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Berichte aus vier Kontinenten

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Russland: Der Countdown zur Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 2018 läuft. Alles wird getan, damit bis zum ersten Anpfiff die Stadien fertiggestellt, die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen abgeschlossen sind und das Land für das Großereignis bereit ist. Die meisten Fußballarenen mussten neu errichtet werden, was nicht an allen Austragungsorten reibungslos verlief. So hat das Stadion in Sankt Petersburg eine gewisse Berühmtheit wegen seiner langen Bauzeit und der enormen Kosten erlangt. In Wolgograd verursachten der Einsturz einer Trägerkonstruktion und ein Brand Verzögerungen. Der Baubeginn wurde durch den Fund vieler Blindgänger und sterblicher Überreste in der Schlacht um Stalingrad Gefallener erschwert.

Wolgograd ist ein Beispiel dafür, dass die Einwohner der Region über die WM hinaus von den Investitionen profitieren werden. Viele Hunderte Kilometer neue Straßen, ein modernisiertes Krankenhaus und ein erweiterter Flughafen werden der Stadt erhalten bleiben. Ob das Stadion künftig ausgelastet sein wird, ist eine offene Frage, die Wolgograd mit anderen Austragungsorten teilt. In Jekaterinburg wurde das vorhandene Stadion deshalb so erweitert, dass nach der WM ein Rückbau möglich ist.

Die WM wird an elf Austragungsorten stattfinden. Hunderte von Kilometern müssen überwunden werden, um von Moskau nach Kaliningrad, Samara oder Rostow am Don zu kommen. Die Russische Staatsbahn will Ticketbesitzern kostenlose Verbindungen anbieten.

Bei der Fußballweltmeisterschaft wird den Sicherheitsvorkehrungen viel Gewicht eingeräumt. Wie schon bei der Winterolympiade 2014 werden die Ticketinhaber eine Fan-ID beantragen müssen, die ihnen erst nach Prüfung zugeteilt wird. Die Fangemeinde der russischen Klubs, die sich als Hooligans einen zweifelhaften Ruhm erworben hat, ist gehalten, sich angemessen zu verhalten.

Fußball gehört zu den beliebtesten Sportarten in Russland, selbst wenn man noch stolzer auf die ruhmreiche Eishockey-Nationalmannschaft ist. Die Erfolge der Fußballnationalmannschaft sind dagegen eher rar. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass in Russland keine breite Vereinsstruktur existiert, was die Nachwuchsarbeit erschwert.

Dass die Fußball-WM ausgerechnet im Präsidentschaftswahljahr 2018 nach Russland ging, fand viel Kritik im Westen. Im Wahlkampf selbst kam die Fußballweltmeisterschaft allerdings kaum vor. Natürlich erfuhren sowohl die Verkündung des Austragungsortes als auch der Tag der Gruppenauslosung viel mediale Aufmerksamkeit. Aber im alltäglichen Straßenbild waren kaum Hinweise auf die WM zu sehen.

Denn es gab auch keinen wirklichen Wahlkampf. Putin genießt ausreichend Unterstützung in der Bevölkerung. Er musste nicht kämpfen. Vor allem seit der „Wiedervereinigung der Krim mit dem Mutterland“, wie es in Russland gesehen wird, kurz nach den Spielen in Sotschi 2014 genießt er hohe Zustimmungsraten. Bei der Wahl am 18. März wurde er mit fast 77 Prozent wiedergewählt.

