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Neuauflage des Methusalem-Duells?

Die US-Präsidentschaftswahl 2024 wirft ihre Schatten voraus. Kai-Uwe Hülss über Vorwahlen, den Super Tuesday, Nominierungsparteitage und zu guter Letzt – die eigentliche Wahl am 5. November 2024. Wer tritt an?

Die Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika: Sie wurden umjubelt und gehasst, sie haben polarisiert und mobilisiert. So auch in Deutschland. Als John F. Kennedy vor 60 Jahren West-Berlin besuchte, säumten, während er mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt im offenen Wagen durch die Stadt fuhr, mehr als zwei Millionen Menschen die Straßen.

Der letzte US-Politiker, der in Deutschland mit Jubelstürmen empfangen wurde, war Barack Obama. Noch bevor er die Präsidentschaftswahlen gewann, folgten am 24. Juli 2008 200.000 Bürger an der Berliner Siegessäule seiner Rede. Weniger umjubelt, ja nahezu verhasst, waren hingegen die Präsidenten George W. Bush und Donald J. Trump. Nach Bushs Entscheidung, im Irak militärisch zu intervenieren, demonstrierten Hunderttausende auf deutschen Straßen. Trumps polternde und populistische Präsidentschaft polarisierte ohnehin.

Egal welchen Empfang man ihnen in Deutschland bereitete, eines war den Hausherren der 1600 Pennsylvania Avenue allen gemeinsam: Ihre Worte und ihre politischen Entscheidungen wirkten sich auf die Politik, die Wirtschaft, die Sicherheit und auch auf das Leben in Deutschland aus. So war es nach Ende des Zweiten Weltkriegs, und so blieb es in den nachfolgenden Jahrzehnten – bis heute.

 

Die US-Präsidentschaftswahl 2024 

Daher wird in Deutschland auch alle vier Jahre mit Spannung der Dienstag nach dem ersten Montag im November erwartet: 2024 ist sie am 5. November: Die Präsidentschaftswahl in den USA. Doch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist nicht nur alles größer, strahlender und teurer – auch Wahlkämpfe sind sehr viel länger als wir es in Deutschland gewohnt sind.

Im Januar 2024, zehn Monate vor der eigentlichen Wahl, starten die innerparteilichen Vorwahlen. In jedem der 50 Bundesstaaten und den US-Territorien wird darüber abgestimmt, welche Politiker ihre jeweiligen Parteien in den Hauptwahlkampf führen sollen. Höhepunkt der Vorwahlen ist der Super Tuesday – diesmal der 5. März 2024: An diesem Tag wird in so vielen Bundesstaaten gewählt wie an keinem anderen. Die letzten Vorwahlen finden dann im Juni statt.

Auf die Vorwahlen folgen die Nominierungsparteitage. Die Republikanische Partei nominiert ihren Präsidentschaftskandidaten auf ihrem Parteitag vom 15. bis 18. Juli 2024 in Milwaukee, Wisconsin. Einen Monat später, vom 19. bis 22. August 2024, hält die Demokratische Partei ihren Nominierungsparteitag in Chicago, Illinois ab.

Nach den Nominierungsparteitagen geht es üblicherweise mit den Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten weiter. Zum erste Mal übrigens 1960 – mit Kennedy und Nixon.

Am 5. November 2024, der Tag, an dem auch das komplette U.S. Repräsentantenhaus und ein Drittel des U.S. Senats neu gewählt werden, findet der Wahlkampf dann endlich sein Ende.

 

Die demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen

2021 zog der achtundsiebzigjährige Joe Biden ins Weiße Haus ein. Nie zuvor war jemand in so hohem Alter in das Amt des US-Präsidenten gewählt worden.

Joe Biden hat seine Amtszeit, ob außen- oder innenpolitisch, der Stärkung der Demokratie verschrieben. Und er sieht seine Mission noch nicht erfüllt – weder in den USA noch angesichts der Verwerfungen in der Welt international. Daher will er sich erneut zur Wahl stellen.

Sollte er im Januar 2025 ein zweites Mal ins Amt eingeführt werden, wäre er 82 Jahre alt. Ein Umstand, den die Mehrzahl der US-Amerikaner kritisch sieht. Was wenig erstaunt, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines US-amerikanischen Mannes laut der US-Gesundheitsbehörde CDC 73,5 Jahre beträgt.

Der demokratische Abgeordnete Dean Phillips wirbt für einen Generationenwechsel im Weißen Haus und hat im Oktober 2023 bekanntgegeben, bei den innerparteilichen Präsidentschaftsvorwahlen gegen Joe Biden anzutreten. Der 54-Jährige ist einer der reichsten Abgeordneten und gehört dem sogenannten „Problem Solver Caucus“ an, einer überparteilichen Arbeitsgruppe von zumeist moderaten Abgeordneten des U.S. Repräsentantenhauses. Sollte sich allerdings an Joe Bidens guter körperlicher Verfassung nichts ändern, dürfte ihm die erneute Nominierung kaum zu nehmen sein.

