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Wissensdrang als beherrschender Zug

Zum Tod von Jörg-Dieter Gauger

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Als einen „der profiliertesten und anspruchsvollsten Analytiker bildungspolitischer Inhalte“ würdigte Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Jörg Dieter Gauger nach seinem Ausscheiden aus der Konrad-Adenauer-Stiftung, in der er von 1982 bis 2011 in verschiedenen leitenden Positionen tätig war. Der umfassend gebildete, intime Kenner der Antike, der gesamten Geschichte und Kultur hatte nach dem Studium der Geschichte, der Klassischen Philologie und der Politischen Wissenschaften (Promotion 1975) zunächst eine Hochschullaufbahn eingeschlagen, ein Ziel, das er nie aus den Augen verlor; 1996 habilitierte er und wurde 2002 außerplanmäßiger Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Wissensdrang war ein beherrschender Zug seiner Persönlichkeit. Auf der Grundlage eines christlichen Wertefundaments und klarer Überzeugungen äußerte er sich zu unterschiedlichsten Fragen wie Patriotismus, Föderalismus oder dem christlichen Menschenbild. Sein Schwerpunkt war aber die Kultur, Wissenschafts- und Bildungspolitik. Unzählige Tagungen (erinnert sei an die Gesprächskreise mit Georg Gölter, Anton Pfeifer und Norbert Lammert), Dokumentationen, Monografien und Analysen zeugen von seiner immensen Schaffenskraft.

Der hochgeschätzte Experte setzte einer ideologisch geprägten Schul- und Hochschulpolitik seine Konzeption einer „Bildung zur Persönlichkeit“ entgegen, die auf Leistungsorientierung, Dignität der Unterrichtsinhalte und Humanität im Bildungswesen basiert. Konkrete inhaltliche Akzente setzte er mit Kerncurricula in der Musikpädagogik oder einem Kanon des historischen Wissens, um dem Verschwinden des kulturellen Gedächtnisses entgegenzuwirken. Mit seiner Schulbuchuntersuchung „Deutsche und Polen im Unterricht“ erinnerte er an die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Erwähnt sei auch seine Studie „Kontinuität und Wandel – Bildungsbegriff und Bildungssystem in den Grundsatzerklärungen der CDU zwischen 1945 und 2011“.

Sachliche Auseinandersetzungen scheute er nicht, blieb aber seinem irenischen Naturell gemäß stets verbindlich. Er war ein einfühlsamer Kollege, der seine Person immer hinter der Sache und der Aufgabezurücktreten ließ. Die Krankheit seiner geliebten Frau, einer Gymnasiallehrerin, veranlasste ihn, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, um ihr beizustehen; sie starb im Juni 2013. Noch kurz vor seinem Tod konnte er stolz das mit ihr übersetzte und kommentierte Werk Die Fragmente der Historiker: Ephoros von Kyme und Timaios von Tauromenion anzeigen. Sein Tod hat mich tief getroffen; er war Freund und Weggefährte seit 1968.

 

Günter Buchstab, bis 2009 Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste / Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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