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Das ambivalente Verhältnis der Deutschen zur Landwirtschaft

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Deutschland hat nach wie vor einen starken Agrarsektor. Etwa die Hälfte der Landesfläche wird trotz hoher Siedlungsdichte landwirtschaftlich genutzt. In der Landwirtschaft arbeiten etwa eine Million Menschen. Neun von zehn landwirtschaftlichen Betrieben werden von den Besitzern selbst geführt und erzeugen landwirtschaftliche Güter im Wert von mehr als sechzig Milliarden Euro jährlich, die die Basis für hochwertige und sichere Nahrungsmittel darstellen. Schließt man vor- und nachgelagerte Bereiche ein, so addiert sich der Produktionswert des Agribusiness in Deutschland auf fast 500 Milliarden Euro im Jahr. Die heimische Landwirtschaft produziert etwa neunzig Prozent der Lebensmittel, die wir in Deutschland verbrauchen, und leistet damit den entscheidenden Beitrag zur Ernährungssicherung des Landes. Durch den hohen Selbstversorgungsgrad ist Deutschland bei Lebensmitteln kaum von Importen abhängig. Dies variiert jedoch in Abhängigkeit von der Produktkategorie erheblich.

Über Energiepflanzen wie Mais und Raps, Holz (Kaskadennutzung), energetisch nutzbare Rest- und Abfallstoffe, aber auch über die Bereitstellung von Flächen für die Gewinnung von Wind- und Sonnenenergie ist die Landwirtschaft zunehmend auch für die Energie- und Rohstoffversorgung wichtig. Landwirte gestalten und pflegen zudem die Kulturlandschaften in Deutschland und sind in ländlichen Teilen der Republik ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Grundpfeiler.

In einer repräsentativen Telefonbefragung von Kantar Emnid zum Image der deutschen Landwirtschaft, die 2017 im Auftrag des information.medien.agrar e. V. (Berlin), durchgeführt wurde, stimmten die meisten Befragten den genannten Aspekten zur Bedeutung der Landwirtschaft in Deutschland zu. So sagten 87 Prozent der Befragten, „eine funktionsfähige Landwirtschaft ist ein wesentlicher Bestandteil für die Lebensqualität und Lebensfähigkeit des Landes“, und 82 Prozent stimmten der Aussage zu, „das bäuerliche Leben ist ein wichtiger Bestandteil deutscher Kultur“.

Moderne Landmaschinen, Fortschritte in der Tier- und Pflanzenzucht, ausgeklügelte Fruchtfolge, integrierter Pflanzenschutz und zielgenaue Düngung, das Ausnutzen von Skalierungseffekten und Verbesserungen in der Logistikkette haben in den letzten siebzig Jahren zu einem extremen Zuwachs an Produktivität in der Landwirtschaft geführt.

Die hohe Produktivität ist mit einem direkten Nutzen für den Landwirt selbst, aber auch für die gesamte Gesellschaft verbunden. Mussten im Jahr 1950 etwa 44 Prozent des Einkommens für Lebensmittel und Getränke aufgewendet werden, so sind es gegenwärtig nur noch etwa vierzehn Prozent. Dies entspricht einem erheblichen Wohlstandsgewinn für die Bürgerinnen und Bürger. Durch die niedrigen Preise für Lebensmittel steht deutlich mehr Kaufkraft für andere Konsumausgaben zur Verfügung.

 

Das Landwirtschaftswunder

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat ein Landwirt zehn Menschen ernährt. Gegenwärtig macht ein Landwirt statistisch fast 150 Menschen satt. Möglich wurde dies durch kontinuierliche Innovationen. Heute erzielen Landwirte wesentlich stabilere und höhere Erträge als früher. Die Innovationen der vergangenen Jahrzehnte haben nicht nur die Arbeit für die Landwirte erleichtert und die Erträge erhöht. Sie haben auch die Qualität der Erzeugnisse verbessert (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL 2018).

