NATO
Finnland bereitet sich auf seinen Beitritt zur NATO vor: Helsinki steht kurz davor eine jahrzehntelange militärische Allianzfreiheit aufzugeben und der NATO beizutreten. Im Mai wird vom finnischen Parlament eine Aussage zum NATO-Beitritt erwartet. Bis zum 21. April gaben 107 Abgeordnete eine positive Stellungnahme diesbezüglich ab, nur 13 Parlamentarier äußerten sich gegen eine Mitgliedschaft im Transatlantischen Bündnis, 80 Parlamentarier bezogen noch nicht offiziell Stellung.
Schwedens Position zum NATO-Beitritt ist aufgrund des Zögerns der Sozialdemokraten bisher weniger deutlich. Am 22. April hielt das Exekutivkomitee der schwedischen Sozialdemokraten zusammen mit seiner Fraktion im Parlament eine erste größere interne NATO-Besprechung ab. Nun soll der schwedische Riksdag spätestens zum 13. Mai einen NATO-Bericht, bei dem alle im Parlament vertretenen Parteien ein Mitspracherecht haben, vorlegen - deutlich vor dem früher genannten Veröffentlichungstermin am 31. Mai. Vor der Herausgabe des Berichtes beabsichtigen die Sozialdemokraten, die sich traditionell skeptisch gegenüber Stockholms Teilnahme am NATO-Bündnis geäußert haben, mindestens drei Treffen mit Mitgliedern zu veranstalten, um einen neuen sicherheitspolitischen Kurs mit den eigenen Parteimitgliedern besprechen zu können.
Neue Meinungsumfragen zur NATO-Mitgliedschaft ergeben, dass 57% der Schweden jetzt einen Beitritt begrüßen würden, während nur noch 21% dagegen sind. Am deutlichsten gestiegen ist diese neue Einstellung bei sozialdemokratischen Wählern, von denen nun 41% positiv zur NATO stehen, im Vergleich zu 29% noch Mitte April. In Schweden finden Anfang September Parlamentswahlen statt, die sozialdemokratische Minderheitsregierung bemüht sich den Beitritt zur NATO nicht zu einem Wahlkampfthema werden zu lassen, da die Moderaten, Christdemokraten, die Zentrumpartei und die Liberalen sich stark für die Aufnahme Schwedens an der Seite Finnlands ausgesprochen haben. Die Schwedendemokraten haben sich bisher ebenfalls für einen NATO-Beitritt ausgesprochen - falls Finnland zur selben Zeit auch Mitglied wird.
Russland, dessen Überfall auf die Ukraine die NATO-Debatte vorangetrieben hat, hat auf Helsinkis und Stockholms Ambitionen mit Drohungen reagiert. Nun wird in nordischen sicherheitspolitischen Kreisen debattiert, ob Moskau in der Lage wäre einen Grenzkonflikt anzuzetteln, um somit einen Beitritt zu verhindern. Dies scheint aufgrund des Abzugs russischer Streitkräfte vom Baltikum in die Ukraine zurzeit unwahrscheinlich, jedoch wäre es möglich, mit relativ geringem Aufwand eine unbewohnte Insel im Finnischen Meerbusen zu besetzen. Man rechnet damit, dass eine Erweiterung der NATO im Ostseeraum, welchen der Kreml als kritisch für Russlands nationale Sicherheit ansieht, zur Stationierung von mehr russischen Truppen und sogar Atomwaffen führen wird.
Große Ausschreitungen in Schweden über das Osterwochenende
Am Karfreitag kam es in mehreren schwedischen Städten zu erheblichen Ausschreitungen. Sie fanden hauptsächlich in Wohngebieten mit einem hohen Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund statt. Insgesamt wurden über 100 Polizisten verletzt, drei Demonstranten erlitten Schusswunden. Die öffentlichen Koranverbrennungen des rechtsextremen Dänisch-Schwedischen Politikers Rasmus Paludan wurden als hauptsächlicher Auslöser für die Krawalle gesehen, auch wenn Paludan in manchen Fällen bei den angekündigten Kundgebungen überhaupt nicht auftauchte.
