Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Kommunalpolitik und damit auch das Ansehen der vielen haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister - zur besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags das generische Maskulinum verwendet. Die in dem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich sofern nicht anders kenntlich gemacht auf alle Geschlechter – in Deutschland ist nach wie vor sehr hoch. Die Bürgernähe, das Engagement für die örtlichen Belange und für die Interessen der Bürger sowie die Tatsache, dass sie als demokratisch gewählte Vertreter auftreten, sind dafür wichtige Gründe. Allerdings wird das Vertrauen in die politischen Institutionen bis in die kommunale Ebene in den aktuellen Krisenzeiten auf eine besondere Probe gestellt.
Die Energie- und Klimakrise, die Inflation, der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundene Aufnahme von über einer Million Geflüchteter in den Kommunen beunruhigen die Menschen vor Ort und lassen die Wut und den Druck auf „die Politik“ wachsen. Nachdem während der Coronakrise das Vertrauen insbesondere in die Kommunalpolitik gestiegen ist, nehmen im Jahr 2022/23 Ansehen und Vertrauen in politische Institutionen in erster Linie auf Bundesund Landesebene, aber auch auf kommunaler Ebene ab (forsa/KOMMUNAL 2023). Die Kluft zwischen denjenigen, die mit dem Staat und seinen Institutionen zufrieden sind, und denjenigen, die sich alleingelassen fühlen und deren Politik- und Staatsverdrossenheit zunimmt, ist groß. Dabei lässt sich feststellen, dass das Vertrauen insbesondere in kleineren Kommunen in ländlichen Räumen besonders hoch bleibt. Auch das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie ist trotz vielfältiger Krisen insgesamt stabil (Best et al. 2023).
Sowohl Ansehen als auch Autorität der Bürgermeister geraten zunehmend unter Druck. Mit dem Vertrauen der Bürger in die Kommunalpolitiker geht vielfach eine immense Erwartungshaltung einher. Schnell werden letztere zur Projektionsfläche für allgemeinen Unmut gegenüber „den Politikern“ oder „der Politik da oben“. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Entscheidungen von der Kommune getroffen wurden oder – wie aktuell in der Energiekrise oder der Flüchtlingspolitik – von Bund und Ländern. Einfache Lösungen, wie sie oftmals eingefordert werden, gibt es kaum noch. Dennoch müssen auf kommunaler Ebene oft von heute auf morgen Wege gefunden und Akzeptanz bei den Bürgern geschaffen werden. Widerstand und harte Diskussionen gilt es auszuhalten und zu moderieren. Dagegen nehmen Entscheidungskompetenzen und Handlungsspielräume der Bürgermeister aufgrund der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, aber auch angesichts zunehmender Aufgabenfülle und -komplexität sowie der schwierigen Finanz- und Personalsituation immer weiter ab. Oft steht nur noch der reine Vollzug der Aufgaben, die den Kommunen von der Europäischen Union, von Bund und Land aufgebürdet werden, im Mittelpunkt. Dies verdeutlicht die derzeitige Flüchtlingssituation, die die Kommunen und die Gesellschaft vor Ort vor erhebliche Probleme stellt.
Rauer und respektloser Umgangston
Hass, Bedrohungen und Anfeindungen gegenüber Kommunalpolitikern haben in den vergangenen Jahren weiter zugenommen und bewegen sich längst auf einem besorgniserregenden Niveau. In den Rathäusern und kommunalen Ämtern sowie im digitalen Raum laufen „Wutbürger“ auf, die sich oft zunächst niedrigschwellig gegen ein Bauvorhaben oder Straßenausbaubeiträge wehren, deren Ton aber dann immer schärfer wird, bis hin zu sogenannten Reichsbürgern, Selbstverwaltern und Querdenkern – ob von rechts, von links, aus der Mitte –, die verbal oder auch tätlich aggressiv auftreten.
Diese erschreckende Entwicklung bestätigen aktuelle Umfragen, wie das Kommunalmonitoring zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern (motra 2022) sowie weitere Umfragen aus den Bundesländern und der forsa. Danach erlebten bundesweit 39 Prozent der kommunalen Amtsträger solche Anfeindungen.
Auch die jüngst erschienenen Ergebnisse zur politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2022 zeigen, dass Angriffe und Hasskriminalität gegen den Staat und seine Vertreter bis in die kommunale Ebene um deutliche 47,29 Prozent zugenommen haben (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2023). Dabei ist die Anzeigerate, die Grundlage dieser Zählung war, insgesamt sehr gering, sodass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Der Ton der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung sowie der Umgang miteinander werden deutlich rauer und respektloser. Zudem schlagen verbale Anfeindungen nicht selten in Radikalisierungen und extremistische, demokratiefeindliche Äußerungen und tätliche Übergriffe um.