Der Westen reagierte auf die Annexion der Krim mit Sanktionen. Seitdem wird in den russischen Medien der Mythos gepflegt, der Westen wolle Russland in die Knie zwingen, und deshalb müsse das Volk zusammenstehen. Die Propaganda wirkt: Jede noch so gerechtfertigte Kritik an Russland wird umgehend als antirussische Provokation gebrandmarkt. So gilt die Debatte über Schmiergeldzahlungen des russischen Fußballverbandes an die FIFA vor der Auslosung Russlands als Austragungsort als eine boshafte Kampagne, um Russland die WM madig zu machen. Auch die massiven Dopingvorwürfe, für die es erdrückende Indizien gibt, werden in Russland als anti-russische Kampagne verunglimpft. Viele Russen empfinden ihr Land als zu Unrecht an den Pranger gestellt, verkennen aber, dass es einen Unterschied zwischen vereinzelten Dopingfällen und einem massenhaften, staatlich sanktionierten Doping gibt. Immerhin war der Druck auf den Chef-Organisator der Fußballweltmeisterschaft und Vorsitzenden des russischen Fußballverbandes Witali Mutko am Ende so groß, dass er im Dezember 2017 von beiden Ämtern zurücktrat; Vizeregierungschef ist er allerdings weiterhin.

Der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Agenten Sergej Skripal und seine Tochter im März 2018 in Salisbury verschärfte die außenpolitische Situation. Die Regierung in London hat Moskau im Verdacht und kündigte an, dass weder ein Politiker noch ein Mitglied der königlichen Familie an den Spielen teilnehmen wird.

Dennoch ist zu wünschen, dass die WM Menschen zusammenbringt und der Fußball selbst begeistert. Die Fußballweltmeisterschaft bietet die Chance, mehr von Russland und den sehr gastfreundlichen Russen zu erfahren. Das Land verdient es, jenseits seiner Politiker wahrgenommen zu werden.

Claudia Crawford

Auslandsbüro Moskau der Konrad-Adenauer-Stiftung

Südkorea: Der internationale Fußball ist populär in dem nordostasiatischen Land. Wenn Koreaner an Fußball denken, träumen sie von Brasilien, Deutschland oder überhaupt von Europa. Heimische Topspieler zieht es in die großen Ligen. Die Bundesliga ist im Land beliebter als die eigene K League.

Dennoch betrachten Südkoreaner das Spiel auf ihre eigene Weise. Wichtiger als der Spielverlauf sind andere Faktoren: In Korea hat der „Wettbewerb“ große Bedeutung. Schon in der Schule herrscht eine starke Konkurrenz. Das gilt für viele gesellschaftliche Bereiche und beeinflusst auch den Sport. Hinzu kommt eine politische Komponente: Ein Match gegen die USA oder Deutschland verfolgen die Südkoreaner vergleichsweise entspannt, jedes Duell mit Japan hingegen mit leidenschaftlicher Anteilnahme, da es hochpolitisch ist. Die Südkoreaner erwarten, dass ihre Nationalmannschaft diese Partien gewinnt, selbst wenn alle anderen Spiele verloren gehen. Das ist einer der Gründe für die große Emotion, die Fußball auslöst – quasi als „Katharsis“. Denn das Schicksal Koreas ist bis heute eng mit den Beziehungen zum schwierigen Nachbarn Japan verbunden. Die Ereignisse der 1920er-Jahre mit der Auflehnung gegen die japanische Kolonialherrschaft sind tief in das koreanische Bewusstsein eingebrannt.

Selbst diejenigen, die sich wenig für Fußball interessieren, nehmen als Fans bei den großen internationalen Turnieren teil. Eine besondere Bedeutung kam der Fußballweltmeisterschaft 2002 im eigenen Land zu. Vorher wurden Spiele zu Hause oder mit Freunden geschaut. Seitdem hat sich das „Public Viewing“ etabliert. Viele Südkoreaner, von Kindern bis zu Senioren, trugen rote T-Shirts auf der Straße („Fighting Korea“), um ihre Mannschaft anzufeuern. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung war auf den Beinen und ermöglichte ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Fußball ist zu einem öffentlichen Großereignis mit Festivalcharakter geworden.

