Country reports
Die politische Landschaft in Simbabwe hat in den vergangenen sechs Monaten Umbrüche erlebt, welche in den 38 Jahren Herrschaft der ZANU-PF nur selten zu beobachten waren. Die Politik wurde im 21. Jahrhundert stets von zwei alles überragenden Figuren dominiert: Robert Mugabe und Morgan Tsvangirai. Nachdem Mugabe im November 2017 mithilfe des Militärs zum Rückzug gezwungen wurde und ihm sein langjähriger Weggefährte Emmerson Mnangagwa als Präsident nachfolgte, erlag Oppositionsführer Morgan Tsvangirai am 14. Februar 2018 in Johannesburg einem langjährigen Krebsleiden. Die Konstanten, welche die politische Arena dominierten, sind damit innerhalb kürzester Zeit verschwunden.
Der Zustand der dominierenden Parteien, ZANU-PF und MDC-T, welche um die Stimmen der ca. 5,5 Millionen registrierten Wähler ringen, kann als bedenklich betrachtet werden. Nachdem in beiden Lagern die alles dominierenden Persönlichkeiten verschwunden sind, ist der innerparteiliche Wettstreit um Einfluss und Positionen auf beiden Seiten entbrannt. Die Politik der Öffnung und des demokratischen Wandels, welche Präsident Mnangagwa propagiert, ist innerhalb des Regierungslagers nicht unumstritten. Die Gegner dieser Politik befürchten, dass Mnangagwa allzu viel aufgibt und damit den Interessen der herrschenden Machtelite schaden könnte. Dies ist vor dem Hintergrund der engen Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Militär in Simbabwe keine Überraschung.
Die National Patriotic Front (NPF), welcher man Nähe zum abgesetzten Robert Mugabe nachsagt, kann als Ausdruck dieser Unzufriedenheit gesehen werden. In traditionell zu ZANU-PF tendierenden Regionen könnte diese Splitterpartei, welche sich hauptsächlich aus ehemaligen parteiinternen Gegnern Mnangagwas zusammensetzt, einige Stimmen erhalten. Wie viele Mitglieder und potentielle Wähler von ZANU-PF mit dieser Partei sympathisieren, ist jedoch unklar.
Eine am 08. Juni 2018 veröffentliche Umfrage des KAS-Kooperationspartners Mass Public Opinion Institute und des Afrobarometers sagt ein enges Rennen um die Präsidentschaft zwischen Präsident Emmerson Mnangagwa und Nelson Chamisa von der MDC-Alliance voraus. Mnangagwa könne im ersten Wahlgang 42, Chamisa 31 Prozent auf sich vereinigen. 25 Prozent der Befragten seien noch unentschieden. Da 50+1 für einen Sieg erforderlich sind, würde eine Stichwahl stattfinden, welche Mnangagwa bereits für den 08. September terminiert hat. Der Umstand, dass in einem Wahljahr eine solche Umfrage überhaupt die notwendige Vergleichsgröße erreichen konnte, wird als weiteres positives Signal in Hinblick auf das politische Klima gewertet. Gleichfalls wurden die Ergebnisse als Zeichen dafür gewertet, dass ZANU-PF - trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Lage – und der zuvor genannten internen Querelen in der Lage ist, in entscheidenden Regionen Mehrheiten aufrecht zu erhalten.
Die Opposition – Uneinigkeit und Glaubwürdigkeitsverlust
Nach dem Tod Morgan Tsvangirais dauerte es nur wenige Tage, um die wichtigste Oppositionspartei MDC-T, und damit die Allianz, zu schwächen. Die beiden Vizepräsidenten, Nelson Chamisa und Thokozani Khupe, meldeten Anspruch auf die Führungsrolle an und rissen einen Graben, welcher absehbar nicht zu überwinden ist. Am Rande der Beisetzung Tsvangirais kam es gar zu chaotischen Szenen, in deren Verlauf die „unterlegene“ Thokozani Khupe, beschützt von Leibwächtern unter Steinhagel die Veranstaltung verlassen musste. Anhänger Chamisas hatten sie mutmaßlich attackiert, da diese nur ihn als rechtmäßigen Nachfolger Tsvangirais akzeptieren. Die Fronten sind verhärtet und sorgen einmal mehr dafür, dass das Oppositionslager zersplittert ist und keine geeinte Front gegen ZANU-PF bilden kann. Darüber täuscht auch die Tatsache nicht hinweg, dass die bekannten ehemaligen MDC Politiker Welshman Ncube und Tendai Biti, ihre in der Zwischenzeit politisch marginalisierten Splitterparteien, wieder in den Schoß der MDC zurückführten.
