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Die Entwicklung der Flucht- und Asylmigration

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In einer globalisierten Welt ist Migration eher die Regel als die Ausnahme. Effektive Migrationssteuerung wird daher immer wichtiger. Gründe für Auswanderung sind politische Verfolgung, Konflikte, Wirtschaftskrisen, Armut und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Weitere Ursachen können Bevölkerungswachstum, Umweltveränderungen und Klimawandel sein, ebenso frühere Migrationsbewegungen, da sie ethnische Gemeinschaften in den Zielländern begründen. Daneben gibt es immer noch die klassische Arbeitsmigration und den Familiennachzug. Am schwersten zu steuern – und auch zu prognostizieren – ist die Fluchtmigration. Die Bilder sind täglich in den Medien präsent: Flüchtlingsströme in Syrien und im Irak, Menschen auf zum Teil kaum seetüchtigen Booten vor Italien, übervolle Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland.

2013 haben in den Staaten der Europäischen Union (EU) 437.000 Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt, davon 127.000, also fast 30 Prozent, in Deutschland. Danach folgten Frankreich, Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien. Im ersten Halbjahr 2014 sind fast 50 Prozent der Asylanträge in der EU in Deutschland und in Schweden gestellt worden. In Deutschland ist der Vorjahreswert bereits im September überschritten worden. Insgesamt wird 2014 mit über 200.000 Asylanträgen gerechnet – was einen Anstieg um über 60 Prozent bedeutet, und für 2015 wird ein weiterer Anstieg auf 230.000 prognostiziert. Dies stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die für die Unterbringung zuständigen Länder vor enorme Aufgaben.

 

Kriminelle Schleuser und Todesfälle

2008 wurden nur 28.000 Anträge gestellt. Den Anstieg seither konnte niemand vorhersehen. Neben der generellen Zunahme gab es 2012 einen starken Anstieg der Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten, der unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz, das die Anhebung der existenzsichernden Geldleistungen vorsah, einsetzte. 2013 verzeichneten wir einen Anstieg der Zahl der Asylbewerber aus der Russischen Föderation, meist Tschetschenen. Die Zunahme 2014 beruht vor allem auf dem verstärkten Zuzug aus den Westbalkanstaaten, den zunehmenden Schleusungen über die Mittelmeer-Routen und auf dem Krieg in Syrien und im Irak.

Hauptherkunftsländer sind zurzeit Syrien, Serbien und Eritrea, aber auch Afghanistan, Irak, Somalia, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien. Viele Flüchtlinge kommen mithilfe krimineller Schleuser, die sie über Asyl in Europa falsch informieren und für Tausende Dollar in seeuntüchtigen Booten über das Mittelmeer schicken. Allein bis August 2014 wurden 117.000 Menschen aus dem Meer gerettet. Dennoch kamen circa 3.000 Menschen zu Tode, weit mehr als im Vorjahr.

Etwa 25 Prozent der Asylanträge werden von Menschen aus den Staaten des Westbalkans gestellt, die ohne Visum nach Deutschland einreisen können. Diese Anträge werden fast immer abgelehnt, da kein Schutzgrund vorliegt. Asylbewerber aus Syrien, seit 2011 über 50.000, werden hingegen fast zu 100 Prozent anerkannt. Daneben erhalten über humanitäre Programme weitere 20.000 syrische Flüchtlinge Aufenthaltstitel.

Schutzbedürftige erhalten in Deutschland Schutz. In einem sorgfältigen Verfahren wird beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen von Asylgründen oder Schutzgründen nach der Genfer Flüchtlingskonvention (zum Beispiel Verfolgung aufgrund der Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) geprüft, ebenso mögliche Gründe für subsidiären Schutz oder Abschiebehindernisse. Abgelehnte Asylbewerber sind ausreisepflichtig. Nur in besonderen Fällen können die Länder einen Aufenthaltstitel erteilen. Die Flucht vor schwierigen Lebensbedingungen und der verständliche Wunsch nach einer besseren Zukunft sind kein Rechtsgrund für eine positive Asylentscheidung, die sich nur an einer Verfolgungs- oder Gefahrensituation im Heimatland orientieren kann. Daher wurden – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – die drei Länder Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer eingestuft. Die Asylverfahren können so beschleunigt werden.

 

„Resettlement“ und Rückkehrmanaegment

Neben dem Asyl als klassischem Instrument des Flüchtlingsschutzes beteiligt sich Deutschland seit 2011 auch am Resettlement, bei dem besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus dem Ausland aufgenommen werden. Der Begriff bezeichnet grundsätzlich die dauerhafte Neuansiedlung besonders verletzlicher Flüchtlinge in einem zur Aufnahme bereiten Drittstaat, der ihnen vollen Flüchtlingsschutz gewährt und ihnen die Möglichkeit bietet, sich im Land zu integrieren. Deutschland hatte schon früher an humanitären Aktionen teilgenommen und zum Beispiel 2009/10 über 2.500 irakische Flüchtlinge aufgenommen. Seit 2013 gewährt Deutschland neben seinem Engagement für das Resettlement syrischen Flüchtlingen besonderen Schutz im Rahmen humanitärer Aufnahmeaktionen.