Umso mehr nehmen der Fußball und der Spitzensport insgesamt in Korea eine politische Rolle ein. Schon 1990 hatte es Versuche gegeben, regelmäßige Spiele zwischen süd- und nordkoreanischen Fußballteams zu vereinbaren. Das konnte, anders als seinerzeit im geteilten Deutschland mit dem deutsch-deutschen Sportkalender, auf der koreanischen Halbinsel bislang nicht nachhaltig etabliert werden.

Erst knapp drei Jahrzehnte später bot sich wieder die Chance, über den Sport ins Gespräch zu kommen: Die Olympischen Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang sind ein nahezu perfektes Beispiel für die Möglichkeiten der Sportdiplomatie. Der gemeinsame Einmarsch der Athleten aus Nord- und Südkorea sowie das Frauen-Eishockeyteam mit Spielerinnen aus beiden Koreas sorgten für den Rahmen, der den lange unterbrochenen Dialog zwischen Seoul und Pjöngjang wiedereröffnete. Auch das in anderen Bereichen so heftig kritisierte Internationale Olympische Komitee (IOK) hat im Vorfeld der Spiele konstruktiv zwischen beiden Koreas vermittelt und Hürden, wie zum Beispiel Finanzierungs- oder Anreisefragen der nordkoreanischen Delegation, aus dem Weg geräumt. Dass Thomas Bach und sein engeres Umfeld beim IOK aus einem früher geteilten Land kommen, hat offenbar zu einem großen Verständnis für die besondere Situation auf der koreanischen Halbinsel beigetragen.

Kurz nach Ende der Winterspiele, Anfang März 2018, wurde vereinbart, dass im April ein Gipfeltreffen zwischen dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un stattfinden soll. Inzwischen scheint selbst ein persönliches Treffen des nordkoreanischen Machthabers mit US-Präsident Donald Trump im Bereich des Möglichen zu liegen. Ob sich daraus in den kommenden Monaten weitere – greifbare – Fortschritte für die Sicherheitslage ergeben, bleibt abzuwarten.

Klar ist jedenfalls: Ohne die seit der zweiten Jahreshälfte 2017 verstärkten Sanktionen gegen Pjöngjang hätte es kaum politische Bewegung im Nordkoreakonflikt gegeben. Und ohne den „sportpolitischen“ Anlass der Olympischen und Paralympischen Spiele wäre diese Bewegung und damit die Chance auf eine tatsächliche Annäherung der beiden Koreas kaum so schnell und bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglich geworden.

Hyekyung Lee, Stefan Samse

Auslandsbüro Korea der Konrad-Adenauer-Stiftung

Ukraine: Das fußballverrückte Land ist derzeit vermutlich eines der wenigen Länder, in denen die unmittelbaren Auswirkungen der internationalen Politik auf den Sport deutlich werden. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und der Konflikt im Osten des Landes haben im ukrainischen Fußball tiefe Spuren hinterlassen: Mit den Fußballvereinen von Simferopol und Sewastopol verlor die höchste ukrainische Liga zwei Mannschaften, auch wenn die UEFA deren kurzzeitige Aufnahme in die russische Liga alsbald untersagte. In Donezk wurde die Donbass-Arena, Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2012, während der Kampfhandlungen durch mehrere Explosionen beschädigt. Der Erstligist Schachtar Donezk, der 2009 den UEFA-Pokal errang und damit erster Gewinner eines Europapokals der unabhängigen Ukraine wurde, spielte zunächst im 1.200 Kilometer entfernten westukrainischen Lemberg weiter. Seit der Rückrunde 2016/17 ist das Metalist-Stadion im ostukrainischen Charkiw provisorisches Heimstadion, da man sich hier durch die Nähe zur alten Wirkungsstätte größeren Zuschauerzuspruch erhofft. Der dort angestammte Traditionsverein Metalist Charkiw ging 2016 bankrott, nachdem sich der Eigentümer infolge der Euromaidan-Ereignisse nach Russland abgesetzt hatte. Ihm wurden enge Verbindungen zum geflohenen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch nachgesagt. Weiteren Fußballclubs erging es ähnlich: Sie mussten Insolvenz anmelden oder gerieten in massive finanzielle Schwierigkeiten. Durch die Verlagerung der Spielstätten – außerhalb der sogenannten pro-russischen „Volksrepubliken“ – ging den Vereinen ein wesentlicher Teil ihrer Fan-Basis verloren, zumal sich auch die rund 1,7 Millionen ostukrainischen Binnenflüchtlinge auf verschiedene Städte im ganzen Land verteilten. Mit dem Wegfall fördernder Oligarchen und anderer Einnahmequellen setzte darüber hinaus eine Abwanderung ukrainischer und ausländischer Profispieler ein.

