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Ist es siebzig Jahre nach den Dreharbeiten an der „Feuerzangenbowle“ erlaubt, „ein Loblied auf die Schule“ zu singen, wie es Heinrich Spoerl, Autor der gleichnamigen Romanvorlage, nicht ironiefrei für sich in Anspruch nahm? Um die Illusion eines gymnasialen Idylls, wie sie der Rühmann-Film – fernab der damaligen Kriegsrealität – vorstellte, darf es nicht gehen. Aber es könnte ja sein, dass die wirklichen Erfahrungen und Leistungen einer über 200-jährigen Institution und ihrer wichtigsten Träger – der Lehrerinnen und Lehrer – manches längst ungewohnte Lob verdienen.

Öffentlich nehmen die kritischen Stimmen einiger Bildungsreformer, die seit den 1970er-Jahren darunter leiden, dass sie das Gymnasium nicht abschaffen konnten, weiterhin breiten Raum ein. Sie glauben sich ausgebremst durch ein elitäres Elternkartell, das für den eigenen Nachwuchs Privilegien zu sichern versucht. Dabei wünschen sich bei weitem nicht nur gut situierte Eltern, dass ihre Kinder das Gymnasium besuchen.

Längst hat sich die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft verändert. Es gibt mehr Arbeiter- und Mittelschichtkinder, auch mit Migrationshintergrund. Das Erstaunliche ist, dass das Gymnasium Wege gefunden hat, auf die unterschiedlichen Ausgangssituationen seiner Schüler einzugehen, ohne eigene Standards aufzugeben. Trotz allem bleibt es dabei, dass die Gymnasien ihren Eleven insgesamt zu guten Leistungen verhelfen. Der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth stellt sogar fest: „[…] die guten Abiturienten müssen selbst an internationalen Spitzenuniversitäten den Vergleich mit ihren Altersgenossen aus anderen Ländern nicht scheuen.“

Das Gymnasium von heute, das allen offensteht, ist ein Erfolgsmodell, weil es ein anspruchsvolles Angebot von erweiterter allgemeiner, kultureller und wissenschaftsnaher Bildung aufrechterhält. Wenig spricht hingegen dafür, dass sich gute Leistungen herbeistrukturieren lassen. Sie hängen vielmehr davon ab, wie sehr es den Lehrkräften gelingt, die Begeisterung für ihr Fach an die Schüler weiterzugeben. Wenn sich die Bundesländer durchsetzen, die aktuell die fachwissenschaftliche Qualifikation der Gymnasiallehrer infrage stellen, dann wird wenig von der ansteckenden Wissbegierde in den Klassenzimmern übrig bleiben. So beliebt das Gymnasium ist, so gefährdet bleibt diese altehrwürdige und zugleich im modernen Sinne bürgerliche Institution. Es ist höchste Zeit für mehr öffentliches Lob und für die Forderung, weniger bildungspolitisch herumzudoktern, sondern mehr auf die Gestaltungsfreiheit der Schulen zu vertrauen. Wenn ein verlässlicher Rahmen gesetzt ist, werden die Gymnasien die vor ihnen liegenden Herausforderungen meistern und eine für alle förderliche Entwicklung nehmen.

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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