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Friedrich Bohl, Portraitfoto Friedrich Bohl, Portraitfoto © KAS/Harald Odehnal

Friedrich Bohl

Jurist, Bundesminister March 5, 1945 Rosdorf/Kreis Göttingen
by Denise Lindsay M.A.
Der frühere Chef des Bundeskanzleramtes in der Regierung Kohl hat jahrelang als stiller und verschwiegener Manager im Hintergrund gewirkt und versucht, die Entscheidungsprozesse in der Koalition möglichst reibungslos ablaufen zu lassen.

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Friedrich Bohl, Portraitfoto KAS/Harald Odehnal
Friedrich Bohl, Portraitfoto

Jugendzeit und Ausbildung

Geboren wurde Friedrich Bohl am 5. März 1945 in Rosdorf (Kreis Göttingen). Sein Vater war Leiter einer Landwirtschaftsschule. Er besuchte die Volksschule in Rauschenberg (Landkreis Marburg) und legte 1964 sein Abitur am Realgymnasium in Marburg ab. An der Universität Marburg begann er das Studium der Rechtswissenschaften, 1969 legte er das erste und 1972 das zweite juristische Staatsexamen ab. Nach dem Referendariat arbeitete er kurzzeitig als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Marburg. Von 1972 bis 1999 war er als Rechtsanwalt zugelassen, 1976 erfolgte die Ernennung zum Notar (bis 1999). Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

 

Erste politische Ämter

1963 trat Bohl der Jungen Union und der CDU bei und übernahm schnell erste Führungsämter. „Die grundsätzlichen Fragen der Politik dieser Jahre, das Schicksal der Nation und die Gefährdung der Freiheit fesselten damals Bohls Interesse“, urteilte die FAZ über seine Beweggründe in einem Porträt vom 16. Mai 1989. Erste politische Erfahrungen sammelte er im Marburger Studentenparlament.

1964 bis 1970 war er Kreisvorsitzender der JU Marburg-Land und 1969 bis 1973 Bezirksvorsitzender der JU Mittelhessen. Bei der Wahl zum Vorsitzenden des Landesverbandes Hessen der Jungen Union unterlag er im April 1969 allerdings Reinhold Stanitzek, dem späteren Staatssekretär im hessischen Innenministerium (1987–1991).

Schon am 1. Dezember 1970 zog der junge Rechtsreferendar als „Benjamin“, wie die „Deutsche Tagespost“ am 25. November 1970 titelte, in den Hessischen Landtag ein. Geprägt wurde er hier vom Stil des Oppositionsführers Alfred Dregger, dessen Ziel es war, der CDU in Hessen die absolute Mehrheit zu sichern und der ihm ein wichtiger Förderer war. Im Landtag vertrat er den Wahlkreis 12 (Marburg-Stadt und -Land-Ost, später Marburg-Biedenkopf-Ost). In der 7. Wahlperiode (1970–1974) gehörte er als Mitglied im Ausschuss für Beamtenfragen (bis Januar 1973) sowie dem Petitionsausschuss an, in der 8. Wahlperiode (1974–1978) dem Innenausschuss, Petitionsausschuss sowie dem Unterausschuss Justizvollzug. Außerdem war er Vorsitzender des Rechtsausschusses. In der 9. Wahlperiode (1978–1982) war er nur für kurze Zeit Mitglied im Innen- sowie im Kulturpolitischen Ausschuss sowie stellvertretender Fraktionsvorsitzender, da er sein Landtagsmandat am 4. November 1980 niederlegte, um in den Bundestag nach Bonn zu wechseln.

 

Bundestagsabgeordneter

1980, 1994 und 1998 zog Bohl über die Landesliste Hessen in den Deutschen Bundestag ein, in der 10., 11. und 12. Wahlperiode wurde er im Wahlkreis 129 (Marburg) direkt gewählt.

Eng verbunden ist sein Fortkommen mit den politischen Karrieren von Rudolf Seiters und Wolfgang Schäuble. Alle drei sollten für Bundeskanzler Helmut Kohl im Laufe der Jahre unverzichtbar werden, da sie sowohl das politische Geschäft beherrschten wie auch sich in administrativen Vorgängen gut auskannten und über ein gewisses Maß an Managerqualitäten verfügten. Zunächst konzentrierte sich Friedrich Bohl auf die Arbeit in der CDU/CSU-Fraktion, wo er sich sowohl im Flick-Untersuchungsausschuss wie auch im U-Boot-Untersuchungsausschuss einen Namen machte. Im November 1984 avancierte er mit der Unterstützung Dreggers zum Zweiten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. Hier zeigt sich ein erstes Muster für künftige Ämterrochaden: Er folgte Rudolf Seiters im Amt nach, der das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers von Wolfgang Schäuble übernahm.

