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Vorwärts in die Vergangenheit? Mit dem Überfall von Putins Armeen auf die Ukraine ist die alte Schimäre vom Ende der Geschichte unwiderruflich dahin- gegangen. Und es wächst die Befürchtung, dass der unvorstellbare Gewaltakt gegen ein Vierzig-Millionen-Volk das Ende der Zukunft einläuten könnte, wie wir sie uns ausgemalt hatten. Statt schmiegsamer Visionen von Netzwelten, die sich nebulös in Clouds verflüchtigen, stehen Panzer und Kanonen im Mittelpunkt unserer Wahrnehmung. Ein noch prädigitaler Kriegsherr schickt sich an, inmitten Europas stahlharte Fakten zu schaffen – und es fragt sich, ob nicht nur er Schnittstellen zur Realität gekappt hat.

Der 24. Februar 2022 markiert auch einen mentalen Backlash. Bis zu diesem Tag galt als ausgemacht, dass es die Entwickler digitaler Technologien sein würden, die künftig das Leben der Menschen bestimmen und größten Einfluss darauf haben würden, wie man Macht erringt und verteidigt. Offen- bar ist auch der hiesige politische Raum den Verlockungen solcher Zukunftsbilder erlegen, in denen die Wirklichkeit nach der Logik der neuen Technologiekultur gestalt- und optimierbar erschien. Ihre erdfernen Parolen vom

„Accelerating Change“ oder „Moonshot Thinking“, die die immensen Möglichkeiten der Digitalisierung mehr verbrämen als klären, verfingen in einem Maße, dass sie Wahrnehmungslücken hinterließen und zu wiederkehrenden Beschwichtigungen führten, auch noch, als sich an den ukrainischen Grenzen die ausgeklügelte Konfliktsteuerung als illusionär erwies.

Die bunte Tech-Party ist gecrasht, und das Schwelgen in technokratischer Selbstevidenz hat sich entlarvt. Nach dem „Realitätsschock“ (Friedrich Merz) geht es darum, wieder Zugriff auf eine Welt zu bekommen, die chaotisch und bedrohlich ist und sich eben nicht allein durch durchtoolisierte Prozesse ordnen lässt.

Eine technokratische Sicht ist selten darauf gerichtet, dass Menschen etwas Besonderes sind. Doch genau daraus speist sich christlich-demokratisches Denken. Es muss darum ringen, Nähe zum Alltag zu gewinnen – mit seinen Erfahrungen und Nöten. Wenn die vorliegende Ausgabe der Politischen Meinung, die vor dem Kriegsausbruch konzipiert worden ist, sich dem Thema Netzkultur widmet, dann geht es ihr weniger um technische Fragen oder die kommunikativen Defizite von Politik-Accounts, sondern vielmehr um ein vertieftes Verständnis der sich verändernden Lebenswelt.

Die Vitalität der Netzkultur besitzt in ihrer Faszination wie in ihren Gefährdungen enorme Energien. Sie kann durchaus zu gemeinsamen Wegen nach vorn mobilisieren. Trotz Putin darf diese Zukunft nicht zu Ende sein.

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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