Kritik wird vor allem am Spitzenkandidaten Nelson Chamisa laut. Im Wahlkampf tritt er prahlerisch auf und symbolisiert den Archetyp eines Politikers, den das System Mugabe hervorbringt. Populismus ist seine wichtigste Waffe im Kampf gegen ZANU-PF. Hiermit erweckt er bei vielen Beobachtern den Eindruck, sich nicht von eben denjenigen zu unterscheiden, die er abzulösen sucht. In mehreren Fällen sind Aussagen dokumentiert, in denen er bewusst Falschmeldungen verbreitet hat, um sich als den fähigsten Kandidaten zu präsentieren. Er werde die Wirtschaftskrise innerhalb eines Tages beenden, er habe Paul Kagame die Vorlage für die ruandische ICT Policy geliefert oder Donald Trump habe ihn im Falle seines Wahlsieges persönlich die sofortige Überweisung von 15 Milliarden Dollar zugesagt. Dass diese Summe zufällig genau dem Betrag entsprach, welcher in den Jahren 2015-2017 angeblich aus den Einnahmen aus dem Diamantenhandel verschwunden war, ist kein Zufall. Sowohl aus Washington, wie aus Kigali folgten die Dementis umgehend und ließen Chamisa blamiert zurück.
Der Politikstil Chamisas erinnert eher an den abgesetzten Präsidenten Mugabe als an den, bewusst besonnen agierenden Mnangagwa, der die Klaviatur der politischen Öffentlichkeitsarbeit weit besser beherrscht. In Gesprächen wird deutlich, dass sich hinter den populistischen Slogans wenig fachliche Substanz findet, was Zweifel an der Fähigkeit laut werden lässt, die Herausforderungen des Landes zu bewältigen. Zuletzt sagt man Chamisa nach, einer derjenigen MDC Politiker gewesen zu sein, welche sich während der Regierung der nationalen Einheit (2009-2013), er war damals Informationsminister, komfortabel eingerichtet zu haben, anstatt dringende Reformen voranzutreiben, welche er selbst heute fordert. Trotz offenkundiger Defizite ist Chamisa jedoch der einzige Kandidat, welcher einen Durchmarsch Mnangagwas verhindern kann. Ein großer Anteil seiner Wähler wird ihn allein deshalb wählen, da sie ZANU-PF zutiefst misstrauen und er für MDC steht. Zudem ist er insbesondere bei jungen Wählern beliebt, da er mit seinen 40 Jahren für einen Generationenwandel in der simbabwischen Politik steht, die sich die junge Gesellschaft nach der Herrschaft Robert Mugabes sehnlich wünscht. Und letztlich kommt Chamisa zu Gute, dass einfache Antworten auf komplizierte Fragen bei denjenigen verfangen, welchen der fachliche Hintergrund fehlt.
Trotz des Potentials, welches die MDC Alliance zweifelsohne besitzt, gehen Beobachter davon aus, dass Mnangagwa spätestens aus einer etwaigen Stichwahl als Sieger hervorgehen wird. Aufgrund der herrschenden Verhältnisse müsste Chamisa derart deutlich gewinnen, dass die „margin of rigging“ nicht ins Gewicht fiele. Dies ist zum aktuellen Zeitpunkt jedoch unwahrscheinlich. Dafür ist das politische Umfeld zu sehr zugunsten von ZANU-PF ausgerichtet.
