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Über den Umgang mit Linksextremismus in der Polarisierung

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Linke extremistische Einstellungen und Bewegungen richten sich ebenso wie rechtsextreme und islamistische fundamental gegen das freiheitlich-demokratische Gesellschaftssystem. Westliche Werte und Lebensstile lehnen sie ab; zum demokratischen Verfassungsstaat haben sie ein instrumentell-opportunistisches Verhältnis. Sie streben ein politisches System an, das sie zwar als Demokratie (wahre Demokratie, Volksdemokratie, Basisdemokratie) bezeichnen, das aber aus der Perspektive des pluralistischen Verfassungsstaates auf ein diktatorisches System hinausläuft. Das entscheidende Charakteristikum von Linksextremismus ist seine Absicht, politische und soziale Pluralität sowie bürgerlich-freiheitliche Autonomie beseitigen zu wollen. Mit Blick auf die Geschichte sozialistischer beziehungsweise kommunistischer Staaten und Gesellschaften entpuppt sich das von Linksextremisten für die Bewegungsphase propagierte Ziel egalitärer Verhältnisse als reine Ideologie. In der Regimephase spielte Egalität bisher keine Rolle. Linksextremistische Strömungen sind nicht gleichzusetzen mit radikalen und gemäßigten linken Bewegungen, die das System nur verändern und reformieren, jedoch nicht generell zerstören wollen. Wer auf der linken Seite des politischen Spektrums die Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft beziehungsweise nach deren Verständnis den Kapitalismus überwinden will, mag den Wohlstand gefährden und die unternehmerische Freiheit einschränken wollen, ist aber dennoch kein Verfassungsfeind, mithin kein Extremist. Allerdings fällt die Differenzierung schwer, da in linken Milieus oftmals die Trennlinien zwischen den Strömungen verschwimmen. Hinzu kommt, dass diese vielerorts gemeinsam demonstrieren und in Aktionsbündnissen zusammenarbeiten.

 

Aktionsfelder von Linksextremisten

 

Mittels Kampagnen versuchen linksextreme Gruppen, ihre Themen in gesellschaftliche Debatten einzubringen sowie neu entstandene Bewegungen, wie etwa Fridays for Future, ideologisch zu unterwandern oder umzudeuten. Linksextreme Gruppen streben eine polarisierende Debatte an, wobei sie suggerieren, sie verträten die „gute Seite“. Dies ist ein altes Strickmuster: Man denke nur an den Krefelder Appell, mit dem vor vierzig Jahren die sogenannte Friedensbewegung im Sinne der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands oder der Deutschen Kommunistischen Partei beeinflusst werden sollte. Den Kampf gegen Umweltschädigungen und Klimaerwärmung zum Beispiel verstehen sie als Kampf gegen den Kapitalismus, der ihrer Meinung nach die Schuld an allen Missständen hat. Dabei könnte ein Blick in die jüngere Geschichte verdeutlichen, dass der reale Sozialismus in der DDR und anderen sozialistischen Staaten die Umwelt erheblich mehr geschädigt hat als der reale Kapitalismus.

Zentral für Linke aller Schattierungen ist neben dem Antikapitalismus der sogenannte Antifaschismus. Dabei gelingt es ihnen immer wieder, „Rechts“ mit Rechtsextremismus gleichzusetzen und den Kampf gegen Rechtsextremismus in einen „Kampf gegen Rechts“ zu transformieren. Diese Sprachregelung ist weit in die Medien, das Bildungswesen und auch in die Parlamente eingegangen.

In diesem „Kampf gegen Rechts“ ist nahezu alles erlaubt, bis hin zu körperlichen Übergriffen gegen geoutete „Rechte“. Davon sind nicht nur tatsächliche Rechtsextremisten und Neonazis betroffen, sondern auch liberale und konservative Personen und Gruppen, die das gesellschaftliche und politische System tragen und verteidigen sowie sich gegen linksextreme Anmaßungen stellen. Inzwischen gelten gleichsam alle als „Rechte“, die nicht explizit „Linke“ sind. Der „Kampf gegen Rechts“ ist zudem die ergiebigste Einnahmequelle für linke Akteure, vielerorts auch für Linksextremisten, denn es flossen staatlicherseits mehr als 100 Millionen Euro jährlich in diesen Kampf – ohne ausreichende Kontrolle, wer das Geld tatsächlich erhält und wofür es verwendet wird. Von 2021 bis 2024 sollen über eine Milliarde Euro hierfür bereitgestellt werden. Ähnliches lässt sich beim „Kampf gegen Rassismus“ beobachten: Es geht nicht mehr nur um die notwendige Verurteilung und Bekämpfung rassistisch motivierter Ausgrenzung und Diskriminierung von Personen, sondern um die Stigmatisierung der weißen Bevölkerung, insbesondere der „alten weißen Männer“. Es zeigt sich hier ein umgekehrter Rassismus. Hinzu kommen logisch widersinnige Begriffe wie „antimuslimischer Rassismus“, denn als „Weltreligion“ ist der Islam in allen ethnischen Gruppen verankert.

