Katzen als Teil der Internet-Popkultur
Katzen faszinieren und unterhalten Menschen weltweit. Sie werden als niedlich und süß empfunden und vermögen es, uns allein schon beim Betrachten durch ihren eigenwilligen Charakter und ihr verspieltes Verhalten emotional zu berühren. Dementsprechend gehören Katzenbilder zu den bekanntesten Internet-Memes. Dabei handelt es sich überwiegend um sogenannte Bildmakros, mithin Fotos oder Zeichnungen mit darübergelegten Sprüchen, die oftmals entgegen ihrer ursprünglichen Entstehungsabsicht neu kontextualisiert und humoristisch kommentiert werden. Dasselbe gilt auch für die unzähligen Katzenvideos und -GIFs, die tagtäglich entstehen.
Die popkulturelle Bedeutung von solcherart Cat Content lässt sich vielfach anhand der Berichterstattung in den traditionellen Massenmedien beobachten und ist als Folge der kulturhistorischen Entwicklung dieser auch schon prä-digital vorhandenen Inhalte zu begreifen. Bereits um 1870 begann der britische Fotograf Harry Pointer damit, Katzen in verschiedenen Posen als Motive für Grußkarten zu fotografieren und lustig zu beschriften. Eine erste Bewegtbild-Aufnahme von Thomas Edison zeigte dann 1894 zwei Katzen mit Boxhandschuhen im Ring. Später fanden komische Katzenbilder auch Eingang in Kinderbücher oder wurden mit originellen Claims auf Werbematerialien gedruckt.
Cat Content, wie wir ihn heute kennen, entstand schließlich mit der Verbreitung des Internets in den 1990er Jahren. Über E-Mail-Listen wurden einschlägige Fotos getauscht, auf Websites, in Foren und Blogs massenhaft hochgeladen. Augenzwinkernd wurden Katzenbilder als Sinn und Zweck des Internets benannt und übertrumpften damit sogar die Pornografie. Seit 2006/07 gibt es eine Flut von „LOLcats“: Katzen-Schnappschüsse mit aufmontierten Sprüchen in zum Teil bewusst falscher Rechtschreibung und Grammatik. Berühmte Beispiele dafür sind Happy Cat, die Klavier spielende Katze oder auch Grumpy Cat, die immer schlecht gelaunt dreinblickt.
Facebook/The Official Grumpy Cat
Nichts wird in den sozialen Medien letztlich so zuverlässig geklickt wie süße Katzenbilder, eigens inszeniert, mit Photoshop bearbeitet oder neuerdings KI-generiert. Das gilt sowohl für Werbe-Ikonen wie Karl Lagerfelds Katze Choupette mit einem eigenen Instagram-Account (264.000 Follower) als auch für Cat Content, der für die Wahrnehmung politischer Inhalte im Netz bedeutsam ist.
Cats for President
Von den insgesamt 46 Präsidenten der USA hatten elf nachweislich Katzen als Haustiere. Die ersten von ihnen waren Tabby und Dixie; sie gehörten Abraham Lincoln. Bei den Kennedys lebte der Kater Tom Kitten. Gerald Ford und Jimmy Charter hatten Siamkatzen. Eine gewisse Popularität als Objekt internationaler Presseberichterstattung erlangte Bill Clintons Kater Socks als „First Cat“. Mit Georg W. Bush und seiner Frau Laura zog im Jahr 2000 die American-Shoorthair-Katze India ins Weiße Haus ein, die zu Weihnachten auch in den „Barney Cam“-Videos zu sehen war. Joe und Jill Biden haben ebenfalls eine Katze: Willow, die von einer Farm in Pennsylvania stammt und es sich in der Nacht gern einmal auf dem Kopf des Präsidenten gemütlich macht. Im Juni 2022 erschien ihre Geschichte unter dem Titel „Willow the White House Cat“ als Kinderbuch. Wie Lagerfelds Choupette hat auch Bidens Katze einen eigenen Instagram-Kanal (81.200 Follower).