Die Wirtschaft – Die alles entscheidende Frage
Die Ereignisse des November 2017 haben dem simbabwischen Volk eindrucksvoll vor Augen geführt, wie schnell sich die politische Lage innerhalb weniger Tage verändern kann. Leider, so könnte man nach Gesprächen in Simbabwe annehmen, denken viele Menschen im Land, dass auch die Umkehr des wirtschaftlichen Geschicks in kurzer Zeit gelingen kann. Anders als in der Politik dauert es in der Regel Jahre eine Volkswirtschaft zu ruinieren, und noch länger, sie wieder aufzubauen. Dieses Bewusstsein ist vielfach nicht vorhanden. Die Frage, welche sich nach der Absetzung Mugabes alle Beobachter stellten und noch heute stellen, lautet: Wie kann der wirtschaftliche Aufschwung gelingen, welchen das Land so dringend benötig? Nachdem eine Welle der Euphorie gleichsam die Simbabwer und die internationale Gemeinschaft erfasste, ist diese Euphorie einer deutlichen Ernüchterung gewichen. Zwar sind in wirtschaftspolitischer Hinsicht symbolische Schritte unternommen worden und die Regierung bemüht sich stets, die kontroverse Rhetorik der Vergangenheit zu unterlassen, jedoch sind faktisch die wichtigsten Reformvorhaben weder angestoßen noch werden sie im Klima des Wahlkampfes sachlich diskutiert. Die bevorstehenden Wahlen sind daher für das Land Fluch und Segen zugleich, da sie auf der einen Seite als unbedingte Grundvoraussetzung dafür gelten können, dass Simbabwe den Weg in die internationale Gemeinschaft findet, andererseits versetzt es das Land in eine Wartestarre, welche möglichen Fortschritt im hemmt. Politiker, Wirtschaftsvertreter und zivilgesellschaftliche Akteure verweisen stets auf die Wahlen, wenn man sie danach fragt, wie es mit ihren Einrichtungen bzw. dem Land im Ganzen weitergeht.
Die drängendsten Probleme, welche die Bürger plagen, sind in diesem Zusammenhang die Währungskrise und die hohe Arbeitslosigkeit von ca. 90% im formellen Sektor. Nachdem die Hyperinflation im Jahre 2009 die Abschaffung des Zimbabwe Dollar zur Folge hatte, ist der US Dollar die primäre Währung in Simbabwe. Aufgrund des Einbruches der Produktivität seit Umsetzung der umstrittenen Landreform zu Beginn der 2000er Jahre, weist Simbabwe ein Handelsbilanzdefizit auf, welches eine Monat für Monat deutlich sichtbarere Knappheit an Bargeld nach sich zieht und die wenig verbliebenen produktiven Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet.
Die Frage lautet also: Woher soll das Geld zur Wiederbelebung der simbabwischen Wirtschaft kommen, die der Internationale Währungsfond (IWF) als eine der fragilsten Volkswirtschaften weltweit bezeichnet? Westliche Regierungen und private Investoren sind zu Recht sehr skeptisch, was die möglichen Erfolgsaussichten angeht. Dies liegt nicht zuletzt an den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Slogan „Zimbabwe is open for business“, gilt nur bedingt. Besonders vor diesem Hintergrund ist die bevorstehende Wahl eine Zäsur. Die internationalen Finanzinstitutionen haben bereits im Jahr 2015 die Maßnahmen genannt, welche für die Vereinbarung neuer Kreditlinien und Programme notwendig sind. Diese haben sich nicht geändert. Es ist vielmehr so, dass die Auswirkungen der Wirtschaftslage nun noch deutlicher zutage treten, nachdem sich der ehemalige Präsident stets weigerte, dringend benötigte Reformprozesse anzustoßen. Zu tief war sein Misstrauen gegenüber dem Westen und zu sehr begünstigten das System der Patronage, des Nepotismus und der aufgeblähte Staatsapparat den Machterhalt Mugabes und der Seinen. Zur „Hilfe“ wandte man sich in diesen Fällen an China, den „großen Bruder“ im Osten, welcher mit Krediten aushalf, während seine Unternehmen im Land vom exklusiven Zugang zu natürlichen Ressourcen und Infrastrukturprojekten profitierten. Eine Verbesserung der Situation des simbabwischen Volkes war hiermit gleichwohl nicht verbunden.