Doch in der vielleicht größten Krise des ukrainischen Fußballs gibt es auch Hoffnungsschimmer: Der Sportklub Tawrija Simferopol wurde mit Sitz in Cherson, rund 100 Kilometer nordwestlich der Krim, neu gegründet. In Charkiw versuchen seit dem Sommer 2016 engagierte Fans und Funktionäre, den FC Metalist 1925 Charkiw als neuen Verein zu etablieren – ein Zeichen gesellschaftlichen Engagements in einer sich wandelnden Ukraine. Auf dem internationalen Parkett verpasste die ukrainische Fußballnationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018. Allerdings war eine mögliche Teilnahme im Nachbarland umstritten. Bereits 2015 forderte Präsident Petro Poroschenko einen internationalen Boykott der WM in Russland und erhielt mit dieser Auffassung auch von einigen deutschen Politikern Zuspruch. Die Ukraine hatte bei der Fußball-Europameisterschaft drei Jahre zuvor – während der Präsidentschaft Janukowitschs – selbst Erfahrungen mit Boykottaufrufen gemacht. Damals blieben die Mitglieder der Europäischen Kommission den Spielen fern, um gegen die Haftbedingungen der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko zu demonstrieren. Eine weitere, im Vorfeld diskutierte Sorge waren mögliche strafrechtliche Konsequenzen für mitreisende Fans, wenn diese Flaggen oder Losungen zur Krim zeigen würden. Insofern wurde die verpasste Turnierteilnahme mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Nach dem Ausscheiden der Ukraine kursierte der Witz, dass sich die Mannschaft allein aus patriotischen Gründen nicht für die WM habe qualifizieren wollen.

Eine letzte Befürchtung ukrainischer Experten bleibt jedoch bestehen: Nach den russischen Präsidentschaftswahlen und der Weltmeisterschaft könnte der Konflikt wieder stärker aufflammen – angesichts von fast 600 zivilen Toten und Verletzten im Jahr 2017 wäre dies eine traurige Prophezeiung. „Wo Fußball gespielt wird, wird nicht gekämpft.“ Dies sagte der frühere FIFA-Präsident Sepp Blatter einmal, um die völkerverbindende Seite des Sports hervorzuheben. Es bleibt zu hoffen, dass Fußball dauerhaft zu diesem Ziel beitragen kann.

