrolle ausüben würden.
Effektiver arbeitsteiliger Pluralismus mit hohem Koordinations- und Interaktionsanspruch dürfte zu einer höheren Effizienz der Mittelverwendung führen. Die DAC Guidelines der OECD können hier nur als Handlungsanleitung für EZ-Akteure angesehen werden, so Sebastian Bartsch vom Development Assistant Committee der DAC.
Dr. Hanns Glatz von Daimler Chrysler forderte die EU auf, objektive Governance Kriterien zu entwickeln. Die Bereitschaft von Investoren sich aufgrund unterschiedlicher Geberindizes investiv zu betätigen, sei unwahrscheinlich.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde die ganze Komplexität der Debatte deutlich.
Die unterschiedlichen thematischen und geographischen Erfahrungshorizonte der Teilnehmer führten zu einer enormen Heterogenität der Beiträge.
Resümieren lässt sich die Debatte daher schwer, allerdings können einige sich in der Diskussion wiederholende Standpunkte hier kurz skizziert werden:
- das Schaffen gemeinsamer Wertegemeinschaften mit einer ausreichenden Schnittmenge wurde immer wieder als Grundvoraussetzung für Entwicklung genannt
- gleichzeitig sollte man nicht auf Normsetzung verzichten, der Ausgangspunkt von staatlicher Ordnung in Post-Konflikt Situationen sei es, alle gesellschaftlichen Interessengruppen in einem politischen Prozess auf Augenhöhe als gleichberechtigte Partner zu behandeln und einzubeziehen
- Diskussionsbedarf besteht weiterhin bei der Frage nach Pluralität versus Kooperation und Koordination der Geberländer, der Gefahr einer Hierachisierung durch das UN-System bei zu starker Koordination