Historischer Kontext
Um die Debatte verstehen zu können, muss man zunächst einen kurzen Blick auf die Geschichte dieser umstrittenen Währung werfen. Diese wurde offiziell am 26. Dezember 1945 ins Leben gerufen, dem Tag, an dem Frankreich die Abkommen von Bretton Woods ratifizierte. Mit der Einführung des Franc des Colonies Françaises d'Afrique wurde nach dem zweiten Weltkrieg zunächst das Ziel verfolgt, Frankreich bei der Widerherstellung seiner „besonderen Beziehungen“ mit den Kolonien zu unterstützen. Die politischen Unabhängigkeitsbewegungen in den 1960er Jahren führten zu einer Reorganisation dieser Währungsvereinbarung und resultierten in der Einführung von zwei Währungsunionen mit jeweils eigener Währung. Beide Währungen, die zunächst an den französischen Franc gekoppelt waren, sind seit der Einführung des Euro mit der gleichen Parität von 655,96 Franc-CFA an diesen gekoppelt, jedoch nicht untereinander konvertierbar. Der westafrikanische Franc de la Communauté Financière de l'Afrique, verwaltet von der Zentralbank westafrikanischer Staaten (BCEAO) in Dakar (Senegal), ist das offizielle Zahlungsmittel in den Ländern Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo. Der zentralafrikanische Franc de la Coopération Financière Africaine, verwaltet von der Bank zentralafrikanischer Staaten (BEAC) in Jaunde (Kamerun), wird heute in Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad und der Zentralafrikanischen Republik verwendet.
Fußfessel oder Stabilitätsanker
Die französische Kolonialherrschaft in West- und Zentralafrika ist Ausgangspunkt für die Einführung des Franc-CFA. Die Frage nach dem Überleben dieser Währung auch nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien wird nicht nur von pan-afrikanischen Aktivisten immer häufiger gestellt. Eine Reihe von Ökonomen und Staatsoberhäuptern äußert sich ebenfalls kritisch. So hat der Eintritt Äquatorialguineas 1985, einer ehemaligen spanischen Kolonie, und Guinea-Bissaus 1997, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, in die beiden Währungsunionen nicht viel an der negativen Assoziation zwischen dem Franc-CFA und der französischen Vormachtstellung in der Region geändert.
Funktionsweise des Franc-CFA:
- feste Parität zwischen dem Franc-CFA und dem Euro (655,96 Franc-CFA = 1 Euro),
- Garantie der uneingeschränkten Konvertierbarkeit in Euro (diese gewährt Frankreich im Austausch für mindestens 50 Prozent der Devisenreserven in der Franc-CFA-Zone, welche den afrikanischen Staaten nicht unmittelbar zur Verfügung stehen),
- volle Transaktionsfreiheit innerhalb der Franc-CFA-Zone,
- französisches Vetorecht in den Verwaltungsräten der beiden Zentralbanken, wie die Länder der Franc-CFA-Zone,
- Inflationsziel von rund 2 Prozent,
- Produktion der Franc-CFA-Banknoten im französischen Chamalières.
