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Thüringen wählt am 27. Oktober

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Nach Sachsen und Brandenburg wird in Thüringen am 27. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die Thüringer Spitzenkandidaten der drei in den Umfragen stärksten Parteien sind bundesweit bekannt. Der Landesvorsitzende der CDU und Spitzenkandidat seiner Partei, Mike Mohring, konnte sich bereits bundespolitisch profilieren. Ein Schicksalsschlag – seine Krebserkrankung – rückte ihn überdies in den Fokus der Öffentlichkeit.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist der erste Politiker seiner Partei, der eine Landesregierung führt, während der Landesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) Björn Höcke als Symbolfigur des rechten Flügels bereits mehrfach für Kontroversen sorgte. Die letzte Umfrage sah die CDU bei 27,7, Die Linke bei 24,7 und die AfD bei 19,2 Prozent. Sollten sich diese Umfrageergebnisse im Wahlergebnis widerspiegeln, wird eine Regierungsbildung schwierig. Dennoch sind vereinzelte Gedankenspiele aus der Union in Schleswig-Holstein und Brandenburg, die Koalitionsoptionen zwischen CDU und Linke beziehungsweise CDU und AfD ins Spiel brachten, wenig realistisch.

Oberste Priorität der Thüringer Union ist es, wieder als stärkste Partei aus den Landtagswahlen hervorzugehen, um Anspruch auf die Regierungsführung erheben zu können.

Die politische Situation im Landtagswahljahr 2019 ist geprägt von einer Rot-Rot-Grünen Landesregierung, die kaum noch inhaltliche Akzente setzt. Der Koalitionsvertrag ist weitgehend abgearbeitet, und beim zentralen Thema, der Verwaltungs- und Gebietsreform, ist die Landesregierung gescheitert. Neben juristischen Mängeln wurde der ideologische Eifer bei diesem Projekt, der auch eine Vielzahl von Kommunalpolitikern aus den eigenen Reihen in offenen Widerspruch zur Regierung brachte, der Koalition zum Verhängnis. Die Landesregierung ignorierte insbesondere, dass das Thema Heimat und (regionale) Identität für die Thüringer von großer Relevanz ist.

Mit dem neuen Thüringer Schulgesetz wird derzeit ein ähnliches Thema kontrovers debattiert, plant doch die Landesregierung, Mindestschülerzahlen für Schulen vorzuschreiben, wodurch eine Schulschließungswelle im ländlichen Raum befürchtet wird. Die Landesregierung versucht dabei, zu kaschieren, dass sie nicht in der Lage war, ausreichend neues Lehrpersonal einzustellen und sich infolgedessen der Unterrichtsausfall bis hin zu einem Totalausfall einzelner Fächer auf Rekordniveau bewegt. Höhepunkt dieses Desasters war Anfang 2019 die Meldung, eine Grundschule müsse aufgrund des Lehrermangels eine Vier-Tage-Woche einführen (www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/ detail/-/specific/Lehrermangel-in-ThueringenVier-Tage-Woche-fuer-Grundschueler-in-Unterwellenbor-504269470, 18.01.2019 [Zugriff am 10.04.2019]).

Gleichwohl verfügt die jetzige Landesregierung durch die gute gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland über finanzielle Spielräume wie keine andere vor ihr. Bei der Haushaltsplanung lässt sie sich auch nicht davon abhalten, bereits Fakten für das neu zu wählende Landesparlament zu schaffen, indem man noch im Sommer 2019 den Haushalt für 2020 beschließen will.

 

Mike Mohring und die Thüringer Union

 

Der Thüringer Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der CDU, Mike Mohring, konnte seine Führungsposition in der Thüringer Union behaupten. Der unerwartete Rückzug von Landtagspräsident Christian Carius aus der Politik Ende vergangenen Jahres verhinderte eine in der Presse kolportierte Gegenkandidatur um das Amt des Spitzenkandidaten.