Kein „Joker“ aus Fernost
Doch auch diese Zeiten scheinen vorerst vorbei. Zwar ist die chinesische Präsenz spürbar, jedoch ist man auch in Peking zu der Erkenntnis gelangt, dass man gutem Geld, kein schlechtes hinterher werfen sollte. Die simbabwischen Staatsmedien vermeldeten zwar im April, dass Präsident Mnangagwa bedeutende „Deals“ abgeschlossen habe, als er zum Staatsbesuch in Peking weilte, jedoch stellte sich dies schnell als die übliche Propaganda heraus, welcher es an Substanz mangelte. In Wahrheit wurden lediglich Abkommen unterzeichnet, welche bereits unter Mugabe beschlossen, jedoch noch nicht unterzeichnet, und nun „recycled“ worden waren. Das wichtigste Anliegen, ein Schuldenerlass, wurde geradeheraus abgelehnt. China sieht nun, wo Simbabwe sich auch wieder nach Westen wendet, keine Notwendigkeit eines einseitigen Schuldenerlasses, ohne dass dies auch IMF, Weltbank oder der Pariser Club zulassen.
Die Landfrage: Eigentumsrechte als Motor wirtschaftlicher Entwicklung
Es ist jedoch nicht nur die Währung, welche dem Finanzministerium in Harare Sorgen bereitet. Die chaotische Landreform der frühen 2000er Jahre hat die Landwirtschaft, das Rückgrat der simbabwischen Wirtschaft, enorm geschwächt. Mnangagwa hat angedeutet, dass kommerzielle Landwirtschaft wieder die Wertschätzung erfahren soll, die sie einmal hatte. So genannte „99-year Leases“ sollen auch an weiße Farmer vergeben werden. Dies ist jedoch lediglich ein symbolischer Schritt, welcher kurzfristig keine Erholung herbeiführen kann. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen ist auch eine „Garantie“ für 99 Jahre keine Sicherheit, welche signifikante Kredite und Finanzierungen ermöglicht und ferner ist es eine Illusion zu glauben, dass enteignete weiße Farmer plötzlich, die Taschen voller Geld, auf Farmen zurückkehren, die sie bereits vor beinahe 20 Jahren verlassen mussten. Diese sind heute in vielen Fällen heruntergekommen, Anlagen sind defekt oder wurden meistbietend verkauft. Einst hochwertiges Farmland ist heute zu Brachen verkommen. Der Bedarf an Investitionen übersteigt in diesen Fällen jegliche kurz- und mittelfristigen Gewinnaussichten. Die Korruption und Vetternwirtschaft begünstigte diese Entwicklung zusätzlich, da viele Farmen an politische Günstlinge, Militärs und andere einflussreiche Personen vergeben wurden, welche nicht über das notwendige Know-How, noch die finanziellen Möglichkeiten verfügten, die Farmen produktiv Wenn es um die allgegenwärtige Korruption geht, so gibt es zwar Verlautbarungen des Präsidenten, jedoch zeigt sich auch hier, dass konkrete Schritte bislang ausbleiben, die Korruption tatsächlich signifikant einzudämmen. Noch immer bekleiden Personen hohe Ämter in Regierung und Verwaltung, denen Korruption bereits nachgewiesen wurde, ohne dass sie jedoch rechtlich dafür belangt worden wären. Korruptionsbekämpfung kann seit dem Sturz Mugabes eher als politisches Instrument zur Beseitigung unliebsamer ehemaliger Weggefährten verstanden werden. Die aktuelle Regierung riskiert an dieser Stelle einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust. Dies verdeutlicht einmal mehr das Dilemma, in welchem sich der aktuelle Präsident Mnangagwa befindet. Auf der einen Seite versucht er gegenüber dem Westen zu zeigen, dass es sich bei seiner Regierung, und damit bei ZANU-PF, um eine runderneuerte Entität handelt, welche die Fehler der Vergangenheit erkannt hat und bereit ist, in Zukunft entsprechend dieser Erkenntnis zu handeln. Dies gilt gleichsam für die Art und Weise, wie der Wahlkampf geführt wird: Frei und Fair oder wie immer? Noch immer gibt es einflussreiche Kräfte innerhalb des Regierungslagers und seiner inoffiziellen Parallelstrukturen, die einer Öffnung gegenüber dem Westen, wie auch der Öffnung der eigenen Gesellschaft, skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Gleichzeitig steht für Mnangagwa viel auf dem Spiel. Denn: Jene Strukturen, welche er angeblich zu bekämpfen sucht, sind diejenigen, welche es möglich gemacht haben, an der Macht zu bleiben.