 

Chef des Bundeskanzleramtes

1989 erfolgte der nächste Karriereschritt. Bohl folgte Seiters, der Chef des Bundeskanzleramtes wurde, im Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers. Die „Stuttgarter Zeitung“ beschrieb ihn in einem Porträt am 29. April 1989 als „geschickten Fraktionsmanager, dem es offenkundig auch nicht unangenehm ist, heftige verbale Attacken gegen politische Gegner zu reiten“. In Oppositionskreisen erhielt er deshalb den Beinamen „Wadenbeißer“. In der Fraktion selbst nahm er die Funktion eines „Brückenbauers“ ein und verstand es geschickt, zwischen dem Kanzler und den Parlamentariern zu vermitteln.

1991 erfolgte ein erneuter Karrieresprung. Bohl rückte für Seiters, der das Amt des Innenministers übernommen hatte, als Chef des Kanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben nach. Die bisher schon erfolgreiche Zusammenarbeit der Amtsinhaber sorgte dafür, dass die Arbeit auch weiterhin reibungslos verlief. Auch hier nahm Bohl die Position einer grauen Eminenz ein, die im Hintergrund erfolgreich die Strippen zog. „Die Welt“ bescheinigte ihm am 14. September 1991 „Unauffälligkeit und Loyalität bis zur Selbstverleugnung“. Er nahm die Stelle eines Koordinators ein, dem es oblag, einen reibungslosen Arbeitsablauf zwischen dem Kanzleramt, den 18 Bundesministerien und den zwei Koalitionsfraktionen zu organisieren. Vom 25. Mai bis zum 26. Oktober 1998 übernahm er noch kurzzeitig die Führung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.

 

Bundeslöschtage

Nach dem Regierungswechsel 1998 geriet der bislang eher im Hintergrund agierende Bohl in die Schlagzeilen. Am 20. Juli 2000 berichtete „Die Zeit“ unter dem Titel „Operation Löschtaste“, Bohl habe dienstliche Akten in die Konrad-Adenauer-Stiftung verbracht, Computerdateien im Bundeskanzleramt seien gelöscht worden seien. Die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft wurden am 2. Oktober 2003 eingestellt.

 

Rückzug aus der Politik

2002 kündigte Bohl an, nicht mehr für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Zudem legte er den Vorsitz des Kreisverbandes Marburg-Biedenkopf, den er seit 1978 geführt hatte, nieder.

Es folgte eine weitere Karrierestation in der Privatwirtschaft. Schon 1998 war Bohl Generalbevollmächtigter und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) geworden.

2003 erfolgte seine Wahl zum Vorsitzenden des Deutschen Unternehmensverbandes Vermögensberatung als Nachfolger von Walter Wallmann. Im April 2009 wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzenden der DVAG gewählt.

Curriculum vitae

  • 05.03.1945 geboren in Rosdorf (Kreis Göttingen)
  • 1964 Eintritt in die Junge Union und die CDU
  • 1964 Abitur am Realgymnasium in Marburg
  • 1964–1970 Kreisvorsitzender der JU Marburg-Land
  • 1964 Beginn des Studiums der Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg
  • 1969 Erstes juristisches Staatsexamen, Beginn der Referendarausbildung
  • 1969–1973 Bezirksvorsitzender der JU Mittelhessen
  • 1970-1980 Mitglied des Hessischen Landtages
  • 1972 Zweites juristisches Staatsexamen
  • 1976–1999 Bestellung als Notar
  • 1980–2002 Mitglied des Deutschen Bundestages
  • 1984–1989 Zweiter Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
  • 1989–1991 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
  • 1991–1998 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes (von Mai bis Oktober 1998 auch Leiter des Presse- und Informationsamtes des Bundesregierung)
  • 1998–2009 Generalbevollmächtigter und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Vermögensberatung (DVAG)
  • seit 2003 Vorsitzender des Deutschen Unternehmerverbandes Vermögensberatung
  • seit 2009 Aufsichtratsvorsitzender der DVAG

Literatur

  • Günter Buchstab: „Bundeslöschtage“? Wie Kanzleramt und Medien einen Skandal inszenieren. In: Die Politische Meinung Nr. 448 (März 2007) S. 65–72.
  • Gilbert Gornig/Philipp Stompfe (Hg.): Rechtspolitische Entwicklungen im nationalen und internationalen Kontext. Festschrift für Friedrich Bohl zum 70. Geburtstag. Berlin 2015.
  • Hermann Groß: Friedrich Bohl. In: Udo Kempf/Hans-Georg Merz (Hg.): Kanzler und Minister 1949–1998. Biografisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen. Wiesbaden 2001 S. 154–158.
  • Sönke Petersen: Manager des Parlaments. parlamentarische Geschäftsführer im Deutschen Bundestag – Status, Funktion, Arbeitsweise. Opladen 2000.
  • Bruno Schirra: „Operation Löschtaste“. In: „Die Zeit“ vom 20. Juli 2000 S. 3.
  • Franz Walter: Charismatiker und Effizienzen. Porträts aus 60 Jahren Bundesrepublik. Frankfurt/Main 2009, S. 176–180.

 

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