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Kommunale Wohnungspolitik

Brauchen Kommunen eigene Wohnungsunternehmen?

Ansprüche an Wohnraum differenzieren sich immer mehr aus: Barrierefreiheit ist Blick auf den zunehmenden Altersdurchschnitt der Bevölkerung und u.U. damit einhergehende Pflegebedürftigkeit wünschenswert. Sinkende Haushaltsgrößen erfordern Apartments und andere kleine Wohneinheiten. Fehlende familiäre Einbindung erhöht die Nachfrage nach Wohnmöglichkeiten in Mehrgenerationenhäusern u.ä.Diese und andere Anforderungen sind abhängig von der strukturellen Situation und geographischen Lage einschl. der infrastrukturellen Situation eines Quartiers. Energetische Belange sind zu berücksichtigen.

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Dass - im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft - die Kommunen als „Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus“ (z.B. §1 Gemeindeordnung NRW) in Deutschland soziale Aufgaben wahrnehmen und Aktivitäten entfalten, die zu einem gewissen sozialen Ausgleich führen, ist Faktum und unstrittig (Arbeitsvermittlung, Kinder- und Jugendhilfe, ermäßigte Tarife für Einkommens-Schwache im Hinblick auf die Nutzung kommunaler Angebote etc.). Art. 28 GG sichert den Kommunen zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Die Gemeinden werden tätig mit dem Ziel, „das Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern.“ (z.B. Niedersächsische Gemeindeordnung). Dies schließt soziale Aufgaben ein.

Inwieweit umfasst der Kanon pflichtiger und freiwilliger sozialer Aufgaben jedoch auch kommunale Wohnungspolitik (die über die schon ordnungsrechtlich vorgegebene Verpflichtung zur Unterbringung Obdachloser hinaus geht)?

 

In der Nachkriegszeit war die Versorgung breiter Kreise der Bevölkerung mit Wohnraum vordringliche Aufgabe auch im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft. Sie geschah durch verschiedene öffentliche, genossenschaftlich organisierte und private Akteure und mittels einer Reihe von Förderprogrammen.

 

Zu diesen Akteuren gehörte auch der Bund. Mangels Bedarf bei den eigentlichen Zielgruppen (Mitarbeiter von Einrichtungen des Bundes) waren bundeseigene Wohnungen zunehmend auch an Personen vermietet worden, die bei privaten Anbietern ebenso eine Wohnung gefunden hätten. Hier wurde das Prinzip der Subsidiarität verwirklicht, indem Bundes-Immobilien in großem Umfang privatisiert wurden.

 

In den Kommunen ist das Bild uneinheitlich. In Hamburg befinden sich 15% der Wohnimmobilien in kommunaler Hand, in Düsseldorf dagegen nur 0,5%, Dresden verfügt nach dem spektakulären Verkauf über keine eigenen Wohnungen mehr. Ist dies generell wünschenswert bzw. sind zu einer wirkungsvollen kommunalen Wohnungspolitik eigene Bestände überhaupt erforderlich?

 

Bis heute haben sich die Wohnungsmärkte weit ausdifferenziert. Wirtschaftlich schwachen Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen (mit wachsenden Leerständen, einer geringen Bautätigkeit und einem niedrigen Preisniveau) stehen Wachstumsregionen (mit wachsendem quantitativen Wohnungsbedarf, speziellen Bedürfnissen einzelner Zielgruppen wie Ältere und Hartz IV-Empfänger) gegenüber.

 

Für Städte mit gegenwärtig und voraussichtlich zukünftig ausgeglichenem Wohnungsmarkt (sowohl hinsichtlich Gesamt-Angebot und -Nachfrage als auch hinsichtlich einzelner Zielgruppen) kommt eine Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände am ehesten in Frage bzw. ist im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft geboten.

 

Mit Sozialkatalogen als Bestandteil des Kaufvertrags kann negativen Auswirkungen auf die Mieter begegnet werden (z.B. Einräumung von lebenslangen Wohnrechten für Behinderte, Begrenzung der Weiterveräußerung von Wohnungsbeständen, Kappung der gesetzlich möglichen Mieterhöhungspotentiale). Die Kommune kann im Rahmen des Sozialkatalogs z.B. Belegungsrechte zur Unterbringung sozial Schwacher vereinbaren und grundbuchrechtlich absichern.

 

Insbesondere hohe Leerstände ziehen sog. negative externe Effekte nach sich (steigende Nebenkosten für die verbleibenden Einwohner, sinkender Wert des einzelnen Wohn-Objekts, negative Konsequenzen für die öffentliche Infrastruktur, steigende Kriminalität und in der Folge Slum-Bildung). Dies macht in einer Sozialen Marktwirt¬schaft ein öffentliches (gemeinwohlorientiertes) Handeln erforderlich, weil ein Privater zu einer Korrektur der negativen Entwicklung nicht in der Lage wäre. Begleitend zu einer effektiven kommunalen Wohnungspolitik gehen die erforderlichen Maßnahmen oft wesentlich weiter (z.B. Abriss im Rahmen von Stadt-Umbau-Programmen).

 

Aber auch unter anderen Rahmenbedingungen (also z.B. in Wachstumsregionen) sind gemeinwohlorientierte Aktivitäten notwendig, um negative externe Effekte abzumildern bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen: Stundung von Mietzahlungen verhindert u.U. Obdachlosigkeit; Streetworker verringern u.U. Jugendkriminalität; Organisation von Treffs fördert u.U. die Integration u.v.m.

U.a. auch mit dem Hinweis auf die mit derartigen Aktivitäten erwirtschaftete Stadtrendite begründen kommunale Wohnungsunternehmen oftmals ihre Existenz. Solche Aufgaben können jedoch von verschiedenen Akteuren wahrgenommen werden, so dass darin allein keine Begründung für ein öffentliches Engagement (bzw. das Engagement des öffentlichen Unternehmens) liegt.