Die Wahlen 2018 – Weichenstellung für den Kurs der Zukunft
Die diesjährigen Wahlen finden vor dem Hintergrund einer 18 Jahre andauernden politischen, wie wirtschaftlichen Krise statt. Während dieser Zeit wurde das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik gänzlich zerstört. Einschränkungen politischer Rechte, Wahlbetrug und politisch motivierte Gewalt waren die Ursachen für den totalen Vertrauensverlust in Institutionen und Entscheidungsträger. Die bevorstehenden Wahlen finden nun weniger als ein Jahr nach dem erzwungenen Rücktritt Robert Mugabes statt, dessen Politik das Land wirtschaftlich und politisch isoliert hinterließ. Die Hoffnung des simbabwischen Volkes auf einen Neuanfang und eine bessere Zukunft ist groß. Das politische Klima hat sich seit dem Amtsantritt des aktuellen Präsidenten Emmerson Mnangagwa spürbar verbessert. Internationale Beobachter bestätigen positive Entwicklungen. Seit November wurden wichtige rhetorische, symbolische und auch einige greifbare Schritte unternommen, welche die Qualität der Wahlen steigern. Zu den rhetorisch-symbolischen Maßnahmen der Regierung Mnangagwas zählen vor allem Bekenntnisse zu freien und fairen Wahlen sowie die Unterzeichnung der African Charter on Democracy, Elections and Governance, wobei diese noch der Ratifizierung durch das Parlament bedarf. Diese Schritte verweisen auf einen möglichen politischen Richtungswandel, widersprechen sie doch fundamental dem Politikstil Mugabes. Dies spiegelt sich vor allem darin wider, dass die Regierung offiziell internationale Beobachter, darunter die Europäische Union, eingeladen hat.
Neben den symbolischen Schritten finden sich gleichsam eine Reihe konkreter Anzeichen für einen Paradigmenwechsel in der simbabwischen Politik. Alle Akteure und Beobachter sind sich darin einig, dass sich das politische Klima verbessert hat seit Emmerson Mnangagwa regiert. Nie zuvor war es für Oppositionsparteien möglich, ohne Repressalien Wahlkampf zu betreiben und Wähler zu mobilisieren. Die Demonstration der MDC Alliance am 5. Juni in Harare ist in diesem Zusammenhang das bislang prominenteste Beispiel dieser neuen Offenheit der politischen Sphäre. Erstmals war eine Demonstration polizeilich genehmigt und nicht gewaltsam aufgelöst worden. Ein weiterer Umstand, welcher hoffen lässt, ist die demographische Zusammensetzung der Wählerschaft. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass der Anteil von registrierten Frauen sowie jungen Erwachsenen und Erstwählern im Vergleich zu vergangenen Wahlen zugenommen hat. Diese Gruppen spielten in der Vergangenheit nicht die Rolle, die ihr aufgrund ihres prozentualen Anteils an der Gesamtbevölkerung zukommen müsste. Da die politische Marginalisierung von Bevölkerungsmehrheiten ein Problem über die Grenzen Simbabwes hinaus darstellt, kann dies durchaus als positives Zeichen gewertet werden.
