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Opa soll es einmal besser haben?

Anmerkungen zu Leistungsperspektiven im Generationenvertrag

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Niemand kann sich die Generation aussuchen, in die er hineingeboren wird. Seit etwa 100 Jahren leben die Menschen in den Industrieländern mit den demografischen Folgen zweier Weltkriege, die zwei Generationen durch Kriegsereignisse, Gewalt und Menschenverachtung ausgedünnt und in ihren Lebensperspektiven eingeschränkt haben. Wer mit dem Leben davonkam, war zunächst mit der Beseitigung der Schäden und dem Aufbau neuer gesellschaftlicher Strukturen beschäftigt. Die Frage nach ihrer Leistungsbereitschaft hat sich nur den wenigsten Menschen in den unmittelbaren Nachkriegsgenerationen gestellt. Es musste angepackt und aufgeräumt werden.

In einem Punkt waren sich die Menschen einig: Die Kinder sollten es einmal besser haben als die Generation ihrer Eltern. Sie sollten in Frieden und mit guten Beziehungen zu ihren europäischen Nachbarn leben dürfen, sollten Bildung, Ausbildung und Arbeit erhalten, Gesundheit und Wohlstand erfahren und selbst Familien gründen können, ohne von Kriegen und politischen Katastrophen beeinträchtigt zu werden.

Es war nicht zuletzt die Union, die die Hoffnungen dieser Menschen zum politischen Programm erhoben hat. „Wohlstand für alle“ sollte als Ziel der Sozialen Marktwirtschaft realisiert werden. Dass es gelungen ist, diese Vision einer Gesellschaft ohne Kriege zu verwirklichen und den Kindern und Enkeln eine Lebensperspektive zu ermöglichen, hat die Leistungsbereitschaft der Menschen aller Generationen immer wieder neu motiviert. Das gilt auch für die Menschen, die in Ostdeutschland lebten und erst nach der Wende davon persönlich profitieren konnten. Dass über alle historischen Brüche und Katastrophen hinweg die gesetzliche Rente den Menschen ihre Alterssicherung gewährleistet hat, spielte für diese positive Erfahrung der eigenen Anstrengung und Leistungsbereitschaft eine entscheidende Rolle, auch wenn die Strukturmängel in der Alterssicherung mit der Zeit offenkundiger wurden. Die gewandelten Rollenbilder von Männern und Frauen, der wachsende Anteil von Technologie an der gesellschaftlichen Wertschöpfung, vor allem aber die Rahmenbedingungen der Erwerbsarbeit in einer Zeit technologischer Revolutionen stellen zusammen mit der unzureichenden Berücksichtigung dieser Faktoren bei der Beitragsbemessung die Grundstrukturen der deutschen Alterssicherung seit Langem unter Reformbedarf.

 

Ungleichgewichte in der Umlagefinanzierung

Natürlich ist der Generationenvertrag kein Vertrag im herkömmlichen Sinne. Man tritt ihm nicht bei, hat keinen unmittelbaren Einfluss auf seine Ausgestaltung und kann auch nicht von ihm zurücktreten. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Begriff der Versuch, das System der Umlagefinanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf einen einfachen Nenner zu bringen: Die „aktive“ Generation, die aus ihrer Erwerbsarbeit Einkünfte erzielt, investiert nicht nur in die Generation ihrer Kinder, sondern versorgt auch die älteren, nicht mehr erwerbstätigen Menschen. Da die Versorgung der Bevölkerung ohnehin immer nur aus den aktuellen Erträgen einer Gesellschaft finanziert werden kann, steht hinter dem Generationenvertrag die Frage, wie wir die erzielbaren Erträge innerhalb der Gesellschaft gerecht verteilen.

Wenn zwischen denjenigen, die Leistungen finanzieren, und denjenigen, die von anderen finanziert werden (müssen), ein Gleichgewicht besteht, ist das System der Umlagefinanzierung außerordentlich leistungsfähig, denn es sichert den Geldtransfer ohne weitere Umwege und führt dazu, dass die umgelegten Beiträge unmittelbar in die aktuelle Binnennachfrage einfließen und damit Arbeitsplätze, wirtschaftlichen Erfolg und Wachstum generieren. Wenn es allerdings zu Ungleichgewichten kommt, weil die Menge der Einzahlenden oder ihre wirtschaftliche Potenz zurückgehen, während die Anzahl der Leistungsempfänger und ihrer verbrieften Ansprüche steigt, gerät das System unter Druck.