Aus diesen Perspektiven betrachtet, leistet die Landwirtschaft in Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand des Landes. Der aktuelle öffentliche Diskurs über die heimische Landwirtschaft ist allerdings ungleich kritischer. Problemfelder, welche ursächlich der Landwirtschaft zugeschrieben werden, dominieren die mediale Berichterstattung und die Kommunikation in den sozialen Medien.

Die Grundlagen für die rasante Industrialisierung der Landwirtschaft wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren gelegt. Nach Jahren des Mangels war es das erklärte politische Ziel, in Deutschland genügend Lebensmittel für alle in hoher Qualität und zu niedrigen Preisen zu erzeugen. Nach Neubeginn und Wirtschaftswunder wurden erste Nebenwirkungen der rasanten Industrialisierung in der Umwelt sichtbar: Chemikalien und Fischsterben im Rhein, saurer Regen und Waldsterben in vielen Regionen Deutschlands. Dies war die Geburtsstunde neuer Natur- und Umweltschutzbewegungen. Mit deren Aufstieg verbunden war eine zunehmend anti-kapitalistische Instrumentalisierung des Natur- und Land(wirt)schaftsbegriffs. Wirtschaft und Konzerne wurden zu Hauptgegnern in Fragen des Umweltschutzes erklärt. Ihnen wurde Gewinnstreben auf Kosten von Umwelt und Gesellschaft vorgeworfen.

 

„Heile Welt“ der Bauernhöfe

 

Das Marktforschungsinstitut Rheingold Salon hat in einer Studie herausgefunden, dass Verbraucher Innovationen und Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft kritisch beurteilen, während diese in der Energiebranche oder Automobilwirtschaft willkommen sind (Heinz-Lohmann-Stiftung 2015). Viele Verbraucher scheinen Landwirtschaft und Bauernhof eher sehnsuchtsvoll romantisch und nostalgisch verklärt zu betrachten. Bäuerliche Landwirtschaft ist typischerweise eng mit Heimat, Familie, Kirche und Identität verwoben. In einer sich schnell verändernden hochkomplexen Welt ist dies für viele Verbraucher mit der Sehnsucht nach Verlässlichkeit, Vertrautheit, Überschaubarkeit, Entschleunigung, Sicherheit und Geborgenheit verbunden. Daher vermag das Bild eines Bauernhofs aus dem Jahr 1960 assoziativ positive Erinnerungen an die eigene Kindheit im Sinne einer „heilen Welt“ zu erwecken. Dies wird dadurch verstärkt, dass in der Lebensmittelwerbung oft mit solchen nostalgischen Bildern von Landwirtschaft geworben wird. Diese mögen beim Verbraucher zwar ein gutes Gefühl von Heimat, Sicherheit und Geborgenheit auslösen, das kurzfristig zu einem Kaufimpuls führt. Langfristig führt die ständige Illustration romantisch verklärter Scheinwelten auf den Verpackungen und in der Werbung jedoch dazu, dass die Verbrauchererwartungen und der Ist-Zustand von Landwirtschaft immer weiter auseinanderklaffen. Es resultiert eine zunehmende Entfremdung der Verbraucher von der modernen landwirtschaftlichen Produktion. Hinzu kommt, dass viele Menschen keinerlei persönliche Kontakte zur Landwirtschaft mehr haben. Aber gerade jene, die keine Primärerfahrung mit Landwirtschaft besitzen, kritisieren die moderne landwirtschaftliche Produktion: Im Kuhstall entscheiden die Kühe heute selbst, wann sie sich vom Melkroboter melken lassen, auf dem Feld ermitteln ultramoderne Sensoren, wo, welcher und wie viel Dünger gebraucht wird. Immer größere Landmaschinen, Flächen und Anlagen sparen Diesel, Strom, Wasser und andere Ressourcen. Moderne Traktoren steuern ihre Fahrt über den Acker dank GPS und Autopilot selbst. Pflanzenschutzmittel werden automatisch und präzise dosiert: Der technologische Fortschritt hat der modernen Landwirtschaft immense Produktivitätssprünge und Arbeitserleichterungen gebracht. Es gibt allerdings Teile der Bevölkerung, die eben diesen Fortschritt mit Unbehagen sehen und als „Industrialisierung der Landwirtschaft“ verurteilen. Kritiker beklagen unerwünschte Nebenwirkungen auf Umwelt, Tier und Mensch und fordern die Rückbesinnung auf eine „bäuerliche Landwirtschaft“ (BMEL 2018).