Seit Anfang der 2000er Jahren gibt es globalisierungskritisch und rechtsextrem gefärbte Unruhen in Schweden, aber die jüngsten Krawalle unterscheiden sich sowohl im Ausmaß als auch durch die Tatsache, dass die betroffenen Wohngebiete hauptsächlich als sozioökonomische Brennpunkte mit einer hohen Anzahl von Muslimen mit Migrationshintergrund stattgefunden haben. Dennoch steigt kriminelle Gewalt in Schweden und
überdurchschnittlich viele Menschen fallen Schießereien zum Opfer. Die Krawalle über Ostern in Städten wie Norrköping und Linköping deuten auch auf Frustration und Misstrauen gegenüber der Polizei in vielen sozioökonomisch schwachen Orten und haben in Schweden deutlich die öffentliche Debatte über Immigrationsund Integrationspolitik, Bandenkriminalität, die Rolle der Polizei und Meinungsfreiheit angeregt.
Arktis
Die Arbeit des Arktischen Rats bleibt weiterhin eingestellt. Seit dem 3. März boykottieren alle Mitgliedstaaten außer Russland (A7) aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine den Rat. Vom 7-8 April fanden sich jedoch Vertreter der A7 Staaten bei dem Arctic Encounter Symposium zusammen, um eine neue Form von Modus vivendi für die Arktis zu besprechen.
Im Frühling fanden im Hohen Norden Militärübungen im Zeichen des Ukrainekrieges und der möglichen NATO-Erweiterung statt. Im März zogen die von Norwegen organisierten Cold Response-Manöver die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, obwohl seit 2006 regelmäßig NATO-Übungen nördlich des Polarkreises stattfinden. Ebenfalls fanden die Northern Viking 2022 NATO-Übungen auf Island statt, wo ein Ziel der Manöver war, kombinierte Einsätze in der GIUK-Lücke (Grönland-Island-Vereinigtes Königreich) zu üben.
Moskau ist ebenfalls darum bemüht seine Militärpräsenz in der Arktis zur Schau zu stellen. So gab Verteidigungsminister Sergei Schoigu in einer im Fernsehen ausgestrahlten Sitzung bekannt, dass der Ausbau der militärischen Infrastruktur auf der Kola Halbinsel zu den Prioritäten der russischen Streitkräfte gehöre.
Auf Grönland hat eine neue Regierungskoalition die Staatsgeschäfte übernommen. Die links-grüne Inuit Ataqatigiit (IA) hat in einer Pressemeldung bekannt gegeben, dass sie ihre Partnerschaft mit der populistischen Partii Naleraq zu Gunsten der sozialdemokratischen Siumut beendet habe. Der politische Umschwung bietet der Regierung von PM Egede mehr Stabilität im Inatsisartut (Grl. Parlament). IA und Siumut unterscheiden sich
allerdings im Hinblick auf wichtige lokale Themen wir Erdölförderung, Bergbau, und Fischfang. Trotz des Strebens beider Parteien nach Unabhängigkeit bleibt Grönland in Sachen Außen-und Sicherheitspolitik auf Dänemark angewiesen, wie eine Cyberattacke im März verdeutlicht hat.
Im Frühling wurde zum ersten Mal ein ungewöhnliches Klimaphänomen an den Polen festgestellt. Mitte März machten sich zeitgleiche Hochtemperaturanomalien in der Arktis und Antarktis bemerkbar. In der Ostantarktis stiegen Temperaturen zeitweise fast 40° über den Durchschnittswert, während über Nordgrönland und der Karasee Hitzewellen für Temperaturen zwischen 15 und 30° über Durchschnittstemperaturen sorgten. Die
außergewöhnliche Wettererscheinung wird auf atmosphärische Flüsse und Bänder warmer und feuchtigkeitsgesättigter Luft zurückgeführt. Schlagartige Wärmeereignisse können den Zusammenbruch von Eisplatten beschleunigen, Permafrost auflösen und Infrastruktur gefährden, wie ein neu-erschienener Bericht des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums berichtet.
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat letzte Woche als erste nordische Regierungschefin seit Beginn des Krieges die Ukraine besucht. Frederiksen traf sich in Kyiv mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und teilte in einer Pressekonferenz mit, dass die dänische Regierung weitere Waffen und Ausrüstung an die Ukraine liefern werde. Die dänische Regierung hat ebenfalls verkündet, Gasförderung in der Nordsee anregen zu wollen, um das Ausbleiben russischen Gases in Europa zu kompensieren.