Herkunft, Ausbildung und akademischer Werdegang
Geboren wird Roswitha Wisniewski am 23. September 1926 in der pommerschen Stadt Stolp als Tochter des Architekten Bruno Wisniewski (1892–1966) und seiner Frau Edith (geb. Berndt, 1898–1978), einer Pianistin. 1930 kommt ihr Bruder Edgar, der später auch als Architekt tätig sein wird, zur Welt. In ihrer Heimatstadt besucht sie die katholische Grundschule und später die staatliche Lessing-Schule, ein Lyzeum. Getrübt wird ihre Jugendzeit durch den aufkommenden Nationalsozialismus und dessen Ablehnung der katholischen Kirche.
Bis im März 1945 die Rote Armee die Stadt erobert, bleiben Roswitha Wisniewski und ihre Familie von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs weitgehend verschont. Im September 1945 wird die Familie gezwungen aus der Heimat zu fliehen. Sie kommt bei Verwandten im stark kriegszerstörten Berlin unter. Hier beginnt Bruno Wisniewski sich unter großen Mühen wieder eine berufliche Existenz aufzubauen; zunächst als angestellter Architekt in der Stadtverwaltung, später erneut als freier Architekt. Trotz äußerst angespannter finanzieller Verhältnisse wird beiden Kindern ein Studium ermöglicht.
1946 legt Roswitha Wisniewski in der „Frontstadt“ Berlin das Notabitur ab und beginnt im Wintersemester 1946/47 mit dem Studium der Slawistik – da in ihrem Wunschfach Germanistik kein Studienplatz mehr frei ist – an der im Ostsektor der Stadt gelegenen Humboldt-Universität. Schnell werden dort für sie „ideologische Beeinflussung und politische Gängelung“ spürbar und sie wechselt 1948 – nach Gründung der Freien Universität – an die im Westteil der Stadt gelegene Hochschule. Hier kann sie sich – wie gehofft – im Fach Germanistik immatrikulieren und ist zudem am Aufbau des Germanistischen Seminars beteiligt. 1953 promoviert sie mit einer Arbeit zum Thema „Versuch einer Einordnung des St. Trudperter Hohen Liedes in die Theologie und Philosophie seiner Zeit“ und arbeitet als Assistentin von Professor Hartmut de Boor am Seminar. Mit ihrem Gehalt von 300 DM unterstützt sie zudem ihre Familie. 1960 habilitiert sie, nachdem sie mit Hilfe eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft Theologie in Marburg und Bonn studieren konnte, mit einer Arbeit zum Thema „Die Darstellung des Niflungenunterganges in der Thidrekssaga. Eine quellenkritische Untersuchung“. Bis 1964 ist sie als Privatdozentin weiterhin an der FU tätig. Da aber eine Professur in Deutschland für eine Frau zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich scheint, wagt sie den Sprung ins Ungewisse und nimmt 1965 eine Professur an der Cairo University an. Hier arbeitet sie am Aufbau des Instituts für deutsche Sprache und Literatur mit, das sich regen Zuspruchs unter männlichen und auch weiblichen Studierenden erfreut.
1967 erfolgt die Rückkehr nach Deutschland, wo Roswitha Wisniewski den Lehrstuhl für ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Heidelberg erhält. Ein ganz außergewöhnliches Ereignis, denn zum ersten Mal seit Gründung der Ruprecht-Karls-Universität im Jahr 1386 wird damit eine Frau auf einen Lehrstuhl der Philosophischen Fakultät berufen.
Beginn des Engagements in der Politik
Die 1968 einsetzenden Studentenunruhen mit ihren vielen, für Roswitha Wisniewski teilweise sehr beunruhigenden und erschreckenden Vorgängen, schockieren sie:
Sie wird in ihrer Entscheidung, sich parteipolitisch zu engagieren, bestärkt und tritt 1972 in die CDU ein. Für sie kommt „nur eine Partei in Frage, die auf christlichen Grundlagen ruht, und die die Freiheit für die einzelne Persönlichkeit mit der sozialen Verantwortung für alle verbindet“.
Die CDU der 1970er Jahre ist eine Partei in Aufbruchstimmung, die Frauen, im Gegensatz zu früheren Zeiten, durchaus Chancen bietet: „Gerade auch wir Frauen wurden nicht als Fremdkörper, sondern als notwendige und willkommene Verstärkung empfunden.“ 1973 wird sie zur Vorsitzenden der Frauenvereinigung des Bezirksverbandes Nordbaden gewählt – ein Amt, das sie bis 1998 ausüben wird und das ihr viel Freude bereitet:
Außerdem ist sie von 1977 bis 1980 Stadträtin in Schwetzingen. Schon 1973 gründet sich dort auf ihre Initiative hin die Frauenvereinigung des CDU-Stadtverbandes.
1976 gelingt ihr der Einzug in den Deutschen Bundestag, zunächst über die Landesliste Baden-Württemberg, 1982 gewinnt sie den bislang in SPD-Hand befindlichen Wahlkreis Mannheim II für die CDU direkt. Wichtig ist ihr immer, den Kontakt zu den Wählern nicht zu verlieren. Sie engagiert sich aktiv vor Ort in ihrem Wahlkreis, was sich auch in ihren Wahlergebnissen widerspiegelt. Bis 1994 kann sie ihren Wahlkreis immer wieder direkt gewinnen.