Auch in weiteren Aktionsfeldern, zum Beispiel beim „Antiimperialismus“, bei der „Antiglobalisierung“ und der „Antirepression“, geben Linksradikale und Linksextremisten den Ton an. Beispielsweise ist es ihnen gelungen, die Polizei in Gänze – sie nennen es strukturell – als rassistisch und repressiv darzustellen. Wer diese Pauschalisierung zurückweist, gilt selbst schnell als Rassist oder Anhänger repressiver Methoden.

Besonders erfolgreich sind Kampagnen gegen die Gentrifizierung. Auf diesem Feld haben es extremistische und radikale Linke geschafft, Missstände, wie zum Beispiel zu hohe Mieten und zu wenige Wohnungen in einigen Gegenden, in ihrem Sinne in gesellschaftliche Debatten einzubringen. Aber es geht ihnen nicht um behutsame und wirksame Reformen, sondern um Enteignung, Verstaatlichung und Machtzuwachs für die eigene Klientel. Da sie ohnehin den Kapitalismus abschaffen wollen, greifen sie das Privateigentum an und damit nicht nur einen Verfassungsgrundsatz, sondern eine wesentliche Grundlage menschlicher Individualität. Gleiches gilt für ihre Gleichsetzung von Gerechtigkeit mit Gleichheit. In beiden Fällen wird teils berechtigter Unmut in Teilen der Bevölkerung aufgegriffen und in politische Zwecke eingebunden.

 

Mediale Verharmlosung und Relativierung

 

Der „Kampf gegen Rechts“ hat dazu beigetragen, dass die antidemokratische und gewaltaffine Dimension des Linksextremismus weitgehend unbeachtet bleibt. Einen ersten Hinweis für das weitgehende Verschweigen und Relativieren linker gegenüber rechten Einstellungen und Handlungen bieten die Ergebnisse der Treffer zu Links- und Rechtsextremismus in Suchmaschinen. Bei Google, der am häufigsten genutzten Suchmaschine, lag Anfang Dezember 2020 die Trefferquote bei dem Stichwort „Rechtsextremismus“ bei 5,8 Millionen, bei „Linksextremismus“ bei knapp 0,4 Millionen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Printmedien und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Berliner Tagesspiegel zum Beispiel zeigt im Dezember 2020 bei der Onlinesuche auf seinen Seiten 585 Treffer für „Linksextremismus“ und 6.305 für „Rechtsextremismus“. Auch der Deutschlandfunk und die ARD berichten in etwa zehnmal häufiger über Rechts- als über Linksextremismus.

Ein Blick auf wissenschaftliche Publikationen zum Extremismus bietet das gleiche Ergebnis: Im Karlsruher Virtuellen Katalog, über den alle neuen Verbundkataloge Deutschlands zugänglich sind, finden sich zum gleichen Zeitpunkt 14.000 Suchergebnisse für „Rechtsextremismus“ und 706 für „Linksextremismus“. Bibliotheken der Freien Universität Berlin liefern ein analoges Bild: gut 1.700 Treffer für „Rechtsextremismus“ und 215 für „Linksextremismus“.