Dabei ist zu beachten, dass die kritische öffentliche Diskussion über die Landwirtschaft nicht repräsentativ für die Einstellungen der Bevölkerung ist. Der öffentliche Diskurs in klassischen Medien wie in digitalen Social Media wird nur von einem Bruchteil der Bevölkerung maßgeblich getragen. Dieser ist jedoch besonders kommunikationsstark.

 

Die „Intentions-Verhaltens-Lücke“

 

Verbraucher haben schon länger die Wahl, bereits beim Einkauf über die gewünschte Art der Landwirtschaft zu entscheiden. So stehen beispielsweise ökologisch erzeugte und fair gehandelte Produkte seit Jahrzehnten in den Regalen der Supermärkte oder können auf Wochenmärkten eingekauft werden. Das Gros der Verbraucher greift aber nicht zu solchen Produkten, sondern wählt weiterhin primär nach Preis oder Convenience aus. In Befragungen äußern jedoch fast alle, dass sich die Landwirtschaft unbedingt in Richtung von mehr Nachhaltigkeit und Verantwortung ändern muss. Sie bekunden, dass sie selbstverständlich bereits solche Produkte einkaufen. Bei Betrachtung der Marktzahlen erkennt man indes, dass sich die meisten Verbraucher an der Kasse des Supermarktes anders entscheiden, als zuvor in Befragungen bekundet. Die Wissenschaft bezeichnet diese Diskrepanz als „Attitude-Behaviour-Gap“ („Intentions-Verhaltens-Lücke“). Für die Landwirtschaft ist die Situation vertrackt, denn sie wird öffentlich lautstark zu mehr Nachhaltigkeit und Verantwortung gedrängt, aber die zugehörigen Marktsignale bleiben (noch) aus.

Kantar Emnid hat repräsentativ befragt, welche Eigenschaften deutschen Landwirten von der Bevölkerung zugeschrieben werden und welche Eigenschaften sie aus Verbrauchersicht idealerweise haben sollten (information.medien.agrar e.V. 2017). Der Soll-Ist-Vergleich zeigt, dass die deutschen Landwirte den hohen Ansprüchen der Verbraucher derzeit nur in wenigen Punkten gerecht werden.

Während die Landwirte im Hinblick auf die Produktion preiswerter Nahrungsmittel, marktorientierter Produkte sowie Orientierung am technischen Fortschritt den Wünschen der Verbraucher weitgehend entsprechen, ergibt sich vor allem bei ethischen und ökologischen Ansprüchen eine große Diskrepanz. Besonders groß ist sie beim verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren, beim umweltbewussten Wirtschaften, bei der Produktion ohne Raubbau an Boden, Wasser und Luft sowie dem Verzicht auf Gentechnik. Ideell hat die Bevölkerung hohe Ansprüche an die heimische Landwirtschaft. Sie soll qualitativ, ethisch und ökologisch auf höchstem Niveau produzieren. In der Praxis entscheidet aber oftmals der Preis. Derartige Zielkonflikte sind für das Image der Landwirtschaft in Deutschland kennzeichnend.