Die Unterbringung der Asylbewerber erfolgt durch die Länder. Der Aufenthalt ist räumlich auf den aufnehmenden Regierungsbezirk oder das Land begrenzt. Diese sogenannte Residenzpflicht soll künftig nach drei Monaten entfallen. Die Wartefrist zur Arbeitsaufnahme ist auf drei Monate verkürzt worden.

Wichtig ist auch ein effektives Rückkehrmanagement: Abgelehnte Asylbewerber müssen schnell in ihre Heimat zurückkehren. 10.197 Personen wurden 2013 abgeschoben, weitere 10.251 sind mithilfe bundesgeförderter Programme zur freiwilligen Rückkehr ausgereist. 2013 lebten circa 132.000 ausreisepflichtige Personen in Deutschland, circa 95.000 von ihnen mit einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Viele von ihnen leben schon seit mehreren Jahren in Deutschland. Es ist vorgesehen, dass diejenigen, die gut integriert sind, ein alters- und stichtagsunabhängiges Bleiberecht erhalten sollen. Für Jugendliche und Heranwachsende ist vorgesehen, leichter einen Aufenthaltstitel erhalten zu können.

Fluchtbewegungen betreffen Europa als Ganzes. Daher hat die EU das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) entwickelt. Auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) spielt eine wichtige Rolle.

 

Neues europäisches Verteilsystem?

Diskussionen gibt es um die Dublin-Verordnung, die bestimmt, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist. In der Regel ist das jener EU-Staat, in dem der Asylbewerber ankam. In Italien und Spanien kommen zwar viele Flüchtlinge an, aber es werden dort viel weniger Verfahren durchgeführt als in Deutschland. Oft wird kritisiert, dass ein Asylbewerber in einen Staat überstellt werden soll, in dem das Sozial- und Gesundheitswesen schlechter ist als in Deutschland. Das Asylrecht kann jedoch nicht das Problem unterschiedlicher sozialer Systeme in Europa lösen. Eine Überstellung unterbleibt, wenn im Asylsystem eines anderen EU-Staats schwere Mängel bestehen. Dies ist bislang nur für Griechenland festgestellt worden.

Immer wieder wird vorgeschlagen, das Dublin-System durch ein europäisches Verteilsystem, das insbesondere die Mittelmeeranrainer entlasten soll, zu ersetzen. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass bei Errechnungen nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft zwar Länder wie Schweden profitieren würden, aber Italien etwa dann immer noch Flüchtlinge aufnehmen müsste. Die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten haben jüngst vereinbart, dass EU-Länder mit vielen Flüchtlingen durch Umverteilung entlastet werden sollen.

Migration ist eine gesamteuropäische Herausforderung, für die gesamteuropäische Lösungen gefunden werden müssen. Der Rat der Innenminister hat im Oktober die anstehenden Aufgaben für das Jahr 2015 vorgegeben: Neben der Bekämpfung von Schlepperbanden, einer Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und der Implementierung des GEAS geht es auch um Entwicklungszusammenarbeit mit den Herkunfts- und den Transitländern. Zusätzlich zu einem effektiven Rückkehrmanagement für die nicht Bleibeberechtigten, das auch Hilfen für die Reintegration der Rückkehrer vorsieht, sind Informationskampagnen genannt, die die Risiken illegaler Migration aufzeigen und die Möglichkeiten einer legalen Zuwanderung nach Europa verdeutlichen.

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass wir rasche und eindeutigere Antworten auf die zentralen Fragen von Flucht und Migration finden müssen: Wie gehen wir mit denjenigen um, die zum Teil schon Jahre in Deutschland sind, ohne Schutzgründe zu haben? Wie schaffen wir ein effektives Rückkehrmanagement? Für wen und aus welchen Gründen ist ein Aufenthaltsrecht möglich?

Auf europäischer Ebene ist zu klären: Wie schaffen wir einen Mechanismus europäischer Solidarität in Ergänzung zum oder unter Präzisierung des Dublin-Systems? Können wir neben den bewährten Instrumenten des Flüchtlingsschutzes – Asyl und Resettlement – und der legalen Zuwanderung (zum Beispiel Blaue Karte EU, Fachkräftezuwanderung) Instrumente entwickeln, die verhindern, dass viele, die keine Schutzgründe haben, sondern eine bessere Zukunft anstreben, über den Weg des Asyls – oft unter höchsten Risiken – versuchen, nach Europa zu kommen? Wie verhindern wir, dass es in ihren Herkunftsländern zur Abwanderung der Stärksten und Qualifiziertesten kommt? Die Entwicklung der Herkunfts- und Transitländer ist hier neben der Bekämpfung der Schleuserkriminalität ein wesentlicher Faktor. Mobilitätspartnerschaften und Programme, die es jungen Leuten ermöglichen, sich in Europa ausbilden zu lassen und dann zurückzukehren, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Globalisierung erfordert das Nachdenken über neue Instrumentarien und Wege. 2014 ist vieles angestoßen worden – 2015 gilt es, diesen Weg fortzusetzen.

 

Michael Griesbeck, geboren 1960 in Regensburg, Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

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