 

Linke und rechte Gewalt

 

Die Realität sieht anders aus. Von 2001 bis 2019 verübten linke Akteure gut 26.500 Gewalttaten und damit deutlich mehr als rechte Gewalttäter (gut 19.500). Die Zahl der zwischen 2009 und 2019 von linken Gewalttätern begangenen Körperverletzungen liegt bei gut 9.300 (rechte Gewalttäter: gut 9.800). Im gleichen Zeitraum registrierten die Sicherheitsbehörden gut 5.300 gefährliche Körperverletzungen auf der linken Seite (auf der rechten: knapp 4.500). Aufgrund der speziellen Erfassung von Straf- und Gewalttaten – es wird immer nur eine Strafbeziehungsweise Gewalttat gelistet, unabhängig davon, wie viele Taten der jeweilige Täter verübt hat – werden linke Gewalttaten deutlich unterzeichnet. Linke Gewalttäter begehen häufiger als rechte mehrere Gewalttaten, wie einschlägige Strafverfahren belegen. Allerdings unterscheiden sich linke und rechte Gewalttaten in einem Punkt sehr deutlich: Als Rechtsextremisten eingestufte Personen töteten seit der Wiedervereinigung über 100 Menschen – Linksextremisten hingegen „nur“ acht. Insofern darf es keinen Zweifel an der Tatsache geben, dass Rechtsextremisten Personen, die sie für ungleichwertig halten, mit menschenverachtender, zumeist rassistisch motivierter Brutalität und mit Gewalt bis hin zum Mord begegnen. Vor allem das unterscheidet linke und rechte Gewalt.

In jüngster Zeit greifen linke Gewalttäter vermehrt unliebsame Personen gezielt körperlich an. Einen Höhepunkt im antizivilen Verhalten stellt der Überfall auf die Angestellte einer Immobilienfirma in Leipzig dar: Im November 2019 attackierten zwei vermummte Linksextremisten die Mitarbeiterin mit Schlägen in ihrer Privatwohnung. Bis heute konnte die Polizei sie nicht fassen. In der Kommandoerklärung bekennen die linken Täter auf indymedia.de freimütig: „Wir haben uns deswegen entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen, wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.“ Und weiter heißt es: „Das Einzige, auf das Kapitalanleger und Eigennutzer des Südcarrés treffen werden, sind kaputte Scheiben, brennende Autos und kaputte Nasen. Verpisst euch aus Connewitz!“

Meinungsfreiheit gestehen Linksextremisten nur Gleichgesinnten zu. Andersdenkende brüllen sie nieder, wenn diese ihre Argumente im öffentlichen Raum, insbesondere in Universitäten, vortragen wollen. Ein Biologe darf nicht ausführen, warum er aus wissenschaftlicher Perspektive Geschlechter nicht nur sozial konstruiert sieht, Islamwissenschaftlerinnen und Feministinnen dürfen weder den Islamismus noch das ihrer Meinung nach reaktionäre Familien- und Frauenbild in muslimischen Familien kritisieren. Ihnen wird vorgeworfen, religionsfeindlich und rassistisch eingestellt zu sein. Insofern fällt das linksextreme Milieu im Kampf gegen die westlich-bürgerliche Ordnung mit dem Islamismus als Verbündetem hinter die europäische Aufklärung zurück. Abtreibungsgegner dürfen ihre Ansicht ebenfalls nicht öffentlich äußern. Gleiches gilt für Wissenschaftler, die das Extremismusmodell favorisieren, selbst wenn sie auf Unterschiede, aber auch auf Gemeinsamkeiten zwischen Links- und Rechtsextremismus hinweisen oder wenn sie kommunistische Säulenheilige kritisieren.

Bei dem, was wir heutzutage „Cancel Culture“ nennen und was früher unter „political correctness“ firmierte, waren Linksextremisten gleichsam Vorreiter. Inzwischen haben sich hierauf beziehende Verhaltensweisen und Forderungen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein Resonanz gefunden.

 

Ideologische Umdeutungen

 

Die knappe Aufzählung linksextremer Aktionsfelder verdeutlicht, wie es dem Milieu in jüngster Zeit gelungen ist, Themen zu setzen, zuzuspitzen oder ideologisch umzudeuten. Geschickt verstehen sie es, gemeinsam mit radikalen linken Gesinnungsgenossen polarisierend auf Debatten einzuwirken und sich damit eine gewisse Legitimation auch für gewalttätiges Handeln zu verschaffen. Linksextreme leben gleichsam von der Polarisierung, können freilich wegen ihrer zahlenmäßigen Begrenztheit derzeit nur Nadelstiche gegen das verhasste System setzen. Sie hoffen auf weitere gesellschaftliche Zuspitzungen, etwa durch eine Wirtschaftskrise, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit, um den „Endkampf“ gegen das gesellschaftliche und politische System beginnen zu können. Ihre Perspektive ist der Kommunismus oder Anarchismus, ohne dass sie genauer erklären, was sie jeweils darunter verstehen.