 

„Nur den schönsten Salatkopf“

 

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag zum Haushaltsgesetz 2020 am 10. September 2019 in Berlin typische Zielkonflikte in der modernen Landwirtschaft benannt: „So sollen Lebensmittel ausreichend vorhanden, die Ernten sicher und für uns Verbraucher ansehnlich, aber vor allen Dingen sollen sie günstig sein. Alle Menschen sollen satt werden, aber der Bauer soll sich als Landschaftsgärtner profilieren. Bauern sollen auf Pflanzenschutzmittel verzichten, aber im Supermarkt will man nur den schönsten Salatkopf. Landwirte sollen Tiere unter besten Bedingungen halten, aber mehr zahlen will dafür kaum jemand. Gefühlt möchten die meisten Fleisch von Tieren essen, die nie geschlachtet worden sind, aber Lock- und Dumpingangebote bei Lebensmitteln im Supermarkt funktionieren nach wie vor. Das schleichende schlechte Gewissen wird meist allein bei den Bauern abgeladen. Viele beklagen zwar, dass Höfe sterben und dass die vermeintlich Großen immer größer werden, aber machen gleichzeitig mit, wenn Landwirte pauschal als Klimasünder, Tierquäler und Umweltvergifter in die Ecke gestellt werden.“

Der Rheingold Salon aus Köln hat in der bereits zitierten Studie für die Heinz-Lohmann-Stiftung herausgearbeitet, dass es in den letzten Dekaden eine erhebliche Veränderung in der öffentlichen Meinungsbildung gab. Die Bürger entwickeln heute je nach Kontext unterschiedliche Meinungen und Verhaltensweisen zu ein und demselben Thema. Man fühlt sich nicht (mehr) verpflichtet, seine Meinungen wie früher in eine stringente und in sich logische „eigene Position“ zu integrieren. Stattdessen wird eine Vielfalt und Parallelität unterschiedlicher Meinungen nebeneinander akzeptiert, zum Teil sogar explizit gewünscht. Beispiele hierfür gibt es zuhauf. Auf die industrielle Landwirtschaft schimpfen, aber immer nur das Billigste einkaufen; Ökostrom wollen, aber gegen Stromtrassen und Windkrafträder demonstrieren; mit dem spritschluckenden SUV zum Bauernhof fahren, um dort Bioprodukte einzukaufen; sich aus Rücksicht auf den Planeten vegan ernähren, aber mehrmals im Jahr mit dem Flugzeug Fernreisen unternehmen. Möglich wird ein solches, eigentlich hochgradig widersprüchliches Handeln, weil das eigene Leben zunehmend wie die Stücke einer Torte in abgetrennte Lebensbereiche zerteilt wird: Ernährung, Mobilität, Urlaub, Freizeit, Wohnen, Beruf und so weiter. Während man sich innerhalb eines Tortenstücks hochgradig konsistent verhält, kann man in anderen Tortenstücken völlig abweichende und teils widersprüchliche Rollen spielen.

„Moral Licensing“ beschreibt das psychologische Phänomen, dass Menschen im Anschluss an eine gute, uneigennützige Tat ohne Schuldgefühle eine schlechte, eigennützige Tat vollbringen können. Man kann dies als eine Art Moralkonto verstehen, anhand dessen Altruismus und Egoismus ausbalanciert werden. Hat jemand gerade eine uneigennützige, gute Tat vollbracht, sich zum Beispiel konsequent klimaschonend fleischfrei ernährt, ist das „moralische Konto“ aufgefüllt. Das führt dann paradoxerweise dazu, dass Menschen nachfolgend zumeist in anderen Lebensbereichen (Tortenstücken) den eigenen hedonistischen Nutzen deutlich in den Vordergrund stellen und zum Beispiel vermehrt Fernreisen mit dem Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff unternehmen. Moralisches Lizenzieren kann Inkonsistenzen im menschlichen Verhalten erklären. Allerdings zeigen nicht alle Verbraucher derartige Widersprüche.

