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Mehr Anerkennung für die Feuerwehren

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Eine der ältesten und größten „Bürgerbewegungen“ dürften im deutschen Sprachraum die Freiwilligen Feuerwehren sein: Geboren aus dem Geist der Eigenverantwortung, der sich in der Zeit des Vormärz unter den Bürgern ausbildete, formierten sich örtliche Zusammenschlüsse engagierter Menschen, die den Brandschutz zu ihrer Sache machten und in ihrer Umgebung schlagkräftige Organisationen aufstellten. Bisherige Initiativen, etwa der Handwerker mit ihren Spezialkenntnissen und aller Bürger, hatten immer wieder bewiesen, dass ihre Effektivität zu wünschen übrig ließ. Disziplinlosigkeiten, das „Herauskaufen“ Wohlhabender aus ihren Verpflichtungen und eine entsprechend allgemeine Demotivation ließen viele Zeitgenossen nicht kalt. Sie wollten einfach selbst anpacken und die Missstände, die ein obrigkeitlich verordneter Brandschutz aufwies, abstellen.

In einzelnen Fällen hatten solche Gruppen Gelegenheit, ihre Schlagkraft unter Beweis zu stellen: So fiel 1847 bei einem verheerenden Theaterbrand in der Residenzstadt Karlsruhe das erst kurz zuvor vom Stadtbaumeister Christian Hengst gegründete „Pompier-Corps“ (pompier, französisch = Feuerwehrmann) aus Durlach, einem heutigen Stadtteil von Karlsruhe, durch sein diszipliniertes und mutiges Vorgehen auf. Hengst teilte jedem seiner Männer feste Aufgaben zu: als Steiger, Pumpenbediener und Rohrführer. Diese einzelnen Tätigkeiten hatten sie zuvor so lange mit militärischem Drill eingeübt, bis jeder Handgriff saß. Der „Ernstfall Karlsruhe“ bestätigte Hengsts Methode nachdrücklich. Sein „Pompier-Corps“ erschien, obwohl von außerhalb der Stadt kommend, bereits 36 Minuten nach Alarmierung an der Großbrandstelle und konnte immerhin die angrenzende Orangerie und andere Liegenschaften retten.

Das Feuerwehrwesen in Deutschland besteht seitdem zu mehr als neunzig Prozent aus ehrenamtlichen Aktiven, die rund um die Uhr bereit sind, bei einem Alarm alles stehen und liegen zu lassen, um in den Einsatz zu gehen und den Menschen in ihrer Umgebung Hilfe in Notlagen zu bringen – nicht selten unter erheblicher Gefahr für die eigene Gesundheit und das eigene Leben. Knapp eine Million solcher Aktiver gibt es zurzeit in Deutschland, die dies weitgehend unentgeltlich leisten – lediglich Fachkräfte mit Sonderfunktionen, wie Gerätewarte, Ausbilder in Landkreisen und Führungskräfte, erhalten geringe Aufwandsentschädigungen. Die Feuerwehren erfüllen dabei Pflichtaufgaben, die per Gesetz den Gemeinden zukommen; sie sind also hoheitlich tätig.

Dieses Feuerwesen ist ein Erfolgsmodell: Derart flächendeckend kann kein anderes Modell Brandschutz aufbieten – und zwar weltweit. Andere Staaten blicken teils verblüfft auf die Effektivität des Systems, das in puncto Schnelligkeit, Verfügbarkeit und geringe Kosten nirgendwo seinesgleichen findet.

Gewalt gegen Einsatzkräfte

Leider steht das Feuerwehrwesen – und das ist auch weithin bekannt – sowohl technisch als auch personell vor Umbrüchen. Die demografische Entwicklung, verändertes Freizeitverhalten sowie eine sich wandelnde Arbeitswelt sorgen für zurückgehende Aktiven-Zahlen. Vielfach fehlt es innerhalb des Feuerwehrwesens an dem Bewusstsein, sich auf zahlreiche Probleme einstellen zu müssen. Personalengpässe bestehen bereits vielerorts: im Ehrenamt wie im Hauptberuf. Viele Verantwortliche haben das noch nicht verstanden. Andere reagieren mit scheinbarem Gesundschrumpfen, schließen kleine Einheiten, anstatt sich um Aufbau zu kümmern. Angeraten wäre indes, in die Offensive zu gehen, und zwar vor Ort, was jedoch trotz hervorragender Beispiele leider nicht überall geschieht.

Die Situation der Feuerwehr wird leider allzu oft in der Gesellschaft falsch eingeschätzt. Eine gesunkene Hemmschwelle führt zu vermehrter Respektlosigkeit bis hin zu Gewalt gegen Einsatzkräfte, die häufiger als früher nicht als Helfer in der Not, sondern als Vertreter einer Staatsmacht angesehen werden, die es zu kritisieren oder sogar zu bekämpfen gilt. Ein rauerer Umgangston, der sich schleichend aus einem veränderten Kommunikationsverhalten in den Sozialen Medien auch auf den allgemeinen Umgang der Menschen untereinander zu bilden scheint, trägt vermutlich zu dieser negativen Entwicklung bei.

Gut gemeinte Kampagnen – des Deutschen Feuerwehrverbandes, der Landesfeuerwehrverbände und auch einzelner Feuerwehren gemeinsam mit anderen Organisationen der „Blaulicht-Familie“ – haben in diesem Punkt bisher noch keine Trendwende erzeugt. Kampagnen allein werden dazu auch kaum ausreichen. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der auch die Bewusstseinsbildung von Eltern und Erziehenden, Schulen, andere Bildungseinrichtungen und so viele gesellschaftliche Akteure und Gruppen wie irgend möglich einbezieht.