Mitglied des Deutschen Bundestages
Der Erhalt der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit ist ihr ein Herzensanliegen. Im Bundestag gilt ihr Hauptaugenmerk daher der Wissenschafts- und Bildungspolitik und hier insbesondere der mangelnden Frauenförderung an den deutschen Universitäten. Zudem setzt sie sich für die Verbesserung der Organisationsstrukturen an den Hochschulen sowie die Förderung von wissenschaftlichen Eliten ein. Zusammen mit der damaligen Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms arbeitet sie – als Berichterstatterin der CDU/CSU-Fraktion – zudem an der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes mit, die 1985 in Kraft tritt.
Des Weiteren ist sie Mitglied in vielen Parlamentsausschüssen: im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft (1976–1987), für Forschung und Technologie (1980–1983), für innerdeutsche Beziehungen (1983–1990), in den Enquête-Kommissionen „Zukünftige Bildungspolitik-Bildung 2000“ (1987–1990) und „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (1992–1994). Im Unterausschuss „Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts“ führt sie von 1991 bis 1994 den Vorsitz. Ein wichtiger Aspekt ihrer Tätigkeit hier ist die Pflege der Mahn- und Gedenkstätten.
Ihre frühere Verbindung nach Ägypten lebt intensiv wieder auf, als sie den Vorsitz der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe (1980–1994) und die Präsidentschaft der Deutsch-Ägyptischen Gesellschaft Bonn-Kairo e. V. innehat.
In ihrem politischen Wirken spielen – neben dem Einsatz für die Hochschulpolitik – die Fragen nach der Wiedergutmachung von NS-Unrecht, der Entschädigung von Zwangsarbeitern, der Einrichtung von Mahn- und Gedenkstätten und die Förderung der deutsch-polnischen Aussöhnung eine wichtige Rolle.
Einsatz für das kulturelle Erbe der Vertriebenen
1994 erfolgt ihre Emeritierung als Professorin an der Universität in Heidelberg und gleichzeitig beschließt sie, nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren und sich somit wieder der wissenschaftlichen Arbeit zuzuwenden. Für ihre Verdienste wird sie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und die Frauen Union Nordbaden ernennt sie zur Ehrenvorsitzenden.
Eines ihrer Interessengebiete ist noch immer die Pflege des kulturellen Erbes der Vertriebenen und die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen sowie die Unterstützung der deutschen Minderheit in Polen. Schon am 22. Februar 1991 hat sie im Bundestag erklärt:
Ihr Hauptinteresse gilt insbesondere der Pflege des Erbes ihrer pommerschen Heimat und ihrer Heimatstadt Stolp, wobei sie auch intensiv Anteil an der Entwicklung des heutigen Słupsk nimmt. Mit viel Engagement unterstützt sie des Weiteren die Arbeit der Europäischen Akademie Külz-Kulice durch Vorträge und Publikationen.
Von 1986 bis 1993 ist sie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der „Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen“, von 1995 bis 2014 zudem Vizepräsidentin dieser Stiftung. Von 2003 bis 2011, bis sie ihr Amt aus Altersgründen abgibt, hat sie auch die Leitung des Vereins zur Förderung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit e. V. inne.
Am 3. Dezember 2017 verstirbt Roswitha Wisniewski in Bonn.
Curriculum vitae
- 1946 Abitur
- 1953 Promotion
- 1960 Habilitation
- 1967–1994 ordentliche Professorin für Germanistik an der Universität Heidelberg
- 1972 CDU
- 1973–1998 Vorsitzende des BV Nordbaden der Frauenvereinigung
- 1976–1994 MdB
- 1986–1990 Mitglied im Bundesvorstand der Frauen-Union
- 1995–2014 Vizepräsidentin der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat
Veröffentlichungen
- Die Anfänge der christlich-bürgerlichen Frauenbewegung, in: Renate Hellwig (Hg.): Die Christdemokratinnen – Unterwegs zur Partnerschaft. Stuttgart u. a. 1984, S. 21–77
- Mittelalterliche Dietrichdichtung. Stuttgart 1986
- Mit Hermann Kunst (Hg.): Handbuch für Frauenfragen. Zur Stellung der Frau in der Gegenwart. Informationen – Analyse – Anregungen. Stuttgart 1988
- Frierende Hände – erfrorene Hoffnungen. Berichte deutscher Deportierter. Augsburg 2006
- Zum Beispiel Roswitha Wisniewski, in: Helga Hirsch: Endlich wieder leben. Die Fünfzigerjahre im Rückblick von Frauen (Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 1314). Bonn 2012, S. 43–56
- Ein Leben für Wissenschaft und Politik, in: Beate Neuss/Hildigund Neubert (Hg.): Mut zur Verantwortung. Frauen gestalten die Politik der CDU. Köln u. a. 2013, S. 45–52
- Geschichte der deutschen Literatur Pommerns. Vom Mittelalter bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Berlin 2013
- Mit Hans-Gert Pöttering (Hg.): Von Christlicher Kultur und Sozialer Marktwirtschaft. Beiträge und Symposium zum 85. Geburtstag von Dorothee Wilms. Sankt Augustin/Berlin 2015
Literatur
- Geist und Zeit: Wirkungen des Mittelalters in Literatur und Sprache. Festschrift für Roswitha Wisniewski zu ihrem 65. Geburtstag. Hg. von Carola L. Gottzmann. Frankfurt/Main u. a. 1991
- Familie Wisniewski aus Stolp. Biographische Skizzen/Rodzina Wisniewski ze Słupska. Szkice biograficzne. Hg. von der Stiftung Europäische Akademie Külz-Kulice (Zeszyty Kulickie/Külzer Hefte Nr. 10). Szczecin 2015