Endzeit statt Zeitenwende. Der Ampelsinkflug zog sich quälend lange hin, allein der Moment des Aufpralls konnte dramatischer kaum sein. Am Morgen desselben Tages hatte Donald Trumps Kantersieg viele Deutsche aufgeschreckt oder schockiert. Davon unbeeindruckt, ließ man es abends im Kanzleramt krachen.
„Das Ende einer Koalition ist nicht das Ende der Welt“, ließ der um Beruhigung bemühte Bundespräsident nach dem Ampel-Aus verlauten. Damit antwortete er zugleich auf den aktuellen Zeitgeist, der dazu neigt, wichtige Nachrichten mit apokalyptischen Deutungen anzureichern. Irgendwo tickt immer eine Doomsday Clock! Wer hinter der Omnipräsenz der Untergänge allerdings nur Angststörungen oder Panikmache vermutet, verkennt die Realität.
Tatsächlich ist das Ende einer Regierung kein Weltuntergang, jedoch – zumal mit diesem Timing und in dieser Form – ein Mosaikstein mehr, um einem abgrundtiefen Krisenbewusstsein Vorschub zu leisten. Leider gibt es viele stichhaltige Gründe, sich zu fürchten und verunsichert zu sein.
Fühlen sich Gesellschaften bedroht, greifen sie auf apokalyptische Weltbilder zurück, so die sozialwissenschaftliche Religionsforschung. Wie der zurückliegende US-Wahlkampf zeigt, können endzeitliche Vorstellungen sogar politisch richtungsweisend werden. Als Instrumente zur Inszenierung, Emotionalisierung und Polarisierung entfalten sie enorme mobilisierende Wucht.
Bislang haben moderate politische Kräfte kein Rezept, um der Vehemenz negativer Erwartungen zu begegnen. Noch tendieren sie dazu, zu beschwichtigen, Streitthemen beiseitezuschieben oder sie als zu komplex für die Entscheidungsfindung zu erklären. Gefragte Politikberater empfehlen bis heute, gute Laune zu verbreiten!
Die Lage ist ernst, und sie droht sich erst einmal zu verschärfen. Man kann nicht so weitermachen, als wäre alles im Lot. Längst sind erschöpfte Depressivität und Verbitterung keine gesellschaftlichen Randerscheinungen mehr. Vor allem jüngere Menschen sorgen sich um ihre Perspektiven. Die Zukunft scheint nicht mehr offen, sondern verstellt.
„Die Völker werden bestürzt und ratlos sein“, lautet eine Bibelstelle zum Anfang des Advents, der bekanntlich eine endzeitliche Erneuerung, eine wirkliche Welt- und Zeitenwende, einleitet. Mit Ausweglosigkeit kann sich christlich inspiriertes Denken und Handeln nicht abfinden. Es erfordert vielmehr, ausgetretene Pfade zu verlassen. Nicht allein die Abfederung des Abstiegs ist das Ziel, sondern Aufbruch.
Bernd Löhmann, Chefredakteur