Kulturträger Feuerwehr

Für das weltweit effektivste Feuerwehrsystem gilt in jedem Fall: Wenn es flächendeckend und mit hoher Effizienz weiter existieren soll, muss es sich selbst bewegen. Dazu muss wesentlich bekannter werden, welch grundlegende Bedeutung dieses System, das sich hauptsächlich auf das Ehrenamt stützt, für unsere gesamte Gesellschaftsstruktur hat. Die Feuerwehr ist nicht einfach nur eine Sicherheitseinrichtung, sondern vielmehr die größte Bürgerinitiative unseres Landes.

Die Feuerwehr ist ein Kulturträger – und damit meine ich nicht, dass Feuerwehren auch beim Aufstellen von Kirmesbäumen oder bei Festumzügen helfen und selbst Veranstaltungen anbieten. Ich meine damit den Grundcharakter, auf dessen Basis sich Menschen vieler Schichten und Altersgruppen unserer Gesellschaft freiwillig zusammenfinden, um gemeinsam in hoheitlichem Auftrag für die Sicherheit und das Leben ihrer Mitmenschen einzustehen. Das ist in dieser verfassten Form einzigartig. Sie weist zutiefst demokratische Elemente in der Führungskräftewahl, in der Organisation und durch das Verbandswesen auf. Hinzu kommt, dass die Feuerwehr nicht zentral, sondern örtlich aufgestellt ist. Wenn dieses so effektiv organisierte Feuerwehrwesen wegbricht, bricht ein Pfeiler unserer Gesellschaft. Hauptamtliche und Dienstleister können es keinesfalls ersetzen.

Gibt es eine Möglichkeit, dieses „Winning-System“ dauerhaft zu erhalten, oder ist es nicht zu retten? In meinen Augen ist es definitiv zu „retten“ – jedoch gibt es nicht die eine „Zauberformel“, mit der das gelingen wird. Viele kleine Maßnahmen sind notwendig, um unser Feuerwehrsystem in der bis jetzt erfolgreichen Form zu erhalten, und diese könnten eine „Zauberformel“ bilden.

Dazu zählen nur zu einem kleinen Teil klassische Werbekampagnen um Nachwuchs und um das Ansehen der Feuerwehr. Wichtig ist die Unterstützung der Politik, deren Protagonisten die tatsächliche Rolle des Feuerwehrwesens für unsere Gesellschaft zu verstehen aufgerufen sind und in ihrem politischen Handeln die Rahmenbedingungen für ein Weiterbestehen setzen müssen: eine differenziertere Anerkennungskultur – Auszeichnungen und Orden sind wichtig und gut, jedoch nicht mehr ausreichend –, eine bessere Absicherung, etwa auch von Familien von Aktiven nach Unfällen oder gar Todesfällen, und damit meine ich auch moderne, familienähnliche Gemeinschaftsformen. Dazu gehört auch Unterstützung von Familien im Einsatzfall: Wer kann spontan die Betreuung kleiner Kinder übernehmen, wenn den in der Feuerwehr engagierten Elternteil ein Alarmruf erreicht? Und vielleicht müssen wir auch so mutig sein, das Thema der Altersversorgung für Aktive anzugehen.

Das „Blaulicht“-Ehrenamt

Manch ein Arbeitgeber hat leider nicht verstanden, dass die Feuerwehr auch die Wirtschaft schützt und dass es unterm Strich kein Nachteil ist, wenn man Beschäftigte für den Feuerwehrdienst freistellt. Hier muss Bewusstseinsbildung betrieben werden, etwa gemeinsam mit Wirtschaftsorganisationen, wie sie teilweise in Deutschland bereits vonseiten der Feuerwehrverbände, auch gemeinsam mit Ministerien, in Gesprächen und medial betrieben wird. Das sind nur einige wenige Beispiele möglicher und notwendiger Maßnahmen. Der Katalog ist ungleich länger und würde hier viele Seiten füllen. Die Feuerwehrverbände halten Informationen dazu bereit.

Was leider ebenfalls oftmals hemmt, ist der Vergleich des Ehrenamtes in den Blaulicht-Organisationen mit anderen Ehrenämtern. Völlig unbestritten ist Ehrenamt, etwa in der Brauchtumspflege, im Sport, in der Jugendarbeit, in sozialen Bereichen und auf vielen anderen Gebieten, hoch anerkennenswert und wichtig. Dennoch gibt es Unterschiede: Die Feuerwehr übernimmt eine Pflichtaufgabe, sie ist hoheitlich unterwegs, und ihre Ehrenamtlichen stehen rund um die Uhr bereit. Es ist nicht zu kühn, zu sagen, dass dieser Einsatzform kein anderes Ehrenamt außer dem in anderen Blaulicht-Organisationen gleichkommt. Da dies weithin nicht so gesehen wird, werden die Anliegen der Feuerwehr schnell vernachlässigt. Und wer das anspricht, zieht sich rasch den Widerstand anderer Interessenvertreter zu, denn es geht auch um die Verteilung finanzieller Mittel. Das muss sich ändern. Es muss sich einiges ändern, damit sich am erfolgreichen Feuerwehrsystem nichts zum Negativen ändert.

Frank Hachemer, geboren 1969 in Andernach, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes.

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