Wenngleich die meisten linken Extremisten nicht gerade theorieaffin sind, gibt es einige „Vordenker“ in ihren Reihen, die ganz im Sinne von Antonio Gramsci um die Bedeutung von begrifflicher und kultureller Hegemonie wissen und entsprechend agieren. Durch das Setzen von Themen wollen sie zumindest ideologisch in die Offensive gehen, was ihnen auf vielen Feldern bereits gelungen ist. Hinzu kommt eine rigide Begriffs- und Sprachpolitik, die eigene Muster absolut setzt und gegnerisch-plurale delegitimiert und kontaminiert.

Die Bekämpfung des Linksextremismus darf sich nicht auf die Arbeit des Verfassungsschutzes beschränken, sondern muss vor allem auch in der Breite der demokratischen Öffentlichkeit argumentativ geführt werden. Dabei gilt es, nicht nur die besseren Argumente zu haben, sondern auch Lösungsvorschläge für Missstände anzubieten. Der erste Schritt aber ist die offensive Verteidigung der freiheitlichen Demokratie, verbunden mit sozialem und politischem Pluralismus und Gewaltenteilung, sowie der Wirtschaftsordnung in Gestalt der Sozialen Marktwirtschaft. Die argumentative Verteidigung sollte sich nicht nur auf Sonntagsreden beschränken, sondern von Politikern der demokratischen Parteien in den Wahlkreisen präsentiert werden. Nöte und Ängste der Bevölkerung müssen ernst genommen und ihr kluge Problemlösungen angeboten werden. Dabei ist die Interdependenz verschiedener Bereiche anschaulich zu vermitteln. Eine kluge Umweltpolitik darf zum Beispiel nicht wirtschaftsfeindlich sein, um negative soziale Folgen zu verhindern, und die Kritik an einzelnen Dimensionen der Globalisierung darf nicht in eine generelle Ablehnung von Globalisierung umschlagen. Das würde den Wohlstand in vielen Ländern massiv gefährden. Der „Kampf gegen Rechtsextremismus“ sollte zielgerichteter und differenzierter geführt, Pauschalisierungen sollten vermieden werden.

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist die grundsätzliche Ablehnung von politisch motivierter Gewalt unabhängig von den Motiven und Zielen der Gewalttäter. Es darf nicht zugelassen werden, dass vereinzelt auch im Bundestag wie in diversen Landtagen sowie in den kommunalen Vertretungen, in Beiräten, Jugendgremien et cetera linke Personen linke Gewalt mit dem Hinweis auf die „guten Ziele“ begrüßen oder zumindest nicht verurteilen.

Unter Bezugnahme auf den italienischen Sozialphilosophen Norberto Bobbio gilt gegen extremistische Einstellungen das Konzept einer „positiven Ungleichheit“: die Singularität des Einzelnen, die sich von dem (linken) Gleichheitsgedanken, aber auch von der (rechten) anthropologisch gesetzten (angenommenen) Ungleichheit unterscheidet. Die Wertschätzung der liberalen Gesellschaft und die Freiheit des Individuums sind der positive Maßstab, an dem es sich zu orientieren gilt.

 

Klaus Schroeder, geboren 1949 in Lübeck-Travemünde, Wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat und Professor am Otto-Suhr-Institut, Freie Universität Berlin.

 

Literatur

Becker, Lia u. a. (Hrsg.): Gramsci lesen. Einstiege in die Gefängnishefte, Hamburg 2013.

Bobbio, Norberto: Rechts und Links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung, Berlin 1994.

Deutz-Schroeder, Monika / Schroeder, Klaus: Linksextreme Einstellungen und Feindbilder. Befragungen, Statistiken und Analysen, Frankfurt am Main 2016.

Schneider, Anna: „Deutschland will Rechtsextremismus und Rassismus per Gesetz besiegen“, in: NZZ-online, www.nzz.ch/international/rechtextremismus-und-rassismus-per-gesetz-besiegenld.1588731?reduced=true, 26.11.2020 [letzter Zugriff: 19.01.2021].

Schroeder, Klaus: Kampf der Systeme. Das geteilte und wiedervereinigte Deutschland, Olzog Edition, Reinbek 2020.

Schroeder, Klaus / Deutz-Schroeder, Monika: Der Kampf ist nicht zu Ende: Geschichte und Aktualität linker Gewalt, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2019.

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