Die „demografischen“ Probleme haben zunächst weniger mit dem „Pillenknick“ als mit der Tatsache zu tun, dass Menschen, die in den Kriegen umgekommen waren und somit als Partner für andere nicht mehr infrage kamen, weniger Kinder in die Welt setzen konnten und daher auf reduzierte Generationen erneut reduzierte Generationen folgen mussten. Dass danach wieder eine personenstärkere Generation, die heute als „Babyboomer“ bezeichnet wird, folgte, ergibt sich aus der Tatsache, dass mittlerweile vom Krieg weniger betroffene Personen herangewachsen waren, die wieder mehr Kinder haben konnten. Dass beide Weltkriege in etwa im Generationenabstand aufeinander stattfanden, hat die Ungleichgewichte intensiviert. Dass die Bevölkerungs„pyramide“ heutzutage eher die Form eines Pilzes hat, ist die Folge dieser Entwicklung.

 

Benachteiligungen von Frauen

Die demografischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts haben bis auf den heutigen Tag Einfluss auf unsere Lebensverhältnisse, denn sie führen dazu, dass über Generationen hinweg „aktive“ und „passive“ Bevölkerungsgruppen im Umfang schwanken und ausgerechnet diejenigen Altersgruppen, die selbst besonders starke Beiträge zum Generationenvertrag geleistet haben, mit dem Zeitpunkt, mit dem sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden, besonders hohe Kosten in der Rentenversicherung „erzeugen“.

Die Leistungsansprüche der „Boomer“-Generationen einzuschränken, ist vielleicht populär, allerdings unter Gesichtspunkten der Leistungsgerechtigkeit keineswegs angemessen. In den letzten beiden Jahrzehnten sind bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen worden – vor allem durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Frauen – das wird oft ignoriert – waren jedoch weit stärker davon betroffen. So wurde bereits 1999 die sogenannte vorgezogene Altersrente für Frauen stufenweise abgeschafft und das Renteneintrittsalter danach auch noch mit dem der Männer auf 67 erhöht. Frauen mussten und müssen wegen der von ihnen geleisteten Sorgearbeit innerhalb ihres Erwerbslebens wesentliche Benachteiligungen bei ihrer beruflichen Karriere und ihren Verdienstmöglichkeiten hinnehmen; die Kindererziehungs- und Pflegezeiten gleichen diese Verluste nicht aus. Von Leistungsgerechtigkeit kann hier keine Rede sein.

Wenn man den Gedanken des Generationenvertrags und gleichzeitig das Leistungsprinzip ernst nehmen will, darf nicht übersehen werden, dass diejenigen, die in die Rente eintreten, ihren aktiven Teil des Generationenvertrags bereits geleistet haben und deshalb mit Fug und Recht darauf vertrauen dürfen, dass sie „zur Strafe“ nicht auch noch längere Zeit am Leistungsbezug gehindert werden beziehungsweise mit weiteren Abschlägen an ihren oft schon unzureichenden Rentenhöhen rechnen müssen. Dass die Betroffenen, die auf den Umfang ihrer jeweiligen Generation keinen Einfluss haben, solche Maßnahmen als ungerecht und leistungsfeindlich empfinden, ist nachvollziehbar.

 

Weniger „gute“ Risiken

Erschwerend auf die Ungleichgewichte im Rentensystem wirkt sich aus, dass mittlerweile durch Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Leistungsempfängerinnen und -empfänger, die nur beschränkt Beiträge hatten leisten können, Rentenansprüche erwerben konnten, die früheren Generationen nicht gewährt worden waren, etwa durch die Kindererziehungszeiten.