Tim B. Peters

Auslandsbüro Ukraine (Charkiw) der Konrad-Adenauer-Stiftung

Katar: Die geplante Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2022 veranschaulicht die Verzahnung von Sport und Politik am Persischen Golf und ist Teil der außenpolitischen Soft-Power-Strategie Dohas. Seit den 1990er-Jahren strebt der Zwergstaat danach, mithilfe seiner Finanzstärke globale Anziehungs- und Überzeugungskraft zu entfalten. Das Emirat verfolgt dieses Ziel einerseits zum Selbstschutz gegen eine latente Bedrohung durch die Nachbarn Saudi-Arabien und Iran. Internationales Prestige soll einflussreiche Partner binden, die ein Interesse an Bestand und Integrität des Staates haben. Andererseits steht Katar insbesondere mit Abu Dhabi, Bahrain und Dubai in Konkurrenz um Direktinvestitionen, Humankapital und Touristen und möchte einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Doha setzt auf diverse Prestigeprojekte und betreibt eine intensive Sportdiplomatie, um die Aufmerksamkeit und einen Wiedererkennungswert für die „Marke Katar“ zu schaffen. Das Engagement bei renommierten Fußballclubs, wie dem französischen Erstligisten Paris Saint-Germain, zeigt, dass Fußball in dieser Strategie eine prominente Rolle einnimmt. Mit der WM 2022 avanciert Katar zum ersten arabischen und muslimischen Ausrichter einer Fußballweltmeisterschaft – die Krönung der katarischen Ambitionen, sich als Akteur von regionaler Bedeutung hervorzutun.

Dieser Schachzug hat bisher jedoch durchwachsene Ergebnisse erzielt: Die Weltöffentlichkeit hat den Fokus auch verstärkt auf Missstände in Katar gerichtet. Noch immer wird in Gerichtsverfahren ermittelt, ob Bestechung die WM-Vergabe zugunsten Katar

s beeinflusste – ein bedeutender Imageverlust für das Emirat. Darüber hinaus gab es internationale Kritik an den prekären Arbeitsbedingungen des restriktiven Kafala-Systems, welches 1,6 Millionen zumeist asiatische Gastarbeiter einem für sie verantwortlichen katarischen Sponsor unterstellt. Zudem trübte der konfrontative Umgang Katars mit kritischer WM-Berichterstattung die positive Strahlkraft der katarischen Soft-Power-Maschinerie.

Das Ziel Dohas, sich mit der WM 2022 hervorzuheben, wird von Nachbarstaaten kritisch beäugt. Forderungen, andere arabische Staaten bei der WM-Ausrichtung miteinzubeziehen, tauchten deshalb seit der WM-Vergabe 2010 immer wieder auf. Zusätzliche Schwierigkeiten entstanden dadurch, dass im Juni 2017 Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eine Blockade gegen das Emirat verhängten. Die sogenannte Katar-Krise verteuert und erschwert den Import von Baumaterialien in das Emirat, doch bisher scheinen Infrastruktur- und Bauvorhaben für die WM nicht gefährdet. Sollte die Krise andauern, würde allerdings die WM-Teilnahme anderer Golf-Staaten infrage gestellt. Der 23. Golfpokal, ein Fußballwettbewerb zwischen den arabischen Anrainerstaaten des Persischen Golfs, könnte hierfür ein Präzedenzfall sein: Als Austragungsort war zunächst Katar geplant, Ende 2017 zogen Bahrain, Saudi-Arabien und die VAE jedoch ihre Teilnahme zwischenzeitlich zurück. Schließlich fand das Turnier in Kuwait statt.

Dennoch könnte die WM 2022 auch positive Entwicklungen am Golf anstoßen. So gab Katar im November 2017 eine umfassende Reform des Kafala-Systems bekannt, die im regionalen Vergleich ein Beispiel setzen würde. Der Schritt, vermutlich teilweise durch die Umstände der Katar-Krise bedingt, kam nicht zuletzt durch die Kritik von Gewerkschaften und der Internationalen Arbeitsorganisation zustande.

Ob der Fußball in Katar die ihm nachgesagte Rolle als Brückenbauer spielen wird, bleibt fraglich. Gerade im Nahen Osten ist Fußball eng mit Politik verwoben und stellt keine neutrale Zone dar – auch, weil sich die FIFA hier anfällig zeigt: Trotz Beteuerungen, der Fußballverband würde sich nicht in die Politik einmischen, gab er jüngst Forderungen aus Abu Dhabi nach, einen ursprünglich für das Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft der VAE vorgesehenen katarischen Schiedsrichter zu ersetzen; der Fußballverband Ägyptens folgte nun mit einer ähnlichen Forderung für Spiele seiner Nationalmannschaft bei der WM 2018. Als katarisches Soft-Power-Projekt gestartet, hat die WM 2022 somit bereits an Strahlkraft eingebüßt – die Verstrickung in regionale Konflikte beschert ihr zudem einen ungewissen Ausgang.