Spannender noch als die Nachrichten über die samtpfotigen Bewohner des Weißen Hauses dürfte indes der Cat Content sein, der bislang im Zusammenhang mit den US-Wahlen veröffentlicht wurde. So kandidierte 2016 offiziell ein Kater namens Limberbutt aus Louisville, Kentucky, für das Präsidentenamt, dessen Facebook-Seite fast 11.000 Abonnenten hatte. Gegen die viral gehende Social-Media-Kampagne „Trump your Cat“ bei Facebook, Twitter & Co. war er freilich chancenlos. Hierbei kämmten Katzenbesitzer ihren Schützlingen eine Tolle ins Fell, die an die markante Frisur von Donald Trump erinnern sollte, und stellten dann die Vergleichsbilder ins Netz.
X/niffer88
Bei den Präsidentschaftswahlen 2024 scheinen Katzen die Kampfarena im digitalen Raum zu dominieren. Auf allen wichtigen Plattformen verbreiten die Anhänger beider politischer Lager eine Unmenge von Cat Content in vielfältiger Form. Im Unterschied zu 2016 ist es aber nicht mehr nur das Trump-Team, das die Logik und die Aufregungszyklen sozialer Medien erfolgreich für sich zu nutzen weiß. Die Demokraten um Kamala Harris und Tim Walz haben mindestens gleichgezogen und ihre Gegner mit unzähligen Bildmakros und Videoschnipseln als „weird“ verspottet. „The left can’t meme“, gilt also offenbar nicht für den aktuellen Social-Media-Wahlkampf. Für die Kandidaten geht es jetzt vor allem darum, im doppelten Sinne besonders „memeable“ (einprägsam, Meme-fähig) und darüber hinaus für die jüngeren Wählergruppen auch auf TikTok präsent zu sein, wo der Cat Content geradezu explodiert. Hinweggewischt scheinen vorerst alle nationalen Sicherheitsbedenken, die für ein TikTok-Verbot in den USA gesprochen hätten. Donald Trump ist dem Netzwerk bereits Anfang Juni beigetreten (12,6 Mio. Follower), Kamala Harris dann ein paar Wochen später, Ende Juli 2024 (6,4 Mio. Follower). Ebenso haben ihre Vize-Kandidaten J. D. Vance und Tim Walz dort einen Account mit 1,5 Mio. bzw. 1,8 Mio. Followern.
Gleichwohl spielt nach wie vor der Kurznachrichtendienst Twitter/X in der politischen Kommunikation der USA eine überragende Bedeutung, auch wenn dieser nur etwa von einem Fünftel der amerikanischen Bevölkerung überhaupt genutzt wird. Die Übernahme der Plattform durch Elon Musk im Herbst 2022 hat daran nichts Wesentliches geändert. Ganz offen unterstützt der Tech-Milliardär im Wahlkampf Donald Trump (92 Mio. Follower) und seine MAGA-Republikaner und spendet ihrer Kampagne monatlich 45 Mio. Dollar.
Auf X wird folglich auch der meiste Cat Content verbreitet. „Wer hätte gedacht, wie einflussreich Katzen bei dieser Wahl sein würden“, wunderte sich hier am 11. September ein 62-jähriger Schauspieler und Stahlarbeiter aus New Jersey.
In der Zeit vom 15. Juli bis zum 20. Oktober 2024 waren es 3,3 Mio. X-Beiträge mit einer potenziellen Reichweite von 9,5 Mrd., die 20,8 Mio. Interaktionen von Nutzerinnen und Nutzern auslösten. Das digitale Rauschen auf der Plattform erreichte im Zeitverlauf drei Peaks: die Empörung über J. D. Vance’ „kinderlose Katzenfrauen“, Taylor Swifts Wahlempfehlung für Kamala Harris und die Aufregung um haitianische Migranten in Springfield, Ohio, die angeblich Katzen klauten, um sie zu essen.
Talkwalker
Kinderlose Katzenfrauen und ihre Anhänger
In der für ihn desaströsen TV-Debatte am 28. Juni 2024 warf Joe Biden, damals noch der Kandidat der Demokraten, seinem Herausforderer Donald Trump vor, er besitze die Moral eines Straßenkaters („Alley Cat“). In der Folge tauchten in den sozialen Netzwerken erste Katzen-Memes im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl auf.
