Event reports
Innerhalb dieser Veranstaltung wurde ein runder Tisch zum Thema „Dritte industrielle Revolution“ abgehalten mit deutschen und brasilianischen Experten, die einen bedeutenden Beitrag zum gelingen dieser wichtigen Veranstaltung leisteten. Nachdem der Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien, Dr. Thomas Knirsch, die Anwesenden begrüßt hatte, führte der Projektkoordinator der KAS Gregory John Ryan, der außerdem für die Moderation der Runde verantwortlich war, die Thematik der Diskussion durch einen ersten knappen Überblick ein.
Nachdem er den Teilnehmern das Diskussionsformat (fishbowl, Aquarium) erklärt hatte, übergab er das Wort an den ersten Spezialisten der Runde,den ehemaligen Abgeordneten und Exekutivsekretär des Forums für Klimawandel und Biodiversität in São Paulo und außerdem Mitglied des Rates von Greenpeace International.
Feldman begann mit einer kurzen Reflexion über Rio+20. Er empfand die Erwartungen, die im Vorhinein an dieses Event gerichtet wurden als zu groß. Was er letztendlich erlebt hatte war eine Veranstaltung, die durch stockende Momente, Schwierigkeiten bei der Festlegung einer Agenda für die Zukunft und wenige, wirklich relevante Ergebnisse gekennzeichnet war.
Feldmann zufolge hofften viele der anwesenden Staatsvertreter und Diplomaten sowie die große Mehrheit der Umweltschützer allgemein, dass die versammelten Führenden der Welt eine Vereinbarung finden würden um die UNO hinsichtlich ökologischer Initiativen zu stärken, insbesondere das Umweltprogramm der UNO (UNEP). Das Ziel wäre gewesen, das Programm zu einer eigenen Abteilung zu transformieren, die konstitutionell mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, und Kultur (UNESCO) vergleichbar wäre. Diese neue Abteilung wäre weitreichend autonom, in dem Sinne, dass sie die Debatte über die Dinge, die verändert werden müssen um die Welt nachhaltiger zu machen, sehr viel effektiver einleiten und begleiten könnte. Diese Hoffnung scheint vorerst jedoch auf Eis gelegt, da man sich auf nichts Spezifisches hatte einigen können. Herr Feldman hatte jedoch bemerkte, dass das Abschlussdokument von Rio+20 einige Formulierungen enthält, die immer noch zu dem ursprünglichen Ziel führen könnten.Diese seien allerdings sehr allgemein gehalten. Außerdem stünden noch viele Hindernisse bevor, sodass die Transformation in eine autonome Abteilung noch viele Jahre dauern kann. Viele Jahre, die der Welt nicht mehr zur Verfügung stehen, meinte Feldmann.
Der Sekretär sagte, dass das Treffen sich mehr auf die Eindämmung der Armut und der Not in der Welt konzentrierte, wenig jedoch über die Grenzen des Planeten gesprichen wurde. Seiner Meinung nach wurde viel über die Frage des Konsums und die neue wachsende Mittelklasse diskutiert, aber einige wichtige Schlüsselthemen wurden beiseite gelassen. Er erinnerte desweiteren an die Abwesenheit einiger wichtiger Staatschefs wie zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama, was für ihn nur noch einmal den Mangel an Priorität bestätigte, die diesem Event zugesprochen wurde. Daher glaubt Feldman, wie viele andere Experten auch, dass das in Cancun während der UN Klimakonferenz 2010 festgelegte Ziel, dass die globale Temperatur nicht um mehr als 2 Grad Celsius ansteigen darf, nicht mehr erreichbar ist. Dies wiederum ist der Grund dafür, dass der Anstieg der Temperaturen weltweit, weiterhin die große Herausforderung des Planeten sein wird und man in diesem Sinne neue Strategien entwickeln müsste, um diesem Problem zu begegnen.