Philipp Dienstbier

Regionalprogramm Golf-Staaten der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Jordanien

Senegal: Der westafrikanische Staat gilt als Musterland der Region und ist zugleich eine der Fußballnationen auf dem afrikanischen Kontinent. Auf der FIFA-Weltrangliste nahm er im Januar 2018 Platz 24 ein und ist damit das bestplatzierte Land aus Subsahara-Afrika. Mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Russland hat sich der Senegal nach 2002 zum zweiten Mal für eine WM qualifiziert und wird neben Marokko, Tunesien, Ägypten und Nigeria als eines von fünf afrikanischen Ländern antreten. Noch heute schwärmen Senegalesen von der WM 2002 in Japan und Südkorea: Die Nationalmannschaft, die Lions de la Téranga („Löwen der Gastfreundschaft“), schrieb senegalesische Fußballgeschichte – als erstes afrikanisches Team erreichte die Mannschaft mit dem französischen Trainer Bruno Metsu das Viertelfinale. Bis heute hat kein afrikanisches Team ein WM-Halbfinale erreicht; lediglich Ghana wäre es während der WM in Südafrika 2010 beinahe gelungen.

Der Senegal ist ein sportbegeistertes Land und kann sich neben dem Nationalsport Wrestling vor allem für Fußball begeistern. Dabei ist das typisch senegalesische System der „navétanes“ von besonderer Bedeutung. Das Wort stammt aus dem Wolof, der mehrheitlich im Land gesprochenen Sprache, und bedeutet eigentlich „Regenzeit“. Inzwischen umschreibt der Begriff jedoch lokale Gemeinschaften, die landesweit ehrenamtlich Fußballturniere in den Vororten für Kinder und Jugendliche während der Ferienzeit von Juli bis Oktober, der eigentlichen Regenzeit, organisieren.

Sechzig Prozent der Senegalesen sind jünger als zwanzig Jahre, das Bildungssystem ist reformbedürftig, und die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei mehr als fünfzig Prozent. Um die Jugend zu beschäftigen, sie von Ideen einer irregulären Migration oder Radikalisierung abzubringen und sie in dem ethnisch, religiös und sprachlich heterogenen Land zusammenzuführen, nehmen diese „navétanes“-Gruppen eine gesellschaftlich elementare Kohäsionsfunktion ein. Neben einem ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl ist vor allem der Kampfgeist, das „Über-sich-Hinauswachsen“ (auf Wolof: „dem ba diekh“) ein Leitmotiv dieser Gruppen.

Nicht wenige werden dabei vermutlich auch die Biographie von George Weah im Hinterkopf haben, dessen Werdegang Millionen junger Afrikaner inspiriert. Am 22. Januar 2018 wurde Weah, Weltfußballer des Jahres 1995, zum Präsidenten Liberias ernannt. Der ehemalige Fußballprofi, der für Vereine wie AC Mailand oder den FC Chelsea spielte, wird in dem westafrikanischen Land als Volksheld verehrt. Aufgewachsen in Armut, ist Weah für die heutige Jugend Afrikas ein Symbol für den gesellschaftlichen Aufstieg durch Sport, konkret durch Fußball.

Viele der Profifußballer des Landes sammelten ihre ersten Sporterfahrungen in den „navétanes“. Die Politik hat den Einfluss dieser Strukturen erkannt und fördert sie. Stadien werden gebaut, und die Fußballnationalmannschaft wird in Reden voller Stolz gelobt. So verwundert es nicht, dass sich die senegalesische Hauptstadt Dakar täglich ab Einbruch der Dämmerung zum großen öffentlichen Fitnessstudio verwandelt. Die Straßen entlang der Atlantikküste ähneln einer nicht enden wollenden Sportschau: Joggen, Muskeltraining, Wrestling-Übungen und Fußball prägen in den Abendstunden das öffentliche Bild der Stadt. Vielleicht trainiert hier auch ein künftiger Präsident Senegals.

