Event reports
Krisen können die Wahrnehmung verschleiern. Doch wenn wir uns die ergiebige und langanhaltende Tradition der transatlantischen Zusammenarbeit vor Augen führen, werden die Lösungsansätze zur Krisenbewältigung aufgrund einer Strategie, die auf gemeinsamen Werten basiert, offensichtlich. Herausforderungen müssen als Gelegenheit zur Stärkung der transatlantischen Kooperation verstanden werden, der ganz wesentlich der Weg in eine positive Zukunft geebnet werden muss.
Mit diesem grundlegenden Anspruch versammelten sich 25 Mitglieder der transatlantischen Gemeinschaft aus den USA, Europa und Israel in Cadenabbia/ Italien, um offen über die bedeutenden Krisen der heutigen Zeit sowie weitere, zukünftig zu erwartende Herausforderungen zu diskutieren. Eine der Leitideen der Expertenrunde war die Erkenntnis, dass eindeutige und ehrliche Reflexionen aller Parteien erforderlich sind, um realistische Lösungen zu erarbeiten. Mit dieser Aufrichtigkeit, die nicht nur bei den Auswirkungen, sondern hauptsächlich während des Diskurses über die Ursachen vorzufinden war, unterteilte sich die Diskussion in drei übergreifende Themengebiete und zeichnete so den Weg für eine gemeinsame Vorgehensweise. Die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses, auf welche Weise dieses beeinflusst wird und die Möglichkeiten für eine sinnvolle künftige Zusammenarbeit.
Die Bedeutung einer starken Bindung zwischen der EU und den USA
Die Teilnehmer waren sich einig, dass Spannungen, die in der transatlantischen Allianz entstanden sind, primär auf die größtenteils nach innen gerichtete derzeitige U.S. Administration, gepaart mit einem selbstzufriedenen Europa, das eine engagiertere Rolle in der internationalen Sicherheitskooperation noch nicht akzeptiert hat, zurückzuführen sind. Es herrscht eine deutliche Unstimmigkeit zwischen Erwartungen und Realität sowohl seitens der USA als auch von Seiten der EU, jedoch sollte das Fundament einer funktionierenden transatlantischen Allianz sowohl auf gemeinsamer Verantwortung als auch geteilten Verpflichtungen basieren. Um ein solches Fundament zu schaffen, müssen beide Beteiligten zunächst ihre individuellen Werte und Strategien festlegen, bevor sie gemeinsam ihre Beziehung neu gestalten und ausbauen können. Die Krisen, denen sowohl die EU als auch die USA gegenüber stehen und noch langfristig gegenüberstehen werden, setzen ein tiefgreifendes Verständnis für die gegenseitigen Werte voraus. Erst wenn dieses Verständnis zweifellos vorhanden ist, können pragmatische politische Strategien vorangetrieben werden. Die USA und Europa waren schon immer Kooperationspartner aufgrund ihres gemeinsamen Glaubens an eine demokratische, liberale Staatsführung und eine daraus resultierende, wiederbelebte Allianz. Nur mit dieser starken Allianz werden wir in der Lage sein, Bedrohungen besser zu entschärfen und mit denen zu verhandeln, die sich Gemeinschaftsideen gegenüber ablehnend zeigen.
Etwas, das auf beiden Seiten des Atlantiks Sorge bereitet, sind die Krisen im Nahen Osten, allen voran in Syrien, welche direkte Auswirkungen auf die Demografie und Sicherheit in Europa und in den USA haben. Die Konferenzteilnehmer stimmten überein, dass eine umfassendere, mehr vorausdenkende Strategie ursachenorientiert angegangen werden müsse, anstatt sich ausschließlich auf die Auswirkungen zu konzentrieren, worauf bis jetzt das Hauptaugenmerk der Entscheidungsträger lag. Gründe, die über die autokratische Regierung hinausgehen führten zum Versagen von internationalen direkten und indirekten Interventionen, wie z.B. unhaltbarer Bevölkerungszuwachs gepaart mit hoher Arbeitslosigkeit, dem fehlgeschlagenen arabischen Frühling und Radikalisierung, die durch politische Entrechtung und ein Macht-Vakuum angeheizt wird. Die Komplexität dieser Ursachen hebt die Notwendigkeit einer gemeinsamen Strategie hervor, um lösungsorientiert voranzuschreiten und künftige Fehlschläge präventiv zu vermeiden. Das schließt die Eingrenzung bewaffneter Konflikte mit ein, indem militärische Operationen durchgeführt werden, Sicherheitszonen und „rote Linien“ aufgebaut werden, die Infrastruktur früherer Konfliktzonen wiederhergestellt wird, die Demokratisierung von gegenseitigen Werten einer guten Regierung vorangetrieben wird und allgemeine Menschenrechte beschützt werden. Dabei soll der Anreiz für Übermittlung von kultureller Determination nicht vergessen werden.