Bei der Analyse der Debatte um den Franc-CFA stellt sich zunächst die zentrale Frage nach den ökonomischen Vor- und Nachteilen dieser afrikanischen Realität. Es gibt unabhängige Experten, die sich für die enge finanzielle Zusammenarbeit mit Frankreich im Rahmen der Währungsunion aussprechen. Der Franc-CFA erleichtere den Handel mit Europa, einem der wichtigsten Partner auf Export- und Importebene. Des Weiteren wird argumentiert, dass die Inflation in der Franc-CFA-Zone, im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten, strukturell niedriger und die Gemeinschaftswährung bis heute als Stabilitätsgarant von grundlegender Bedeutung für eine Region, die mit enormen politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen hat, sei . Beispielsweise lag die durchschnittliche Inflation der letzten 50 Jahren (1965 bis 2015) in Côte d‘Ivoire, einer der größten Volkswirtschaften der beiden Währungsunionen, bei 5,9 Prozent. Die Folgen der Krisenjahre von 2002 bis 2010/11 wären vermutlich einhergehend mit einer starken Inflation ungleich gravierender gewesen und die Côte d’Ivoire stünde heute wirtschaftlich deutlich schlechter da, hätte es den Stabilitätsanker Franc-CFA nicht gegeben. Im benachbarten Ghana, dessen Wirtschaft ähnlich strukturiert ist, lag die Inflationsrate im selben Zeitraum bei durchschnittlich 28,4 Prozent. Mit der Franc-CFA-Bindung begründen Experten zudem weniger starke Auswirkungen von weltweiten Preisschwankungen bei den für viele Länder in der Region wichtigen Rohstoffen (insb. Kakao, Baumwolle, Öl und Gas). Obgleich durch die absolute Abhängigkeit von unverarbeiteten Rohstoffen und die kaum stattfindende Diversifizierung der Wirtschaft sich internationale Shocks meist gravierender auf die sozio-ökonomische Realität auswirken als in anderen Regionen. Studien haben gezeigt, dass sich die Wachstumsraten in der CFA-Zone nicht wesentlich von denen in anderen Ländern mit vergleichbarem Entwicklungsstand unterscheiden. Andere Autoren wiederum unterstreichen, dass die Mitglieder der CFA-Zone von einer strukturell niedrigeren Inflation und einer besseren Haushaltsdisziplin stärker profitieren als vergleichbare Entwicklungsländer.
Nichtsdestotrotz bleibt es schwierig, die wirtschaftlichen Vorteile der Franc-CFA-Zone empirisch zu messen, insbesondere was den Einfluss auf das Wirtschaftswachstum betrifft. Grund dafür ist, dass die Währungsunion nicht von einer signifikanten wirtschaftlichen und finanziellen Integration der Mitgliedstaaten begleitet wurde, mit einigen Harmonisierungsausnahmen im Rahmen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Die Volkswirtschaften erscheinen chronisch unterfinanziert, was insbesondere auf die restriktive Geldpolitik zurückgeführt werden kann. Tatsächlich liegt das Niveau der finanziellen Entwicklung (Verhältnis von verfügbarer Geldmenge und BIP) bei 26 Prozent für die westafrikanischen BCEAO-Länder und bei 16 Prozent für die von der BEAC verwalteten Länder. Dies ist niedriger ist als in anderen Regionen Sub-Sahara Afrikas. Kritiker des Franc-CFA sind der Meinung, dass die Nutzung der bei Frankreich liegenden Devisenreserven hier teilweise Abhilfe verschaffen könnte.
In der Debatte lässt sich eine Lagerbildung zwischen meist westlich orientierten Politikern und pan-afrikanischen, oft populistisch argumentierenden Aktivisten beobachten. Letztere vertreten die Meinung, dass das im afrikanischen Vergleich schlechte Abschneiden bei verschiedenen Wirtschaftsindikatoren zu großen Teilen der Gemeinschaftswährung geschuldet sei. Dies ließe sich durch das System der festen Wechselkurse mit einem traditionell starken Euro erklären. So gewann der Euro in den letzten Jahren an Wert gegenüber dem US-Dollar, was auch den Franc-CFA aufwertet und zu einer relativ starken Währung macht. Diese Parität mache lokale, exportorientierte Unternehmen auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig, begünstige die Einfuhr von Waren aus Ländern mit schwächeren Währungen und verlangsame so die wirtschaftliche Entwicklung und die Etablierung lokaler Wertschöpfungsketten. Tatsächlich geht der Handel zwischen Franc-CFA- und Eurozone im Verhältnis in den letzten 20 Jahren tendenziell zurück, was sich zugunsten der Handelsbeziehungen mit Ländern wie China, Nigeria, Indien und Thailand auswirkt. Somit sind die Vorteile in Bezug auf die Wechselkursstabilität mit dem Euroraum heute weniger signifikant. Darüber hinaus werden die Exporterlöse in der Regel in US-Dollar ausgewiesen, den die Länder der CFA-Zone konvertieren müssen. Eine Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar mindert somit den Wert der Exporterlöse. Eine weitere Herausforderung für die Währungsunion besteht darin, dass sie weit von einem optimalen Währungsraum entfernt liegt, d.h. einem Währungsgebiet, in dem der Nutzen der gemeinsamen Währung größer ist als die Kosten. Der intraregionale Handel innerhalb der Währungsunion liegt bei unter 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens, verglichen mit beispielsweise mehr als 60 Prozent innerhalb der Eurozone.