Diese Entwicklung wird neben den gewachsenen Möglichkeiten der Parteien zur Mobilisierung zusätzlich von weiteren Faktoren begünstigt: Zur diesjährigen Wahl kommt ein neues Wählerverzeichnis zum Einsatz, welches mithilfe eines biometrischen Registrierungsverfahrens erstellt wurde. In der Vergangenheit war das Wählerverzeichnis immer wieder zu Recht in Zusammenhang mit Wahlbetrug gebracht worden. Unabhängige Untersuchungen des Verzeichnisses für die Wahlen im Jahr 2013 zeigten systematische Manipulationen auf. In tendenziell regierungsfreundlichen Gegenden, insbesondere in ländlichen Gegenden, konnte eine Überregistrierung festgestellt werden, wohingegen in den urbanen Zentren, welche mehrheitlich von der Opposition dominiert sind, potentielle Wähler an der Registrierung gehindert wurden. Obgleich es noch immer berechtigte Kritik an der Electoral Commission gibt, hat die professionelle Umsetzung des Registrierungsverfahrens die Glaubwürdigkeit der Kommission gesteigert.
Diese Fortschritte dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch immer Vertreter der ZANU-PF Statements abgeben, welche an dem Bekenntnis zu wirklich freien und fairen Wahlen Zweifel aufkommen lassen. Noch immer beeinflussen traditionelle Autoritäten für ZANU-PF aktiv Wähler. Die Verfassung aus dem Jahr 2013 verbietet diese Praxis zwar ausdrücklich, jedoch ist sie in weiten Teilen des Landes noch immer üblich. Grund zur Hoffnung gibt an dieser Stelle im Urteil des High Court vom 16. Mai 2018, welches die Beteiligung an Parteiaktivitäten für traditionelle Autoritäten verbot. Angesichts der Geschichte von ZANU-PF und insbesondere angesichts des Umstandes, dass der amtierende Präsident im Zuge einer Militäroperation gegen den eigenen Parteivorsitzenden ins Amt kam, besteht die Sorge, dass Kreise innerhalb des Regierungslagers bereit sind, einen Wahlsieger, der nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, notfalls auch gewaltsam zu verhindern. Die Gesellschaft, welche sich nur zu gut an die Ereignisse des Jahres erinnert, in deren Zuge Gewaltexzesse bis hin zu Verstümmelungen berichtet wurden, ruft die angebliche Wandlung des Militärs und des Veteranenverbandes vom Saulus zum Paulus eher Skepsis hervor. Ein Rückfall in diese Zeiten erscheint augenblicklich jedoch wenig wahrscheinlich. Die „Charmeoffensive“ welche die Regierung seit dem Wechsel an der Spitze betreibt, macht deutlich, dass sich Simbabwe in einen unumkehrbaren Wandel erlebt und ein „weiter so“ unwahrscheinlich erscheint. Die Einladung internationaler Wahlbeobachter ist ein Novum, welches verdeutlicht, dass die Notwendigkeit erkannt wurde, politische Zugeständnisse zu machen, um wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Die Verantwortlichen in der Regierung wissen, dass der Rückfall in alte Muster vor dem Auge der Weltöffentlichkeit, die politische und wirtschaftliche Isolation zementieren und die wirtschaftliche Erholung in diesem Fall bis auf weiteres unmöglich gemacht würde.
Not going back to the Mugabe days!
Der Zivilgesellschaft fällt an dieser Stelle eine wichtige Rolle zu. In Gesprächen wird deutlich, dass die simbabwische Gesellschaft die Freiheiten, welche sie seit dem Sturz Mugabes genießt, nicht einfach wieder aufgeben wird. Zu sehr hat man sich bereits daran gewöhnt, nicht jeden Tag von Polizisten zur Zahlung von Buß- und Bestechungsgeldern genötigt zu werden oder sich nach einer jeden politischen Aussage nach möglichen Zuhörern umzudrehen. Der Wandel scheint vielen zum Greifen nah. Nun heißt es einmal mehr hoffen. Darauf, dass die herrschende Elite dem Willen des Volkes entspricht und es ermöglicht, das Trauma politischer Repressalien, welches alle Generationen in Simbabwe teilen und sich erst in Ian Smith, später in Robert Mugabe manifestierte, zu überwinden.
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