 

Die republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen

Erstmals seit Grover Cleveland 1893 (22. und 24. Präsident der Vereinigten Staaten) möchte mit Donald Trump ein ehemaliger Präsident nach vierjähriger Unterbrechung erneut in das Weiße Haus einziehen. Es wäre seine dritte Nominierung für die republikanische Präsidentschaftskandidatur in Folge, und seine Chancen stehen nicht schlecht. Der siebenundsiebzigjährige ehemalige Immobilienmogul und TV-Star ist bei der republikanischen Basis immer noch sehr beliebt, und er führt die repräsentativen Umfragen zu den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen unangefochten an.

Seine größten innerparteilichen Konkurrenten sind Ron DeSantis und Nikki Haley. Der erst fünfundvierzigjährige DeSantis – seit 2019 Gouverneur von Florida –ist dem rechtspopulistischen Flügel zuzuordnen. Er versucht, sich als wählbarere Alternative zu Trump zu positionieren. Im Vorwahlkampf konzentrierte sich DeSantis bislang auf die Verschärfung des ohnehin immer stärker werdenden Kulturkampfes zwischen konservativem und linksliberalem Amerika.

Einen kontinuierlichen Aufwärtstrend in den Umfragen verzeichnete in den vergangenen Monaten Nikki Haley. Ihr Leben ist eine typische US-amerikanische Erfolgsgeschichte: Die Tochter indischer Einwanderer übernahm als Jugendliche die Buchhaltung in der Firma ihrer Mutter, sie wurde Gouverneurin von South Carolina und US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Haley vertritt klassisch republikanische Werte.

Zwei prominente Republikaner, der ehemalige Vizepräsident Mike Pence und U.S. Senator Tim Scott, hatten ihre Präsidentschaftskandidaturen schon vor Beginn der Vorwahlen zurückgezogen. Für die verbliebenen Kandidaten, die sich als Alternative zu Trump positionieren, ist das von Vorteil. Um Trump jedoch ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, müsste das Teilnehmerfeld vor dem Super Tuesday noch weiter schrumpfen.

 

Das Trump-Mysterium

Zwei Amtsenthebungsverfahren, vier Anklagen, Leugnung des Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl 2020, Anstiftung zum Sturm auf das U.S. Kapitol und eine Mitverantwortung für republikanische Wahlniederlagen in den Jahren 2018, 2020 und 2022. Und doch ist es nicht unrealistisch, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Konservative Amerikaner schätzen an Trump seine Authentizität und eine – aus ihrer Sicht –erfolgreiche innenpolitische Bilanz seiner Präsidentschaft. Dazu gehören die erfolgreiche Nominierung von drei konservativen Verfassungsrichtern, Steuersenkungen und eine vor Ausbruch der Corona-Pandemie niedrige Arbeitslosenquote. Und nicht zuletzt profitiert Donald Trump von den weltweiten Krisen und der Unbeliebtheit von Präsident Biden.

 

Die Hauptwahl

Die aktuellen Umfragen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Vor allem Joe Bidens Unbeliebtheit könnte sie verzerren. Zwar führt Trump, Stand November 2023, die meisten Umfragen in den wahlentscheidenden Swing States an – vor allem in der Wirtschafts- und Migrationspolitik wird ihm eine höhere Kompetenz zugeschrieben. Und doch könnten viele Befragte –möglicherweise demokratisch Gesinnte – auch nur einen Warnschuss Richtung Biden-Administration abgegeben haben.

Präsident Bidens Agenda wird sich auf den letzten Metern kaum ändern: Er wird sich vornehmlich auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung und die Senkung der Inflation fokussieren. Er wird versuchen, die Zahl illegaler Grenzübertritte zu verringern. Und sein außenpolitisches Augenmerk liegt auf der Eindämmung von Kriegen (Ukraine, Naher Osten) – ohne die Beteiligung von US-Soldaten. Joe Biden muss politische Ergebnisse liefern. Will er jedoch in einem Jahr gegen seinen republikanischen Herausforderer bestehen, muss er noch kräftig an seiner Außendarstellung feilen. Eine Neuauflage des Duells zwischen Präsident Biden und Trump gilt zwar als nicht unwahrscheinlich. Doch eine Wunschkonstellation wäre sie für die Mehrheit der Bevölkerung nicht.

Vielleicht wird auch ein sogenannter Drittkandidat – also weder Demokrat noch Republikaner – wahlentscheidend. Schon 1992 und 2016 haben Ross Perot bzw. Jill Stein das Endergebnis stark beeinflusst. 2024 stellt sich mit Robert F. Kennedy Jr. schon ein prominenter Drittkandidat zur Wahl. Um auf den Wahlausgang Einfluss zu nehmen, braucht er kein ausgefeiltes Programm. Es reicht ein Onkel: Jener John F. Kennedy, dem die Berliner einst frenetisch zujubelten.

 

Kai-Uwe Hülss ist Politikwissenschaftler und Soziologe mit den Schwerpunkten in politischer und gesellschaftlicher Kultur, Demokratieforschung sowie der Ökonomie.  Studium an der Georg-August-Universität Göttingen, Universität Rostock und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Mit den Blog "1600 Pennsylvania“ versucht er in polarisierenden Zeiten tiefgehend, unaufgeregt und differenziert über US-Politik zu informieren und diese zu analysieren.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

 

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