Thomas Volk

Auslandsbüro Senegal der Konrad-Adenauer-Stiftung

Panama: Der kleine Staat auf der amerikanischen Landbrücke ist wegen seines den Atlantik und den Pazifik verbindenden Kanals weltbekannt. Zuletzt hatte er als Steueroase und durch die Verwicklung in den Korruptionsskandal des brasilianischen Bauriesen Odebrecht eine schlechte Presse. Als Sport- oder gar Fußballnation galt das Land als Zwerg. Das änderte sich schlagartig am 10. Oktober 2017, als sich die Nationalmannschaft mit einem 2:1Sieg gegen das Nachbarland Costa Rica zum ersten Mal für eine Fußballweltmeisterschaft qualifizierte. Staatspräsident Juan Carlos Varela sprach in den sozialen Netzwerken von einem historischen Sieg für das Land und erklärte den darauffolgenden Tag zum nationalen Feiertag: ein freier Tag für alle Beschäftigten und Schüler des Landes. La Sele, so nennt man die Nationalmannschaft in Kurzform, wurde überschwänglich gefeiert, in den Straßen versammelten sich tanzend und singend die Menschen – gefühlt war der WM-Pokal schon zum Greifen nahe.

Fußball ist in Panama ein junger Sport. Tradition haben aufgrund des langjährigen Einflusses der USA Sportarten wie Baseball, Basketball oder Boxen. Erst seit den 1980er-Jahren wurde Fußball nicht zuletzt aufgrund einzelner Talente, die in Spanien, Mexiko und anderen Ländern der Region Karriere machten, populär. Es gibt jedoch kaum eine gesellschaftliche Verankerung des Fußballs als Vereinssport, der integrativ wirkt und sich um den Aufbau von Jugendmannschaften kümmert.

Die Berichterstattung konzentriert sich auf die wenigen Stars. Es gibt nichts, was die Hauptstadt so paralysiert wie ein Spiel der Sele. Der Politik kommt das gelegen, lenkt es doch von unbewältigten Problemen des Landes ab. Korruption und Geldwäsche zählen in erster Linie dazu, aber auch die Tatsache, dass die Kluft zwischen Arm und Reich zu den größten der Welt zählt; und das in einem Land, in dem die Einnahmen aus den Kanalgebühren, die seit dem Jahr 2000 Panama allein zustehen, kräftig sprudeln.

Hoffnung und Perspektive für junge Menschen aus marginalisierten Teilen der Gesellschaft gibt die vor zehn Jahren gegründete Nichtregierungsorganisation Fútbol Con Corazón („Fußball mit Herz“). Einbezogen sind 4.000 Jugendliche aus rund vierzig Landgemeinden. Mit der Devise „Treffer/Tore, die die Welt verändern“ arbeiten die Jugendlichen in lokalen Projekten in ihrer Region. Diese nutzen die mobilisierende Kraft des Fußballs und sein pädagogisches Potenzial sowie die sozialen und gruppendynamischen Erfahrungen durch das Zusammenspiel in einer Mannschaft. Der Fußball als Mannschaftssport ist der zentrale Anker des Projekts. Hauptsponsor dieser Initiative ist die Stiftung Alberto Motta. Die Brüder Stanley und Alberto Motta haben ihren Reichtum mit der Fluggesellschaft Copa Airlines und Duty-Free-Geschäften erwirtschaftet. Auf diesem Weg fließt ein Teil des Geldes in die Entwicklung der Gesellschaft Panamas zurück.

Werner Böhler

Auslandsbüro in Costa Rica und Panama der Konrad-Adenauer-Stiftung

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