X/DavidLWalters
Den Anstoß für den Katzenhype im hochpolarisierten Wahlkampf gab jedoch eine Äußerung von Trumps „Running Mate“ J. D. Vance aus dem Jahre 2021, die im Zuge des gesteigerten Medieninteresses an seiner Person nach der Nominierung als republikanischer Vizepräsidentschaftskandidat Mitte Juli 2024 aus den Tiefen des Netzes wieder an die Oberfläche gespült worden war. In einem Interview mit dem damaligen Fox-News-Moderator Tucker Carlson hatte er Politikerinnen wie Vizepräsidentin Kamala Harris als „kinderlose Katzenfrauen“ beschimpft, die in ihrem eigenen Leben und mit den Entscheidungen, die sie getroffen hätten, unglücklich seien und deshalb wollten, dass sich das ganze Land miserabel fühle. Gemeint waren hier liberal gesinnte Frauen, gut ausgebildet und alleinstehend, die in Großstädten lebten, Karriere machten und sich nicht in die Rolle der traditionellen Hausfrau und Mutter fügten. Die „Cat Lady“ ist demnach das Gegenbild zu den auf Instagram gerade sehr beliebten „Tradwives“, die sich perfekt um Küche und Kinder kümmern und für die ein liebender, sie materiell versorgender Ehemann alles ist. Überdies steht „Cat Lady“ in den USA aber auch als Synonym für „crazy“, für eine verrückte Frau. So kommt zum Beispiel in der erfolgreichen Zeichentrickserie „Die Simpsons“ eine Crazy Cat Lady als Figur vor: Eleanor Abernathy, die Kauderwelsch redet, sabbert und nach Fremden auch gern einmal mit einer ihrer Katzen wirft.
Simpsons Wiki – Fandom, lizensiert nach CC BY-SA
Vance’ Bemerkungen über „kinderlose Katzenfrauen“ lösten einen Sturm der Entrüstung aus. In den sozialen Medien meldeten sich nicht nur zahlreiche Katzenbesitzer zu Wort, weil sie sich diffamiert fühlten. Auch Kamala Harris’ Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Walz, betonte wiederholt seine Liebe zu Katzen und wurde deshalb vor allem auf TikTok als „Cat Dad“ gefeiert.
TikTok/dailymail
Solidarisch zeigten sich ebenfalls die Fans der Pop- und Countrysängerin Taylor Swift und verwiesen darauf, dass der Megastar ebenfalls kinderlos sei und eine Katze habe. Mit einem eigenen Logo formierten sich die von Vance geschmähten Frauen auf verschiedenen Plattformen als „Cat Ladies for Kamala“ zur Unterstützung der demokratischen Präsidentschaftskandidatin – bei Facebook als öffentliche Gruppe mit über 114.000 Mitgliedern, bei Instagram mit 35.000 und bei TikTok mit fast 60.000 Followern.
Facebook Groups/Cat Ladies for Kamala Harris
Vance’ Äußerungen von 2021 wurden vor allem als frauenfeindlich gewertet. „Dass ein möglicher Vizepräsident der Vereinigten Staaten so etwas von sich gibt, ist kaum zu glauben“, empörte sich die 55-jährige Hollywood-Schauspielerin Jennifer Aniston am 25. Juli in ihrer Instagram-Story. „Ich bete, dass Ihre Tochter eines Tages das Glück haben wird, eigene Kinder zu bekommen. Und wenn das nicht passiert, wünsche ich ihr, dass sie nicht auf eine künstliche Befruchtung zurückgreifen muss, denn diese Option wollen Sie ihr ja gleichfalls nehmen.“
Es sei „ekelhaft“, dass Aniston seine erst zweijährige Tochter erwähnt habe, beschwerte sich Vance daraufhin in der „Megyn Kelly Show“, dem reichweitenstarken Podcast einer ehemaligen Fox-News-Journalistin. Ansonsten versicherte er lächelnd, dass er nichts gegen Katzen habe. In einem Interview mit dem Sender NBC News am 25. August antwortete er auf die Frage, ob er sich wünsche, den Kommentar über die „kinderlosen Katzenfrauen“ nie gemacht zu haben: „Ich bereue vieles, [...], aber dass ich vor drei Jahren einen Witz gemacht habe, gehört nicht zu den Top-Zehn auf meiner Liste.“ Er bedauere selbstverständlich, dass viele Leute das falsch aufgefasst hätten. Aber er werde auch künftig weiter „Witze“ machen und Dinge „sarkastisch“ formulieren.