Die US-amerikanische Präsidentschaftswahl 2016 und deren Auswirkung auf die Außenpolitik
Die Diskussion über die kommende Wahl in den USA fokussierte sich hauptsächlich auf zwei Aspekte: zum einen wurden dieUmstände beleuchtet, die zwei der am wenigsten angesehenen Präsidentschaftskandidaten der Geschichte der USA hervorbrachten, und zum anderen wurde auf die mutmaßliche Außenpolitik geschaut, die vonseiten des neuen Präsidenten erwartet werden kann.
US-interne Ungleichheiten, wie stagnierende Löhne und eine sich vergrößernde wirtschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich, erlaubten einem Institutions-Gegner wie Donald Trump durch seine populistische Haltung bis zur Nominierung der republikanischen Partei vorzudringen. Damit verwandelte er Hillary Clintons schon damals wackelige Aussicht auf die Präsidentschafts-Nominierung in einen langwierigen Vorwahl-Kampf gegen einen ungewöhnlich institutionskritischen Kandidaten. Schutzpolitik, Isolationspolitik und Nativismus sind bedrohliche, kontroverse und damit ständig wiederkehrende Themen beider Wahlkampagnen. Da dies immer mehr Ausdruck auf der republikanischen Seite fand, war Clinton gezwungen, ihre institutionelle Außenpolitik den veränderten Anforderungen an die U.S.-amerikanische Schutzpolitik anzugleichen. Trump drohte bereits, dass er sich aus Europa zurückziehen werde, sofern keine deutliche Erhöhung des europäischen Beitrags zur internationalen Sicherheitspolitik stattfinde. Davon abgesehen wird von Clintons Außenpolitik mehr Bestimmtheit und Durchsetzungsvermögen im Vergleich zur Obama-Administration erwartet, indem sie insbesondere die transatlantische Allianz stärken wird, während sie jedoch auch nach strategischen Partnerschaften in Asien und Südamerika Ausschau halten wird. Europa kann demzufolge nicht länger davon ausgehen, dass die bestehende transatlantische Beziehung Vorrang vor anderen transnationalen Beziehungen der USA hat. Dies ist einerseits zwar einschüchternd, bietet wiederum gleichzeitig die Möglichkeit für Europa, seine Interessen neu zu definieren und das Engagement gegenüber anderen transatlantischen und transpazifischen Partnern breiter zu fächern.
Innovationen und soziale Auswirkungen
Beim dritten, großen Thema der Konferenz angekommen wandte sich die Aufmerksamkeit in Richtung der Auswirkungen von Innovation, Technologie und Wettbewerbsfähigkeit auf unsere Gesellschaften und Kulturen.
Da 50 bis 80 Prozent des Wirtschaftswachstums von technologischen Innovationen herrühren, hängt unsere Gesellschaft erheblich von unserer Fähigkeit ab, langfristig Entwicklungen und Wachstum zu fördern. Dieser Aspekt gilt als entscheidend für die Sicherheit und Zukunftsfähigkeit unserer Gemeinschaft. Doch wie lässt sich die Balance zwischen Innovationen und der sozialen Zerrüttung finden, die diese auslösen? Und wer ist verantwortlich dafür, die Auswirkungen dieser Veränderungen zu bewältigen? Fest steht, dass die USA gewillter sind, Fehlschläge und Störungen zu akzeptieren um Innovationen voranzutreiben, wohingegen Europa vergleichsweise zurückhaltend agiert, obwohl über die nötige Forschung und Fachkenntnisse verfügt wird. Im Vergleich zum U.S.-amerikanischen Markt führt dies zu weniger innovativen Technologien. Aufbauend auf dieser Diskrepanz entstand der Konsens, dass Entwicklungen auf Gebieten wie Mikro- und Nanotechnologie, Biotech, künstliche Intelligenz, autonome Fahrzeuge, virtuelle Realität, Transhumanismus etc. eine tragende Rolle spielen werden, wenn es um Lösungen für künftige Herausforderungen geht. Gleichzeitig ist dadurch wiederum eine nachhaltige Veränderung unserer Gesellschaft zu erwarten. Es liegt primär an der Regierung, eine aktivere Rolle bezüglich zukunftsweisender Innovationen einzunehmen, indem sie in Forschung und Entwicklung investiert und Strategien fördert, die eine fruchtbare Umgebung für neue Innovationen kreieren. Gleichzeitig müssen Störungen innerhalb dieses Zirkels effizienter gehandhabt werden.