Feldmann lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf die wichtigen Aufgaben im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen. Solche Verhandlungen beinhalten per Definition Staaten, die normalerweise durch Politiker und Diplomaten geführt werden und den Wissenschaftlern nur eine unterstützende Rolle zukommen lassen. Folglich finden diese Verhandlungen in einer rein politischen Sphäre statt und basieren nicht auf gründlich wissenschaftlichen Befunden. Das macht es für die Weltgemeinschaft quasi unmöglich adäquate Antworten auf das immer größer werdende Klimaproblem und die Umweltzerstörung zu finden, da sich die politischen Verhandlungen oftmals als Nullsummenspiele herausstellen. Desweiteren bedauert er den wachsenden Einfluss der Gruppe der so genannten „Klimaskeptiker“. Diese würden oftmals, gegen bewiesene Fakten, falsche Argumente verbreiten und unwissenschaftliche Theorien aufstellen. Damit stiften sie viel Unsicherheit und Verwirrung in der öffentlichen Debatte, was es für die Bevölkerung wiederum schwierig macht, sich eine klare Meinung über dieses brisante Thema des Klimawandels zu bilden.
Seiner Ansicht nach ist es notwendig, dass die Regierungen die Entwicklung und die Implementation der Green Economy nachweislich demonstrieren und damit die Synergie zwischen dem Unternehmens-, Umwelt- und Konsumsektor schaffen. Letzterer spiele, Feldmann zufolge, die fundamentalste Rolle, weil es bei ihm liegt bei den Unternehmen ökologisch nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nachzufragen. Zum Schluss betonte er, dass auch eine technologische Revolution notwendig sei, um den Umweltproblemen zu begegnen, sie allein aber nicht ausreichen würde.
Im Anschluss hielt Dr. Artur Ulbrich, Direktor Projects & Engineering da E.ON International Energy, einen kurzen Vortrag über EON, die größte Strom und Gas Firma in Europa. Er erklärte die Unterschiede bei der Verteilung und Erzeugung von Elektrizität in Brasilien und Deutschland. Dr. Ulrich erinnerte daran, dass in Deutschland die größte Energienachfrage im Süden des Landes herrsche, wo die meiste Industrie angesiedelt ist, die größte Energieproduktion aber im Norden stattfinde. Mit dieser Analyse zeigte er, dass trotz der vielen Fortschritte, die bei der Erzeugung der Energie gemacht wurden, das Land Probleme beim Transport und Speicherung der Energie habe.
Durch die wachsende Nachfrage nach grüner Energie und den Fortschritten bei der Wind- und Solarenergie wird die Speicherung der elektrischen Energie immer wichtiger, sagte er. Letztlich sei das Problem mit der Solar- und Windenergie, dass das Klima sich nicht notwendigerweise nach der Energienachfrage der Haushalte richte. Der Wind ist nachts oft stärker, wenn der Energieverbauch gering ist und die Sonne kann tagsüber von Wolken verdeckt sein, wenn der Energieverbrauch hoch ist. Daher war die Speicherung von Energie stets eine Herausforderung. Es wäre zwar technisch möglich die Energie in Batterien zu speichern, praktisch seien diese aber ineffizient und teuer. Ein anderer Ansatz sei der Gebrauch von Wasserkraftwerken zur Speicherung. Wann immer überschüssige Energie vorhanden sei, benutzt man sie um das Wasser in die Wasserreservoires zu pumpen. Wenn die Nachfrage zunimmt und die meteorologischen Bedingungen für die Energieproduktion aus Wind und Sonne nicht ausreichen, öffnet man die Schleusen der Dämme und das dort gelagerte Wasser erzeugt Energie. Aber da Deutschland nur begrenztes Wasserkraftpotential hat, müssen andere Lösungen gefunden werden. Eine vielversprechende Idee ist die Transformation der ungenutzten Energie in Wasserstoff oder Methan.
Anders sei die Situation in Brasilien, das Land sei im Besitz enormer Energievorkommen. Es bestünde nicht nur großes Potenzial an Energiegewinnung durch Wasserkraft, sondern auch gute Voraussetzungen für die Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie.