Die Krebserkrankung ist für Mohring ein Schicksalsschlag, dennoch zeigt er mit regelmäßiger Präsenz in den Medien und auf Veranstaltungen seine feste Entschlossenheit, einen erfolgreichen Wahlkampf zur Rückeroberung der Thüringer Staatskanzlei zu führen. Die seit Wiedergründung des Freistaats Thüringen erstmalige Oppositionsrolle der CDU nahm die Partei nach Anlaufschwierigkeiten an; seither übt sie ihre parlamentarischen Oppositionsrechte gegenüber der Landesregierung akribisch aus. Gleichwohl kann die Union die auch in Thüringen wichtigen Themen Innere Sicherheit sowie Migrations- und Flüchtlingspolitik nicht allein dominieren, da die AfD diese Themen für ihre populistischen Botschaften nutzt.

Sowohl nach der Bundestagswahl 2017 als auch nach den Bürgermeister- und Landratswahlen 2018 zeichnete sich insbesondere im ländlichen Raum, also in den Hochburgen der Union, ein massiver Stimmengewinn der AfD ab. Es wird daher große Anstrengungen erfordern, diese Direktmandate zu behaupten. Zudem wird bei der kommenden Wahl ein Generationenwechsel erfolgen, kandidieren doch langjährige Fraktionsmitglieder, wie beispielsweise die ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, nicht mehr. Auf Bundesebene ist die Thüringer Union mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Christian Hirte, gut aufgestellt.

 

Bodo Ramelow und die R2G-Koalition

 

In Thüringen gelang es der Linken 2014 erstmals mit Bodo Ramelow, einen Ministerpräsidenten zu stellen. Der Stil Ramelows ist betont präsidial und repräsentativ, sodass zuweilen der Eindruck entsteht, er sei an der Tagespolitik seines Kabinetts unbeteiligt. Ramelow gilt durchaus als Sympathieträger und paart rhetorisches Talent mit bürgerlichem Auftreten. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Partei und Fraktion noch immer ehemalige Mitglieder der „bewaffneten Organe der DDR“ zentrale Funktionen besetzen und einzelne Fraktionsmitglieder sich nicht immer eindeutig von linksradikalen Gruppen abgrenzen. Zudem bleibt das Verhältnis zu den Sicherheitskräften ambivalent. Fotos von Politikern der Linken und anderen Mitgliedern der Regierungskoalition mit „zufälligen“ ACAB-Schmierereien („All Cops Are Bastards“) im Hintergrund (www.deutschlandfunk.de/debatte-ueber-polizei-inthueringen-ein-bild-bringt-die.862.de.html?dram: article_id=368512, 13.10.2016 [Zugriff am 10.04.2019]), die konsequente Blockierung einer besseren Personalausstattung des Thüringer Verfassungsschutzes und die paradoxe Situation, dass die Regierungsfraktion der Linken die meisten kleinen parlamentarischen Anfragen an das vom Koalitionspartner SPD geführte Innenministerium stellt (www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/ detail/-/specific/Die-hauseigene-Opposition-in-derrot-rot-gruenen-Koalition-1750515925,   14.02.2019 [Zugriff am 10.04.2019]), zeugen von Misstrauen und Geringschätzung gegenüber den Sicherheitsbehörden. Bodo Ramelow mag dies zuweilen selbst kritisieren, aber ohne diese Akteure seiner Partei wäre er nicht Ministerpräsident.

Die Thüringer SPD hat mit dem Koalitionswechsel von der CDU zu Rot-Rot-Grün (R2G) nicht den erhofften Schub erhalten, der mit der vermeintlichen Hinwendung zu linkeren Positionen erwartet wurde. Hinzu kommt, dass die gescheiterte Gebietsreform in der Ressortverantwortung des inzwischen zurückgetretenen SPD-Innenministers Holger Poppenhäger lag.