Die Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass Innovation grundlegend für transatlantische Allianzen ist und hierbei auch eine zunehmend größere Rolle spielen wird. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass Rückschläge, die mit Innovationen assoziiert werden, nicht die gegenseitige Bereicherung unserer Gesellschaften überblenden. Wir müssen lernen, uns an diese zeitweiligen Unterbrechungen anzupassen und sie zusammen zu bewältigen, indem wir von unseren entsprechenden Stärken profitieren und uns unseren Schwächen gemeinsam stellen.
Weitere Krisen werden entstehen
Sowohl innerhalb des Rahmens der drei Hauptgesichtspunkte der Konferenz, als auch darüber hinaus haben die Teilnehmer den Diskurs über die Einschätzung der momentanen Krisen erweitert. Ein Beispiel dessen ist die jetzige Situation Syriens, die massiv zur Flüchtlingskrise in Europa beiträgt. Auch die Rollen Russlands und Chinas in aktuellen Krisenherden wurde angeregt analysiert. Ebenfalls stellten die Teilnehmer Überlegungen zum Brexit an und erörterten die damit zusammenhängende Zerreisprobe für Europa und die transatlantischen Beziehungen. Der Charakter zukünftiger Bedrohungen wie Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit, Systemwidrigkeiten und –instabilitäten sowie der fehlende Wirtschaftszuwachs boten weitere ergiebige Diskussionsmöglichkeiten. Angesichts dessen waren sich alle einig, dass zweifelsohne weitere Krisen auf uns zukommen werden. Unsere Regierungen können es sich nicht leisten, sich angesichts dessen zurückzuziehen und sich davon abzukapseln, sondern müssen stattdessen individuelle Bewältigungsstrategien dafür entwickeln. Einmal mehr wird dafür eine gerechte Lastenteilung sowie das aktive Ergreifen von Gelegenheiten ausschlaggebend sein.
Transatlantische Werte sind bedeutend, aber nur gemeinsame Interessen werden unsere Allianz weiterbringen
Die transatlantische Allianz ist keine abstrakte Vorstellung, sondern etwas, mit dem wir uns jeden Tag durch Handel, Reisen und Kommunikation beschäftigen. Dennoch wird mehr denn je eine neue Strategie benötigt, die sich den veränderten Realitäten der heutigen und zukünftigen Anforderungen an die transatlantische Partnerschaft anpasst. Dies wird zweifellos nur anhand eines umgeleiteten Fokus auf geteilte Werte verwirklicht werden können, jedoch werden diese Werte nicht dieselben sein, die bereits in der Vergangenheit die Partnerschaften über den Atlantik hinweg formten. Sie werden von neuen gemeinsamen Interessen vorangetrieben werden und die Veränderungen und Spaltungen in unseren Gesellschaften reflektieren. Beispiele neuer gemeinsamer Herausforderungen an die Regierungen werden der demografische Wandel, innovative Technologien und Herausforderungen in Bezug auf das Wohlergehen unserer Gemeinschaft sein.
Der Kern unserer Werte ist das Wissen, dass wir zukünftigen Krisen gemeinsam begegnen werden und wir besser und stärker ausgestattet sind als je zuvor, um diese anhand einer gelungenen Zusammenarbeit zu bewältigen.
Dies bildet das Fundament unserer Allianz: es bringt uns näher zusammen und sichert die künftige Freiheit und den Wohlstand in unseren Ländern. Wir müssen uns konstant daran erinnern, dass die Anstrengungen für diese Union lohnenswert sind. Die Konferenzteilnehmer waren in Einklang über das Versprechen, ihren kontinuierlichen Einsatz in Richtung eines neuen Transatlanticism zu lenken, indem sie ihre Fachkompetenz, Ressourcen und Netzwerke unermüdlich dafür einsetzen.