Fatale Folgen
Hass und Hetze im Netz und in den sozialen Medien sind ein besonderes Problem. Teilweise werden die Wutgefühle und Ängste im digitalen Raum und durch Medienereignisse besonders geschürt. Hinzu kommen die Schwierigkeiten im Umgang mit Falschnachrichten und dem Verbreiten von Verschwörungsideologien: Sie verbreiten sich in Windeseile und verbleiben oft für eine lange Zeit im Netz, ohne dass sachlich klarstellende und richtigstellende Fakten, Tatsachen und Gegenreden die Nutzer im notwendigen Umfang erreichen. Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind neben den Bürgermeistern auch deren Familienangehörige, Ratsmitglieder, kommunale Beschäftigte in der Verwaltung, in Jobcentern, Ausländer- und Ordnungsbehörden bis hin zu Feuerwehr- und Rettungskräften. Das gilt auch für zahlreiche ehrenamtliche Kräfte. Frauen in kommunalpolitischen Ämtern sind im besonderen Maße betroffen.
Die Folgen dieser Entwicklungen sind fatal. Während einige Kommunalpolitiker den Anfeindungen standhalten und nach dem Motto „Jetzt erst recht!“ weitermachen, trauen sich andere nicht mehr, ihre Meinung offen zu äußern, manche treten von ihren Ämtern zurück, andere treten erst gar nicht mehr an. Die Resilienz der meisten Betroffenen ist ausgesprochen hoch. Der scharfe Ton der Auseinandersetzungen ist vielfach auch unter den politischen Parteien bereits salonfähig geworden. Unter der Gesamtsituation leidet nicht zuletzt die Attraktivität der Ämter. Es wird immer schwieriger, haupt- und ehrenamtliche Bürgermeister zu finden.
Allerdings erfahren Kommunalpolitiker auch große Unterstützung zahlreicher Bürger und Bürgerinnen, Rückhalt und Respekt. Das ist und bleibt die ganz große Mehrheit.
Bekämpfung von Hass und Kriminalisierungen
Wenn Unmut und Unzufriedenheit gegen politische Entscheidungen in Hass, Hetze und Gewalt umschlagen, sind alle gefordert, zu handeln – die Gesellschaft, die Politik, der Staat und die Medien. Kommunale Amts- und Mandatsträger bilden das Fundament der Demokratie. Auch wenn bereits viel auf Bundesund Landesebene zum Schutz von Kommunalpolitikern unternommen worden ist: Die Rahmenbedingungen müssen weiter verbessert und die Kommunalpolitiker präventiv und repressiv noch stärker unterstützt werden. Dafür muss ein starker Staat auftreten, in dem Polizei und Justiz konsequent gegen verbale und tätliche Anfeindungen vorgehen, die Betroffenen aktiv beraten sowie den bestehenden Strafrechtsrahmen voll ausschöpfen und konsequent durchsetzen.
Insbesondere müssen die Strafverfolgung von Hasskriminalität im Netz effektiver ausgestaltet sowie rechtsfreie Räume vermieden werden. Dabei spielen präventive Maßnahmen wie die Stärkung der politischen Bildung, die Ausweitung von Präventionsmaßnahmen zur Stärkung der Demokratie in allen Altersklassen und sozialen Milieus vor Ort sowie die Bekämpfung von Hass und Radikalisierungen auf kommunaler Ebene eine besondere Rolle. Nur so können wir die Autorität unserer kommunalen Amts- und Mandatsträger schützen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Ursachen von Hass und Gewalt in den Kommunen und hat einen breiten Maßnahmenkatalog entwickelt sowie wichtige Projekte mit zahlreichen Partnern zum Schutz der kommunalen Amts- und Mandatsträger angestoßen und umgesetzt.
Miriam Marnich, geboren 1983 in Berlin, Volljuristin, Referatsleiterin Ausländerrecht, Flüchtlingspolitik/Asyl, Integration, Kriminalprävention/Hasskriminalität, Antidiskriminierung, Urheberrecht, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin.
Literatur
Best, Volker/ Decker, Frank / Fischer, Sandra / Küppers, Anne: „Demokratievertrauen in Krisenzeiten. Wie blicken die Menschen in Deutschland auf Politik, Institutionen und Gesellschaft?“, Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, April 2023, www.fes.de/studie-vertrauen-in-demokratie [letzter Zugriff: 23.05.2023].
Bundesministerium des Innern und für Heimat: Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022. Bundesweite Fallzahlen, 9. Mai 2023, www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/nachrichten/2023/05/pmk-2022-factsheets.html [letzter Zugriff: 23.05.2023].
Deutscher Städte- und Gemeindebund: Informationsmaterial zu „Hass, Bedrohungen und Gewalt gegen Kommunalpolitiker:innen“, www.dstgb.de/ aktuelles/archiv/archiv-2021/neues-dstgb-papier-hass-bedrohungen-und-gewalt-gegenkommunalpolitiker-innen/ [letzter Zugriff: 23.05.2023].
forsa/KOMMUNAL: Dramatische Vertrauenskrise in kommunale Ebene. Ergebnisse der forsa-Umfrage und der Zeitschrift KOMMUNAL, 04.01.2023, https://kommunal.de/dramatische-vertrauenskrise-Kommunalpolitik [letzter Zugriff: 23.05.2023].
motra (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung): Kommunales Monitoring zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern (KoMo). Ergebnisse der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus des Bundeskriminalamtes in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, Auswertung der Herbstbefragung 2022, www.motra.info/radikalisierungsmonitoring/kommunalmonitoring/ [letzter Zugriff: 23.05.2023].