Der 2018 zum SPD-Landesvorsitzenden aufgestiegene Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee kann zwar auf gute Wirtschaftsdaten verweisen, doch Digitalisierungsprojekte konnte auch er nicht vorantreiben. Im kürzlich erschienenen Deutschland-Index der Digitalisierung 2019 belegt Thüringen den letzten Platz. Tiefensee ist zwar Spitzenkandidat seiner Partei, bei seiner Wahl in dieses Amt betonte er jedoch realistisch, dass er nicht als Ministerpräsidentenkandidat antrete.

Welche Koalitionsoptionen die SPD ergreifen wird, bleibt offen. Dass der ehemalige SPD-Landesvorsitzende und Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein die erste Thüringer R2G-Koalition in Erfurt Ende 2018 zugunsten eines Bündnisses mit der CDU platzen ließ, verweist auf die unsichere Positionierung der Sozialdemokraten.

Die Grünen, kleinster Partner der Regierungskoalition, konzentrieren sich auf ihr Kernthema Umwelt und profitieren zurzeit vom positiven bundesweiten Trend ihrer Partei. Auch aufgrund ihrer Affinität zu urbanen Themen sind sie vor allem in den größeren Städten attraktiv.

 

Die AfD in Thüringen

 

Die AfD zog bereits 2014 in den Thüringer Landtag ein, damals allerdings noch unter dem Label einer eurokritischen Partei. Die Flüchtlingskrise 2015 verstärkte den Rechtsdrall der Partei und beförderte ihre Zustimmungswerte. Den hinreichend bekannten Äußerungen zur Erinnerungskultur und Zuwanderung ihres Landeschefs Björn Höcke schloss sich der Großteil der Partei und Fraktion an. Zwar verlor die AfD-Fraktion inzwischen vier ihrer ursprünglich elf Abgeordneten durch Austritt oder Parteiwechsel – und pikant ist in diesem Zusammenhang, dass der ehemalige AfD-Abgeordnete Oskar Helmerich mit seinem Übertritt zur SPD die Ein-Stimmen-Mehrheit von R2G im Landtag garantiert – doch wird die neu gewählte Fraktion nach der bevorstehenden Landtagswahl den Kurs Björn Höckes voraussichtlich geschlossen unterstützen.

Björn Höcke strebt an, dass die AfD stärkste Partei im Landtag wird. Doch selbst in diesem Fall dürfte sie keine Koalitionspartner für eine Regierungsbildung finden. Die vergangenen Wahlen zeigten aber, dass die AfD selbst in Wahlkreisen, wo sie ohne Kandidaten antrat, Gewinne verbuchen konnte. Ein Stimmenzuwachs für die Partei und der Wiedereinzug in den Landtag gelten somit als sicher. Dies würde bedeuten, dass die AfD staatliche Mittel für die Bildungsarbeit politischer Stiftungen erhalten könnte. Darauf bereitete sie sich kürzlich mit der Gründung der Joseph-Meyer-Stiftung vor (www.insuedthueringen.de/region/thueringen/ thuefwthuedeu/AfD-spannt-Joseph-Meyer-fuer-Stiftung-ein;art83467,6598074, 02.03.2019 [Zugriff am 10.04.2019]).

Alle Parteien gehen derzeit mit unsicheren Aussichten auf stabile Regierungsbündnisse in die Landtagswahl am 27. Oktober 2019. Aus Sicht der CDU wäre es daher zu früh, bereits jetzt über mögliche Szenarien zu diskutieren, da viele Faktoren, beispielsweise ein Einzug der FDP in den Landtag, offen sind. Es gilt daher, sich als zuverlässige bürgerliche Regierungsoption zu linker Ideologie und rechtem Populismus in Position zu bringen und die Herausforderungen der Zukunft anzusprechen.

 

Daniel Braun, geboren 1976 in Apolda, seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit April 2019 kommissarischer Leiter des Politischen Bildungsforums Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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