Eine Währung als spät-koloniales Machtinstrument?
Über diese wirtschaftlichen Implikationen hinaus, scheint der Franc-CFA in West- und Zentralafrika zunehmend als spät-koloniales Kontrollinstrument Frankreichs wahrgenommen zu werden. Das Magazin Jeune Afrique hatte im September 2016 eine Umfrage zum Franc-CFA in Auftrag gegeben, wonach 74 Prozent der Befragten der Meinung waren, dass der Franc-CFA ein Relikt der Françafrique sei. 72 Prozent der Befragten sagten zudem aus, dass die monetäre Zusammenarbeit mit Frankreich grundlegend überarbeitet werden solle. Im Mittelpunkt der breiten Kritik steht die Regelung, dass mindestens 50 Prozent der Devisenreserven (bis 2005 noch 65 Prozent) auf einem Compte d’operations, einem Betriebskonto bei der französischen Staatskasse Agence France Trésor angelegt sein müssen. Viele Länder haben auf über die Hälfte ihrer Währungsreserven keinen Zugriff, da weitere 20 Prozent zur Absicherung finanzieller Unabwägbarkeiten hinterlegt sind. Etliche Wortführer sind der Meinung, dass diese Reserven „Frankreich bereichern“, wo sie doch in der Heimat viel dringender benötigt würden. In diesem Zusammenhang folgen Kommentatoren außerdem häufig dem Narrativ, dass sich hier der Unwille vieler Staaten wiederspiegle, ihre volle wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen, um sich weiterhin unter den Schutzmantel der ehemaligen Kolonialmacht zu stellen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass die Volkswirtschaften der Franc-CFA-Zone durch die feste Parität von schmerzhaften Währungsanpassungen verschont werden, so aber auch weniger Anreize für nachhaltiges Wirtschaften haben. Und das im ohnehin schwierigen institutionellen Umfeld West- und Zentralafrikas.
Vision einer „echten“ Gemeinschaftswährung
Bei den Lösungsvorschlägen, wie man künftig mit der Währungsunion verfahren solle, gibt es unterschiedliche Ansätze. Kurzfristig ist zu erwarten, dass der Status Quo des Franc-CFA wie wir ihn heute kennen, aufrechterhalten wird. Mittelfristige Änderungen des Währungssystems sind durchaus denkbar und könnten beispielsweise die Aufhebung der Nichtkonvertierbarkeit der beiden Franc-CFA-Zonen betreffen. Die großen strukturellen Unterschiede zwischen den west- und zentralafrikanischen Volkswirtschaften dürften hier jedoch zu Problemen führen. Auch eine Erhöhung der Transparenz bei der Verwaltung von Devisenreserven auf französischen Betriebskonten und eine weitere Reduzierung der 50-Prozent-Rücklagenregelung könnte die Gemüter zunächst beruhigen. Was die feste Parität betrifft, so könnte diese flexibler gestaltet werden. Analysten zufolge wäre beispielsweise auch eine Kopplung an Währungen wie den US-Dollar oder den chinesischen Renminbi vorstellbar. Dies würde die Flexibilität vieler Länder erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit exportorientierter Unternehmen steigern. Bisweilen gibt man sich in Westafrika allerdings schon viel weiter. Glaubt man den 15 Mitgliedsstaaten der ECOWAS, darunter viele Franc-CFA-Länder, aber auch Ghana und Nigeria, so liegt die Zukunft in einer neuen, gänzlich unabhängigen westafrikanischen Währungsunion. Im Rahmen von Arbeitsgruppen werde bereits an einem konkreten Fahrplan für die neue Währung gearbeitet. In ihrem Communiqué vom 53sten Gipfeltreffen Ende Juli 2018 vermeldet die ECOWAS „wichtige Fortschritte bei der Zielerreichung der Währungsunion“. Insbesondere seien Fortschritte beim bedeutenden Konvergenzkriterium hinsichtlich der Haushaltsdefizite bei Mitgliedsstaaten erzielt worden. Im Rahmen einer Task Force, bestehend aus BCEAO, der Zentralbank Nigerias und der Westafrikanischen Währungsagentur WAMA, einer autonomen Unterorganisation der ECOWAS, sollen bereits bis Ende 2018 Vorschläge zur Harmonisierung der geldpolitischen Rahmenbedingungen und zur Gestaltung einer zukünftigen Zentralbank unterbreitet werden. Auch wird bereits nach einem Namen für die Währung gesucht. Ein Sonderfonds zur Deckung des Finanzierungsbedarfs dieses Mega-Projekts wird ebenso diskutiert. Man gibt sich sehr konkret, wie lange es allerdings dauern wird und ob ein solches Projekt wirklich umsetzbar ist, bleibt zweifelhaft.