 

Konsum wird zum Bekenntnis

 

Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich beschreibt, dass ethisch-moralischer Konsum in Überflussgesellschaften zunehmend zum Bekenntnis wird. Konsumenten inszenieren sich durch im Produkt implizierte Werte. Moral wird zum Lifestyle und zum Distinktionsmerkmal. Das öffentliche Bekenntnis zu allgemein anerkannten Werten wie Gesundheit und Nachhaltigkeit durch die eigene Ernährung steigert das Selbstwertgefühl und die Wahrscheinlichkeit, das eigene Leben als erfüllt und sich selbst als wertvoll, schließlich als moralisch überlegen zu erfahren (Wahre Meisterwerte, Verlag Wagenbach 2017). Ullrich spricht in diesem Kontext von „Gewissenshedonismus“. Die Sozialwissenschaftlerin Eva Barlösius hat beobachtet, dass sich eine gesellschaftlich dominante Elite heute von anderen auch mittels ihres Ernährungsstils abgrenzt, der als moralisch überlegen gilt und unter anderem den Kauf von Bioprodukten und einen weitgehenden Verzicht auf Fleisch vorsieht (Der Spiegel, 2019). Ob der aus allen Lebensbereichen addierte ökologische Fußabdruck entsprechender Protagonisten tatsächlich geringer ist, muss jedoch kritisch hinterfragt werden.

Es ist jedoch für den gesellschaftlichen Dialog mit verschiedenen Kritikern nicht hilfreich, wenn Stakeholder jede Mitverantwortung am Status quo von sich weisen, denn das weltweite Ökosystem ist fraglos in keinem guten Zustand. Die Wertschöpfungskette der industriellen Lebensmittelproduktion, vom Saatgut bis zum Gericht auf dem Teller, trägt daran eine Teilschuld. Sie ist nicht nachhaltig, sorgt für soziale Spannungen, endet in Übergewicht, Mangelernährung oder Hunger. Und sie schädigt unser Klima und unsere Umwelt. Veränderungen sind dringend notwendig. Die uneingeschränkte Zustimmung aller Stakeholder, auch der modernen Landwirtschaft, zu dieser Feststellung kann den Boden für einen konstruktiven Zukunftsdialog mit dialogwilligen Stakeholdern zur Lösung der komplexen Zielkonflikte bereiten. Selbst wenn sich Verbraucher in Teilen derzeit noch inkonsistent verhalten, so ist dennoch absehbar, dass Nachhaltigkeit und Gesundheit zukünftig eine immer größere Rolle spielen werden. So hat die EAT-Lancet-Kommission 2019 unter dem Namen „Planetary Health Diet“ ein Konzept für Landwirtschaft und Ernährung vorgeschlagen, das sowohl die Gesundheit des Menschen als auch die des Planeten gleichermaßen schützen soll. Dazu zählt neben einer stärker pflanzenbetonten Ernährungsweise auch eine verbesserte Lebensmittelproduktion, zum Beispiel die Erhöhung des Ertrags pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche bei gleichzeitiger Minimierung der Auswirkungen auf die Natur sowie die Reduktion von Lebensmittelabfällen.

 

Konsensthema „Food Waste“

 

In Deutschland entstehen rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr. Laut Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik und des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) könnten, etwa bei einer alleinigen fünfzigprozentigen Reduzierung der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten, bereits sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgas-Emissionen in Deutschland eingespart werden (BMEL 2019). Strategien zur Reduktion von Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind hochgradig konsensfähig und können zum Einstieg in den gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland dienen.

Die Mehrheit der Deutschen ist auch der Meinung, dass landwirtschaftliche Themen in Schulen deutlich unterrepräsentiert sind und dass derzeit kein realistisches Bild von moderner Landwirtschaft in Schulen vermittelt wird (information.medien.agrar e.V. 2017). Fast alle halten Besuche von Schulklassen auf Bauernhöfen für wichtig oder sehr wichtig. Durch entsprechende Maßnahmen kann einer weiteren Entfremdung der Bevölkerung von moderner Landwirtschaft entgegengewirkt, der Dialog und die Wertschätzung von heimischer Landwirtschaft gefördert werden.

 

Thomas Ellrott, geboren 1966 in Braunschweig, Arzt und Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen, Leiter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. in Niedersachsen.

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