Da die gesetzliche Rentenversicherung auch Elemente des sozialen Ausgleichs enthält, werden sehr niedrige Rentenanwartschaften aus gutem Grund aufgewertet, was von den Versicherten mit höheren Einkommen kompensiert werden muss, falls für solche „versicherungsfremden“ Leistungen keine adäquate Beitragszahlung aus Steuermitteln vorgesehen ist, was zum Beispiel beim Erziehungsgeld lange der Fall war. Dann steigt zwar die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen, vor allem aber der Anteil der Versicherten mit einer Quersubventionierung an, wodurch diejenigen, die für höhere Beitragszahlungen infrage gekommen wären, immer mehr Anreize erhalten, sich dem System und vor allem dieser Ausgleichssystematik zu entziehen. Das geschah nicht zuletzt durch das starke Anwachsen prekärer Beschäftigungsverhältnisse im Zuge der Hartz-Reformen. Dadurch kamen mehr Menschen unter den Schutzschirm der Rentenversicherung, das gesamte zur Verfügung stehende Verteilungsvolumen wurde aber eher verringert, gerade auch, weil die verbesserten Rentenanwartschaften nicht von Anfang an durch entsprechende Beiträge gegenfinanziert wurden.

Dass auf diese Weise die Leistungen für die Erziehung künftiger Beitragszahler honoriert werden sollten, ist zwar leistungsgerecht, beruht allerdings letztlich auf einem Trugschluss, wenn die Finanzierung aus Beitragsmitteln erfolgt. Diese Rechnung kann nur aufgehen, wenn die, geborenen Kinder tatsächlich selbst wieder zu Beitragszahlern in der Rentenversicherung werden. Und das ist keineswegs zwangsläufig der Fall: Wer in anderen Versorgungssystemen wie berufsständischen Alterssicherungen oder im Beamtenverhältnis beschäftigt wird, leistet zu dieser familienpolitischen Solidarität keinen Beitrag, während die Beitragszahler in der Rentenversicherung diese Aufgabe allein übernehmen müssen. Die Veränderungen in der Arbeitswelt hin zu stärkerer Dienstleistungsorientierung und akademischen Berufen ermöglichen mehr Beschäftigten als früher die Alterssicherung aus berufsständischen Versorgungsformen. Dadurch sinkt die Zahl der „guten“ Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung – auch wenn die Effekte heute noch nicht voll durchschlagen. Da dies in erster Linie für jüngere Beschäftigte gilt, die durch Leiharbeit, unstete Beschäftigungsverläufe und geringere Einkommenshöhen niedrigere Rentenanwartschaften erwerben, sind die Folgen in den nächsten Jahrzehnten absehbar.

 

Fluchttendenzen aus dem Rentensystem

Tatsächlich müssten diese Veränderungen aus dem Steueraufkommen kompensiert werden, weil gesamtgesellschaftliche Leistungen auch gesamtgesellschaftlich finanziert werden müssen. Nur dann kann von Leistungsgerechtigkeit die Rede sein. Da es nach wie vor keine konkrete Definition der „versicherungsfremden Leistungen“ in der Rentenversicherung gibt, lassen sich derzeit allenfalls indirekte Schlüsse ziehen, in welchem Umfang sich die Steuerzahler an den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben beteiligen: Der jährliche Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, der bis 1995 ziemlich konstant bei gut einem Drittel der Ausgaben gelegen hatte, ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts zwar betragsmäßig nicht zurückgegangen, wohl aber im Verhältnis zu den getätigten Ausgaben: Seit einigen Jahren wird nicht einmal mehr ein Viertel der Ausgaben durch den Bundeszuschuss gegenfinanziert.

Leider steht zu befürchten, dass aufgrund der strikten Schuldenbremse die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung weiter abgesenkt werden, was zu einer Vertiefung der Probleme im Generationenvertrag führen muss. Dass damit die Beitragszahlerinnen und -zahler einen immer stärkeren Anteil des sozialen Ausgleichs über die gesetzliche Rentenversicherung selbst finanzieren müssen, wird die „Fluchttendenzen“ aus dem System gerade bei Gutverdienenden verstärken, weil damit die „Rentabilität“ der gesetzlichen Rentenversicherung für diese Zielgruppe herabgesetzt wird.