Fazit
Politischer Veränderungs- und Entwicklungswille sowie gute und nachhaltige Regierungsführung erscheinen als entscheidende Faktoren für die zukünftige Prosperität der Franc-CFA-Zone. Ein weiterer Punkt zur Verbesserung der sozio-ökonomischen Realität ist die Diversifizierung der Wirtschaft und die Etablierung von lokalen und inklusiven Wertschöpfungsketten in den betroffenen Ländern. Dabei bedarf es nicht nur partiellen Anpassungen, sondern eines umfassenden Strukturwandels, wenn möglich gekoppelt an eine nachhaltige Industrialisierung. Es erscheint zu einfach in einem solch emotional geführten Diskurs die Aussage zu treffen, die Anpassung des Währungssystems könne die gravierenden strukturellen und institutionellen Versäumnisse vieler Regierungen in der Region ausgleichen. Vor jedwedem Versuch der Einführung einer neuen stabilen Gemeinschaftswährung sollte zunächst eine holistische Entwicklungsstrategie mit afrikanischem Ownership für die gesamte Region stehen. Viel zu oft scheint es jedoch an programmatischen und inhaltlichen Debatten, sowohl auf nationaler, wie auch auf regionaler Ebene zu fehlen. Der Diskurs um den Franc-CFA ist ein symptomatisches Beispiel für die rasche Politisierung von Themen, oft alleinig auf die Kolonialvergangenheit rekurrierend. Die bisher vorgesehene Länderkonstellation der von der ECOWAS vorgesehenen Gemeinschaftswährung stellt keinen optimalen Währungsraum dar und ist in ihren Wirtschaftsstrukturen höchst heterogen. Insbesondere Nigeria kann als wirtschaftliches Powerhouse mit 191 Millionen Einwohnern kein realistisches Mitglied einer westafrikanischen Währungsunion werden. Doch über solche Konvergenzkriterien wird unter Ökonomen bekanntlich gestritten und auch die Eurozone ist per definitionem kein optimaler Währungsraum. Im westafrikanischen Kontext erscheint die Etablierung einer neuen Währungsunion, die ein Höchstmaß an Koordination und funktionierenden, unabhängigen Institutionen erfordert, derzeit denkbar schwierig. Eine neue Währungsunion in einer Region zu etablieren, in der die wirtschaftliche Integration seit Jahrzehnten wenn überhaupt nur schleppend vorankommt, käme dem dritten Schritt vor dem Ersten gleich. Vielmehr sollten zunächst dringendere Probleme thematisiert werden, deren Ausmaß ohne den Franc-CFA wahrscheinlich gravierender wäre. Jede noch so intelligente Währungsunion erscheint nutzlos, wenn nicht ein Mindestmaß an industriellem Unterbau existiert und die betreffenden Länder auch Waren produzieren, die dann besser exportiert werden könnten. Umso verwunderlicher die entschlossen anmutende Haltung der ECOWAS bei diesem Thema. Nicht auszuschließen bleibt, dass es sich bei dem aktuellen Aktivismus um eine Scheinpolitik zur Beschwichtigung der Kritiker handelt, wohl wissend, dass man auf den langjährigen Stabilitätsgaranten Franc-CFA derzeit (noch) nicht verzichten kann.
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