Dieses Potenzial sei ausreichend um den Eintritt von EON auf den brasilianischen Energiemarkt zu legitimieren. Dr.Ulbrich zeigte sich besorgt und sprach zusammenfassend von der Schwierigkeit, Energie auf eine ausschließlich nachhaltige Art und Weise erzeugen zu wollen. Dies sei zukünftig eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gelte, so Ulbrich.
Dritter Experte der Gesprächsrunde war Dr.Arnd Helmke, Koordinator für Klimapolitik und Energieeffizienz der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Er sprach von der Wichtigkeit, die das Land Brasilien, als einziger Partner für Deutschland in Südamerika habe und betonte das große Potenzial Brasilien, bedingt durch den enormen Energievorrat. Die momentane Situation müsse nicht als dritte Revolution, sondern als eine nötige Lektion betrachtet werden.
Dr. Eduardo Viola, Professor für internationale Beziehungen und Umweltpolitik an der Universität von Brasilia, bot eine umfassende Analyse der Umweltprobleme. Er sagte, dass er noch vor wenigen Jahren viel optimistischer gewesen sei, dass die Menschheit fähig sein werde die notwendigen Hindernisse zu überwinden. Jedoch habe er, angesichts der jüngsten Entwicklungen und der Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft ein adäquates Abkommen zu treffen, diesen Optimismus ein Stück weit verloren.
Im Hinblick auf die im Vorhinein getroffene Aussage von Fabio Feldmann, der Verbraucher müsse die Art sein Leben zu führen anpassen, führte Dr.Viola psychologische und neurowissenschaftliche Studien, deren Ergebnis darauf hindeutet, dass Menschen im Allgemeinen unfähig seien eingefahrene Lebensmuster zu durchbrechen, wenn es dafür keine starken, direkt wahrnehmbaren Anreize gebe. Selbst wenn ein Individuum – oder die Gesellschaft als ein Ganzes – sich der Gefahr eines potentiellen Desasters für sich selbst oder die nächste Generation, das durch ein nicht nachhaltig geführtes Leben hervorgerufen werden kann, bewusst ist, scheint Veränderung trotzdem unmöglich zu sein. Die gleichen Studien zeigten vielmehr, dass die Menschen erst zur Veränderung fähig sind, wenn die traumatische Erfahrung schon passiert ist bzw. nach dem sich das Desaster materialisiert hat.
Bezüglich der Frage ob die Gesellschaft über die klimatischen und ökologischen Probleme informiert sei, antwortete er mit einem entschiedenen Nein. Dieser Mangel an Verständnis führe dazu, dass die Bedeutung und Dringlichkeit der kommenden Klima- und Umweltkatastrophen absolut unterschätzt würden. Dies wiederum habe zue Folge, dass die Umweltfrage nicht besonders weit oben auf der politischen Agenda stehe, da damit nur wenig Stimmen gewonnen werden könnten.
Zum Ende seines Vortrags sprach sich Dr. Viola für eine gezielte Informationkampagne und die verstärkte Einbindung von umweltpolitischen und wissenschaftlichen Themen in den Lehrplan der Schulen aus. Nur wenn die Gesellschaft gut über die Klima- und Umweltsituation informiert sei, würden die Leute Druck auf die Politiker in diese Richtung ausüben.
Anschließend an die Rede gab es Raum für den offenen Dialog zwischen Experten und Auditorium. Diese Möglichkeit der aktiven Beteiligung seitens des Publikums fand großen Anklang. Der Großteil der Meinungen bezog sich hierbei auf die Frage, inwiefern es möglich sei, über solch eine komplexe und technische Thematik zu diskutieren, wenn die Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung derzeit mit anderen, für sie grundlegenderen Problemen beschäftigt sei. Wohn-, Bildungs- und Struktur in Arbeits- und Gesundheitssystem seien seien noch immer für die meisten Bürger nicht ausreichend verfügbar. Im Verlauf der Diskussion wurde deutlich, welche Themen für das Land derzeit die Bedeutensten sind.