Meme-Sturm gegen Trumps Vize-Kandidat
Die millionenfache Empörung im Netz über Vance’ Katzenfrauen-Statement verdeutlicht exemplarisch den enormen Stellenwert, den die sozialen Medien im Präsidentschaftswahlkampf 2024 haben. Sie wirken wie ein Brandbeschleuniger. In Sekundenschnelle werden Inhalte, Trends und Stimmungen, Fake-News und Verschwörungstheorien in großer Zahl verbreitet und dann in subjektiver Wahrnehmung bewertet und kommentiert, was zumeist eskalierenden Charakter hat. Zweifelsohne geht es in den sozialen Medien nicht um komplexe Argumentationen und sachliche Auseinandersetzungen, sondern um Emotionen und einfach formulierte Botschaften, in harten Wahlkämpfen oftmals auch um persönliche Angriffe unterhalb der Gürtellinie.
Im Wahlkampf 2024 wird insofern eine neue Qualität erreicht, als hier erstmals in größerem Umfang nicht nur aktuelles Material von Live-Übertragungen und anderen Gelegenheiten genutzt wird, um O-Töne zugunsten der eigenen Agenda zusammenzustellen und zu teilen, sondern auch viel vergangenes Material. Trumps Vize-Kandidat J. D. Vance, der sich 2021 vom scharfen Kritiker zum größten Cheerleader des Ex-Präsidenten gewandelt hatte, musste dies schmerzlich erfahren. In den ersten Wochen nach seiner Nominierung verbrachte er die meiste Zeit damit, frühere Äußerungen in plötzlich auftauchenden alten Videos, E-Mails und Chat-Nachrichten zu erklären und sich dafür zu rechtfertigen. Um ihn tobte eine regelrechte Schlammschlacht in den sozialen Medien, bei der es nicht ohne massenkompatiblen Cat Content abging. So wurden etwa unter dem Hashtag #CatsAgainstVance zahllose Katzen-Memes erstellt und hochgeladen.
X/JayeJaybird54
Auf Instagram haben es die „Cats on a Couch“ zu ihrem Ziel erklärt, mehr Follower auf der Plattform zu haben als J. D. Vance, was allerdings bislang nicht gelungen ist. Vance folgen dort aktuell 665.000 Nutzerinnen und Nutzer, „Cats on a Couch“ nur 182.000. Der Account-Name, der sich auch auf Facebook und TikTok findet, ist wohlüberlegt, weil er die Anspielung auf die Katzenfrauen mit einem bösartigen Gerücht kombiniert, das im Juli unmittelbar nach dem Republikaner-Parteitag in Milwaukee, Wisconsin, mit einem Witz auf X begann. Ein Nutzer behauptete damals, dass Trumps Vize-Kandidat in seinem Bestseller „Hillbilly Elegy“ von 2016 geschrieben hätte, er habe Sex mit einem umgedrehten Latexhandschuh zwischen den Polstern eines Sofas gehabt. Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur AP widerlegte die Geschichte als unwahr. Doch ist sie seitdem in der digitalen Welt und somit auch in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler. Folglich wimmelt es im Netz von Memes, die diese Falschbehauptung humoristisch aufgreifen.
Facebook/Cats on a Couch
Fortsetzung in Teil 2...
Matthias Krüger, geboren 1972, ist ein studierter Historiker. Er arbeitet als Referent in der Abteilung Medienanalyse und -archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung und verantwortet dort verschiedene Publikationsprojekte und den Bereich von Social Media Monitoring und Social Listening.