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Unterschiede zwischen den Wahlkämpfen 2013 und 2017

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Als am Wahlabend kurz nach 18.00 Uhr die ersten Ergebnisse der Nachwahlbefragungen veröffentlicht wurden, kamen nicht nur bei den Anhängern verschiedener Parteien – vor allem vermutlich bei denen der CDU/CSU –, sondern auch bei den Umfrageforschern gemischte Gefühle auf: Die am Tag zuvor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte Allensbacher Wahlprognose wich stärker vom tatsächlichen Wahlergebnis ab, als wir es von früheren Wahlen gewohnt waren. Die größte Abweichung für einen Parteiwert betrug 3,1 Prozentpunkte (CDU/CSU), die durchschnittliche Abweichung über alle sieben ausgewiesenen Parteiwerte hinweg 1,4 Prozentpunkte. Das war, rein statistisch betrachtet, gerade noch im Rahmen des Akzeptablen, aber dennoch unbefriedigend. Normalerweise haben wir den Anspruch, das Wahlergebnis jeder Partei auf etwa ein bis allenfalls zwei Prozentpunkte genau abzubilden.

Und doch war das Ergebnis keine Überraschung. Die Allensbacher Prognose gab die Zahlen so wieder, wie sie sie in der Woche vor der Wahl erhoben hatte. Es war aber erkennbar, dass die Parteiwerte in Bewegung waren: Noch Anfang August hatte die CDU/CSU bei 39,5 Prozent gelegen, Ende August bei 38,5 Prozent und Anfang September bei 36,5 Prozent. Die Absicht, die AfD zu wählen, war im gleichen Zeitraum von 7 auf 10 Prozent gestiegen. Angesichts dieser Entwicklung lag die Vermutung nahe, dass sich dieser Trend in den letzten Tagen bis zur Wahl fortsetzen könnte.

Der Bundestagswahlkampf mündete damit nach einer längeren ruhigen Phase schließlich doch noch in ein dynamisches Finale, wenn auch die wichtigsten Ergebnisse – der deutliche Vorsprung der Union vor der SPD, der Einzug der AfD und die Rückkehr der FDP in den Bundestag – bereits seit längerer Zeit absehbar gewesen waren.

Die Stimmung zu Jahresbeginn

Vor dem letzten Meinungsumschwung hatte es lange Zeit nach einem behäbigen Wahlkampf ausgesehen, der dem im Jahr 2013 ähnelte. Bereits zu Beginn des Jahres 2017 war die Bevölkerung bei Weitem nicht so in Unruhe, wie es die Berichterstattung der Massenmedien suggerierte. Damals hieß es mit Blick auf die Volksabstimmung in Großbritannien zum Austritt aus der Europäischen Union, die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten und die Entwicklung in der Türkei, die Welt sei „aus den Fugen“ geraten und die Bürger seien zutiefst verunsichert.

Doch von dieser angeblichen Verunsicherung zeigten die Allensbacher Umfragen wenig. Ein wichtiger Indikator ist hierfür die Frage: „Sehen Sie dem kommenden Jahr mit Hoffnungen oder Befürchtungen entgegen?“, die immer zum Jahreswechsel gestellt wird. Der Anteil derjenigen, die auf diese Frage antworten: „Mit Hoffnungen“, bietet einen Anhaltspunkt für die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung. Im Dezember 2016 sagten 46 Prozent der Befragten, sie sähen dem Jahr 2017 mit Hoffnungen entgegen. Das waren nicht überragend viele, aber auch nicht wenige. Zum Vergleich: Dem Wahljahr 2013 hatten mit 49 Prozent ungefähr gleich viele Bürger mit Hoffnungen entgegengesehen, dem Jahr 2009 unter dem Eindruck der Finanzkrise dagegen nur 34 Prozent.

Auch in den folgenden Monaten zeigten die Deutschen in den Allensbacher Umfragen einen gedämpften Optimismus. Das wirkte sich auch auf die Fragen zur anstehenden Bundestagswahl aus: So gab es keine ausgeprägte Wechselstimmung. Auf die Frage „Wäre es gut, wenn die Regierung in Berlin wechseln würde, oder wäre es nicht gut?“ antworteten im Juli 43 Prozent, ihrer Ansicht nach wäre ein Regierungswechsel gut. Das waren zwar etwas mehr als 2013, als nur 36 Prozent diese Antwort gegeben hatten, aber im ebenfalls ruhig verlaufenen Wahlkampf 2009 waren es 47 Prozent gewesen. 1998 und 2005 dagegen, also in den Jahren, in denen Bundesregierungen abgewählt wurden, hatte jeweils mehr als die Hälfte der Befragten gesagt, es wäre gut, wenn die Regierung wechseln würde.

Auch die für radikale gesellschaftliche Bewegungen typische und von Af D-Vertretern im Wahlkampf heraufbeschworene Vorstellung, wonach das Land am Scheideweg stünde, ging an der Stimmung der Bevölkerungsmehrheit vorbei. Dies zeigen die Antworten auf die Frage „Es gibt ja Wahlen, die man als Schicksalswahlen bezeichnen kann, bei denen sich die Zukunft Deutschlands entscheidet. Denken Sie, die kommende Wahl ist eine solche Schicksalswahl, oder glauben Sie das nicht?“. 19 Prozent antworteten auf diese Frage Ende August 2017, die kommende Wahl sei eine Schicksalswahl, ähnlich viele wie 2013 (13 Prozent) und 2009 (16 Prozent), aber bedeutend weniger als in den Jahren 1998 (45 Prozent) und 2005 (47 Prozent).