Leistungsgerecht ist das nicht, denn es verschiebt die Verteilungswirkung des Solidarausgleichs zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung und zugunsten anderer Versorgungssysteme. Einheitsversicherungen, wie sie in vergleichbaren Industrieländern üblich sind, weisen diesen Effekt jedenfalls nicht auf, ebenso wenig wie Versorgungssysteme, die komplett aus Steuermitteln finanziert werden. Wenn der Anteil der Personen in einer Gesellschaft zunimmt, die für den Solidarausgleich nur über ihre Steuern einstehen können, wird die Frage, welcher Teil des Solidarausgleichs aus Steuermitteln übernommen wird, immer wichtiger. Damit rückt die Verteilungsgerechtigkeit des Steuersystems stärker in den Mittelpunkt der Debatte. Dass die gesellschaftliche Wertschöpfung über die Steuern auf Erwerbseinkommen längst nicht mehr adäquat abgebildet wird, ist seit Langem Gegenstand der Debatte, ohne dass bisher Konsequenzen in der Steuergesetzgebung gezogen würden. All dies führt zudem zu einem wachsenden Ungleichgewicht zwischen Einkommen aus menschlicher Leistung und sogenannten „leistungslosen“ Einkommen, die für die Finanzierung der Staatsausgaben sowie die soziale Sicherung der Gesellschaft nicht angemessen herangezogen werden.

 

Reformvorschläge für einen Sozialausgleich

Beitragszahlerinnen und -zahler in der Rentenversicherung werden für ihre „Leistung“ also systematisch mehr und mehr benachteiligt, während andere Gruppen in der Gesellschaft sich derartigen Leistungen entziehen können. Dass das die Leistungsbereitschaft, auch die zwischen den Generationen, untergräbt, ist unübersehbar, aber keineswegs zwangsläufig. Neben den Vorschlägen für eine Zusammenführung der unterschiedlichen Versorgungssysteme in eine Einheitsversicherung mit einem sachangemessenen Bundeszuschuss zur Rentenversicherung könnte auch eine stärkere Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen das stetig wachsende Ungleichgewicht vermindern. Die Beitragszahlerinnen und -zahler selbst für das sich verstärkende Dilemma in die Pflicht zu nehmen, indem man die Leistungsgerechtigkeit ausschließlich innerhalb des Generationenvertrags der Rentenversicherung herstellen möchte, ist leistungswidrig.

Wenn der neue CDU-Grundsatzprogrammentwurf erklärt, eine Politik abzulehnen, die „auf weniger Wachstum und leistungslosen Wohlstand setzt“, gleichzeitig aber weitere Elemente der Erwerbstätigkeit (Überstunden) generell steuerfrei stellen will, ohne andere Wege für öffentliche Einnahmen zugunsten des gesellschaftlichen Sozialausgleichs auch nur zu thematisieren, dann wird das absehbare Ungleichgewicht in der Rentenversicherung nicht abgebaut, sondern verstärkt und die Leistungsbereitschaft für die Beteiligung an gesellschaftlichen Aufgaben reduziert.

Dass „Opa“ und erst recht „Oma“ es unter diesen Bedingungen „nicht besser“ haben werden, ist absehbar; aber auch die jüngeren Generationen werden nicht profitieren, sofern sie Beiträge zur Rentenversicherung leisten, wenn der Sozialausgleich, der für die Legitimation der Sozialen Marktwirtschaft konstitutiv ist, in wachsendem Maße allein der Rentenversicherung und ihren Beitragszahlerinnen und -zahlern aufgebürdet wird.

Es wird gern unterstellt, dass der hohe Anteil älterer Menschen zu einer besseren Berücksichtigung ihrer Belange in politischen Entscheidungen führt. Dies ist allerdings höchst unwahrscheinlich, denn seit vielen Jahren übersteigt die Zahl der Frauen in der Wählerschaft die der Männer – wenn es wirklich nur auf die Wähleranteile ankäme, müsste sich die Politik bereits sehr zugunsten von Frauen gewandelt haben. Dass das mitnichten der Fall ist, zeigt auch diese Betrachtung des Generationenvertrags unter Leistungsgesichtspunkten.

 

Regina Görner, geboren 1950 in Trier, Gewerkschafterin und Politikerin (CDU), 1999 bis 2004 Ministerin für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales im Saarland, 2000 bis 2016 Mitglied im CDU-Bundesvorstand, seit 2022 Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. (BAGSO), Bonn.

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