Im Titelbild: v.l. Christian Wulff, Bundespräsident a.D.; Antonio Tajani, Vorsitzender des konstitutionellen Ausschusses und Präsident a.D. des Europäisches Parlaments; Sabine Thillaye, Vorsitzende des Europaausschusses der Französischen Nationalversammlung; Janusz Reiter, Botschafter Polens in der Bundesrepublik Deutschland a.D.
Im Rückblick auf die Ergebnisse der diesjährigen Wahl zum Europäischen Parlament befinde sich die EU, laut den Konferenzteilnehmern, zurzeit aufgrund einer völlig veränderten globalen Situation am Scheideweg und müsse die Entscheidung treffen, wie sie sich in Zukunft auf der weltpolitischen Bühne positionieren will. Hierfür bedarf es einer starken christdemokratischen Stimme in Europa. Die Idee des Spitzenkandidaten ist eine gute, bedarf jedoch mehr Durchsetzungskraft. Die EVP habe aus dem bisherigen Prozess wichtige Lehren ziehen können. Insbesondere müsse die EU ihre demokratische Verantwortlichkeit vor dem Wähler stärker in den Vordergrund stellen.
Die strategische Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre stand nicht nur auf der Agenda des letzten Europäischen Rates, sondern fand auch in Cadenabbia Einklang in die Diskussionen. Die EU sei mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo sie sich selber die Frage stellen müsse, wie sie auf Krisen, wie z.B. der Einmarsch der Türkei in Syrien, antworten solle. Das zukünftige Agieren der EU müsse auf den europäischen Werten basieren, zu denen auch die Rechtsstaatlichkeit gehört, um dem aufstrebenden Nationalismus Einhalt zu gebieten. Hierbei sollte insbesondere ein Einklang zwischen der Berücksichtigung der nationalstaatlichen und der europäischen Orientierung hergestellt werden.
Europa braucht zudem mehr Weltpolitikfähigkeit und Fingerspitzengefühl in der Frage der Erweiterung der EU um den Westbalkan. Die einstig so erfolgreiche Erweiterungspolitik der Europäischen Union dürfe nun nicht ins Stocken geraten, da es sich bei diesen Nachbarländern um strategisch wichtige Partner handle. Die Zeit der einfachen Entscheidungen sei vorbei, Europa müsse nun auch Risiken eingehen und aktiv handeln wollen. Die kurz zuvor getroffene Entscheidung des Europäischen Rates, keine Beitrittsgespräche mit Nord-Mazedonien und Albanien und zu starten, sei ein historischer Fehler.
Vor allem, da dem Land Beitrittsverhandlungen bereits versprochen wurden, wenn die Namensstreit mit Griechenland gelöst würde. Da dies geschehen ist, stellt dies einen großen Vertrauensverlust in die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union dar.
Europa ist noch immer von der Sichel des Feuers umgeben: Wie sich die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik im Einklang mit nationalen Interessen gestalten wird, wurde ausführlich diskutiert. Hierbei seien die gemeinsamen Werte das wichtigste verbindende Element. Zunächst sei es dringend notwendig, so auch der Konsens unter den Konferenzteilnehmern, klar zu definieren, gegen welche bestehenden und zukünftigen Bedrohungen sich die EU wehren müsse. Diesbezüglich sei eine gemeinsame globale Strategie erforderlich um von europäischer Seite aus standhafter agieren zu können. Grundbedingung für eine erfolgreiche Handlungsfähigkeit ist die Optimierung der europäischen militärischen Fähigkeiten. Trotz der Irritationen der gegenwärtigen amerikanischen Politik bleibe die NATO unverzichtbar. Gleichwohl bedarf es einer Stärkung der europäischen Säule und Handlungsfähigkeit innerhalb des westlichen Bündnisses. Ebenso wurde die Bedeutung der Menschenrechte sowie des demokratischen Selbstverständnisses der EU als Friedensgarant für Europa betont. Vor allem in Krisenzeiten stiften der Respekt vor der Menschenwürde sowie der europäische Einheitsgedanke den Europäerinnen und Europäern Hoffnung.
Des Weiteren wurde engagiert über die Beziehungen der EU zu anderen Staaten und Europas Rolle in der Welt debattiert. Russlands und Chinas weltpolitischen Ambitionen müsse die EU selbstbewusst mit einer einheitlichen, zielgerichteten globalen Strategie und sog. „smart power“, einer Mischung aus sog. „soft“ und „hard power“ entgegenwirken. Um als globaler Akteur gelten zu können, bedürfe es entschlossenem und zukunftsgerichtetem Handeln.
Trotz bisheriger Erfolge ist mehr politischer Wille in Europa nötig – vor allem im Bereich der Außenpolitik. Letztlich basiert eine gelungene europäische Integration auf der modernen Auslegung des Dreiklangs des Wortes „Identität“: Einer regionalen, einer nationalen und einer europäischen. Jede dieser Identitäten allein führt auf einen Irrweg: zu Engstirnigkeit bei der regionalen, zu Krieg im schlimmsten Falle bei der nationalen und zu einer Entwurzelung bei der europäischen. Nur zusammen gebracht haben sie das Potenzial eine tragende Basis für ein starkes Europa in der Welt zu sein.
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