Aufschlussreiche Hinweise

Es war keinesfalls selbstverständlich, dass der größte Teil des Bundestagswahlkampfes vergleichsweise ruhig verlief, denn nur eineinhalb Jahre zuvor hatte die Flüchtlingskrise große Sorgen bei der Bevölkerung ausgelöst und die bis dahin große Popularität von Bundeskanzlerin Angela Merkel erheblich beschädigt. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung um die Jahreswende 2015/16 antwortete auf die Frage „Würden Sie sagen, die Flüchtlingssituation bereitet Ihnen große Sorgen, etwas Sorgen, kaum beziehungsweise gar keine Sorgen?“ eine Mehrheit der Befragten, die Situation mache ihnen große Sorgen. In der gleichen Zeit fiel der Anteil derjenigen, die sagten, sie seien alles in allem mit der Politik der Bundeskanzlerin einverstanden, von Werten zwischen 40 und 50 Prozent auf unter 30 Prozent.

Ab dem Frühjahr 2016 beruhigte sich die Lage langsam, aber stetig: Im Mai 2016 sagte „nur“ noch ein Drittel der Befragten, ihnen bereite die Flüchtlingssituation große Sorgen, ein Jahr später war es noch ein Viertel. Damit war dieses Thema für viele nach wie vor von großer Bedeutung, aber das Gefühl, die Regierung habe die Kontrolle verloren, hatte sich mit den wieder sinkenden Einwandererzahlen bei den meisten Bürgern gelegt und mit ihm der größte Unmut. Folgerichtig wuchs die Zustimmung zur Politik der Bundeskanzlerin wieder und erreichte im Frühjahr 2017 das Niveau vor der Flüchtlingskrise.

Wie ist es nun möglich, dass in einer solchen, scheinbar ruhigen Situation doch noch jene Dynamik entstehen konnte, die dazu führte, dass gleichsam auf der Zielgeraden die AfD wieder verstärkt Zulauf erhielt und die CDU/CSU deutlich an Zuspruch verlor? Es wäre vermessen, zum jetzigen Zeitpunkt, einige Tage nach der Wahl, eine vollständige Erklärung hierfür anzubieten. Doch es gibt in den Allensbacher Umfragen zumindest einige aufschlussreiche Hinweise. Zunächst einmal gab es trotz aller beschriebenen Ähnlichkeiten des Wahlkampfes 2017 mit dem des Jahres 2013 auch einen bemerkenswerten Unterschied: Die Bürger beschäftigten sich deutlich intensiver mit politischen Themen als vier Jahre zuvor. Im August 2013 bat das Allensbacher Institut seine Befragten, anzugeben, über welche Themen sie sich in letzter Zeit häufiger mit anderen Menschen unterhalten hätten. Die Antworten erweckten den Eindruck, als hätten die Bürger kaum mitbekommen, dass sich das Land in einem Bundestagswahlkampf befand: Die Menschen sprachen über das Wetter, den gerade beendeten Urlaub und ihre privaten Belange, aber kaum über Politik.

Ganz anders die Situation im August 2017: An erster Stelle der Gesprächsthemen stand zwar immer noch das Wetter (68 Prozent), direkt dahinter aber rangierten mit Donald Trump (65 Prozent) und der Flüchtlingssituation (61Prozent) zwei politische Themen. Auch die Lage in der Türkei war bei einer Mehrheit der Deutschen Gesprächsthema (54 Prozent), die Diesel-Affäre bei immerhin 49 Prozent. Über alles dies wurde 2017 mehr gesprochen als 2013 über das am meisten beachtete politische Thema.

Mehr politische Diskussionen

Der Wahlkampf 2017 sah also nur auf den ersten Blick ruhig aus. Nicht wenige Journalisten klagten darüber, dass er ihnen zu langweilig sei. Langweilig mag er in dieser Phase aus journalistischer Sicht gewesen sein, doch schläfrig oder desinteressiert waren die Bürger keineswegs. Es gab intensive politische Diskussionen in der Bevölkerung, und das bedeutete auch, dass zumindest potenziell noch Bewegung in den Parteistärken möglich war, was sich auch in einer auffallend großen Zahl der kurz vor der Wahl noch unentschlossenen Wähler zeigte.

Vor diesem Hintergrund gewinnt nun ein Ergebnis aus der allerletzten Allensbacher Umfrage direkt vor dem Wahltermin besondere Bedeutung: Binnen eines Monats und ganz entgegen dem Trend der vorangegangenen Monate schnellte der Anteil derjenigen, die sagten, die Flüchtlingssituation in Deutschland mache ihnen große Sorgen, von 32 auf 43 Prozent in die Höhe und damit auf den höchsten Wert seit dem Februar 2016. Offensichtlich konzentrierte sich die gesellschaftliche Diskussion in der letzten Wahlkampfphase ganz auf dieses eine Thema, bemerkenswerterweise ohne dass die Nachrichtenlage eine solche Entwicklung nahegelegt hätte. Man wird prüfen müssen, ob dem Umschwung ein entsprechender Schwenk in der Medienberichterstattung vorausgegangen ist. Dass aber ein solcher Stimmungsumschwung in letzter Minute der AfD nützte und die CDU/CSU unter Druck setzte, ist angesichts der Ereignisse der vorangegangenen zwei Jahre nur folgerichtig.

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Thomas Petersen, geboren 1968 in Hamburg, Kommunikationswissenschaftler und Meinungsforscher, Projektleiter beim Institut für Demoskopie Allensbach (IfD).

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