 

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Finanzierbarkeit solcher Maßnahmen durch das Kommunal-Unternehmen künftig in Frage gestellt ist, da die öffentlichen Eigentümer zunehmend höhere Renditeerwartungen an ihre Wohnungsunternehmen stellen. Über die Frage der Kapitalverzinsung hinaus ist zu bedenken, dass in kommunalen Wohnungsbeständen Kapital gebunden ist, das im Falle eines Unternehmensverkaufs anders (z.B. in Infrastrukturmaßnahmen) möglicherweise besser investiert wäre.

 

Es ist letztlich eine politische Entscheidung im Rahmen des parlamentarischen Prozesses, welche Schwerpunktsetzung bei gemeinwohlorientierten (sozialen) Aufgaben erfolgt.

 

Je weiter die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot übersteigt, umso stärker steigen die Preise und umso mehr besteht die Notwendigkeit, dass kommunale Wohnungspolitik lenkend eingreift. Die derzeitige Fertigstellungsrate von Wohnungen entspricht nicht dem tatsächlichen Bedarf. Zwar sinkt die Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik Deutschland, die Zahl der Haushalte wird in den nächsten Jahren aber noch wachsen. Des Weiteren ist durch die geänderten Rahmenbedingungen die Entwicklung des Sozialmietwohnungsbestands deutlich rückläufig. Je angespannter der Wohnungsmarkt ist (quantitativ, aber auch, weil Angebot und Bedarf auseinander fallen), umso so schwieriger wird es für die Kommune, finanzschwache und (z.B. im Hinblick auf die Übernahme von Wohn- und Heizkosten durch die Kommune) unterstützungsberechtige Personen /Bedarfsgemeinschaften angemessen mit Wohnraum zu versorgen.

 

Der finanzielle Spielraum der Kommunen zur Wahrnehmung wohnungspolitischer Aufgaben wird (v.a. aufgrund reduzierter Wohnungsbau-Mittel und geänderter steuerlicher Regelungen der übergeordneten Gebietskörperschaften) immer geringer.

 

Ihre Handlungsfelder liegen daher vor allem zunächst in einer detaillierten Prognose bzgl. der Wohnungsmarkt-, Bevölkerungs-, Haushalts- und Nachfrageentwicklung. Auf dieser Basis kann das Bemühen ansetzen, Investoren zu Neubaumaßnahmen, Modernisierung und nachfragegerechter Anpassung von Wohnungsbeständen zu mobilisieren und bei der behördlichen und finanziellen Abwicklung Hilfestellung zu leisten. Dazu gehört auch, Bebauungspläne aufzustellen und Bauvorhaben zu genehmigen, die dem sozialen Wohnungsbau dienen und dabei Bauland zu Preisen anzubieten, die das Investitions-Vorhaben realistisch machen. Mit dem Ziel einer ausgewogenen Alters- und Sozialstruktur in der Kommune ist Ausweisung von Bauland zur Wohneigentumsbildung ein weiteres wichtiges Feld der Wohnungspolitik. Die Kommune hat ferner eine ausgewogene Sozialstruktur über das Gemeindegebiet hinweg sicherzustellen, also Gettobildung (Segregation) zu verhindern und übermäßiges Verdrängen eingesessener sozialer Schichten in der Folge von Sanierungsmaßnahmen (Gentrifikation) abzumildern.

 

Die wenigen Beispiele zeigen, dass zum einen wohnungspolitische Aufgaben von Privaten allein nicht zu bewältigen sind und dass zum anderen eine Verzahnung von Wohnungspolitik mit Bauleitplanung / Infrastrukturpolitik / Stadtentwicklungspolitik notwendig ist. Aufgrund der Vielzahl von Akteuren, die direkt oder indirekt mit der Wohnungspolitik zu tun haben, ist auch deren Koordination nur in öffentlicher Aufgabenwahrnehmung möglich.

 

Daher ist kommunale Wohnungspolitik vor allem in Großstädten eine unverzichtbare soziale Aufgabe und Teil einer erfolgreichen Sozialen Marktwirtschaft. Ob dazu auch ein kommunales Wohnungsunternehmen erforderlich ist, bleibt im Einzelfall zu klären.

Die Einsparung von Transaktionskosten kann in spezifischen Fällen ein markt-konformes Argument zu Gunsten des kommunalen Wohnungsunternehmens sein, nämlich bei der oben genannten Mobilisierung von Investoren zu zukunftsgerichtetem Neu- oder Umbau (altengerechte Wohnungen, generationen-übergreifendes Wohnen). Dieses Ziel mag in Verhandlung mit dem kommunal-eigenen Unternehmen wesentlich leichter zu erreichen sein.

 

Im Übrigen liegt ein Mittelweg, dem Subsidiaritätsprinzip der Sozialen Marktwirtschaft Rechnung zu tragen und dem Marktprinzip auch in der kommunalen Immobilienwirtschaft wenigstens teilweise Geltung zu verschaffen, im Verkauf einzelner Wohnungen aus den Beständen der kommunalen Gesellschaft an die bisherigen Mieter oder an sonstige Interessenten.

 

Im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft dürfen auch in der kommunalen Wohnungspolitik einerseits Marktprozesse nicht im Gegensatz zum sozialen Konsens (hier: Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Wohnraum) stehen. Die Soziale Marktwirtschaft muss aber andererseits die Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkung der Individuen – die immer dann geschieht, wenn der Staat (hier die Gemeinde) in das Marktgeschehen (hier den Wohnungsmarkt) eingreift – wahren.

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Dr. Mechthild Scholl

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