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Vor exakt 700 Jahren, in der Schlacht von Bannockburn von 1314, hatte Robert the Bruce die Unabhängigkeit Schottlands vom übermächtigen England
erkämpft, nun setzt der amtierende schottische Ministerpräsident
Alex Salmond alles daran, dies mit friedlichen
Mitteln zu wiederholen.
Hinter der simplen Frage des
Referendums („Soll Schottland ein unabhängiges
Land werden?“)
steckt allerdings eine komplexe
Realität mit weitreichenden
Konsequenzen nicht nur für
das Vereinigte Königreich, sondern
voraussichtlich auch mit
Reaktionen auf andere Unabhängigkeitsbestrebungen
in Spanien (Katalonien), Frankreich (Baskenland) oder Italien (Venetien).
Seit Beginn des Jahres haben beide Kampagnen, die
„Better-together-Kampagne“ unter der Leitung des
ehemaligen Finanzministers Alistair Darling und die
YES-Kampagne mit Alex Salmond an der Spitze deutlich
an Fahrt aufgenommen. Dabei gelang es vor allem
Salmond Emotion und Dynamik und damit die Meinungsführerschaft
der Debatte für sich zu gewinnen.
Konsequent blendete er komplexe Sachfragen nach
Außen- und Sicherheitspolitik, EU-Mitgliedschaft und
Währungshoheit aus und setzte dezidiert auf eine fast
romantische Perspektive eines freien, unabhängigen
und wohlhabenden Schottlands.
Auf der 12. Internationalen Konferenz für politische Kommunikation am 12. und 13. Oktober 2014 wird Professor James Mitchell, University of Edinburgh, Experte für schottische Innenpolitik und Autor des Buchs "The Scottish Question", einen Insiderblick auf Emotionen und Argumente beim schottischen Unabhängigkeitsreferendumdas werfen. Mehr Informationen auf der Veranstaltungsseite zur IKPK...
Die Anfangs noch deutlich auseinander liegenden Umfragewerte
(mit einem 20-Prozent-Vorsprung zugunsten
der Einheit) sanken kontinuierlich und schrumpften
zuletzt auf unter 10 Prozent Abstand. Bei zwischen 10
bis 20 Prozent unentschlossenen Wählern ist hier also
noch alles offen. Die jüngsten TV-Duelle zwischen Darling
und Salmond gingen in der Summe klar zugunsten
Salmonds aus (auch wenn Darling im ersten Duell mit
seinen hartnäckigen Fragen nach der Währungshoheit
zu punkten wusste), so dass die Zuversicht der Unabhängigkeitsbefürworter
anhält, das Referendum trotz
des nach wie vor signifikanten Abstands tatsächlich
gewinnen zu können. Wie genau es danach weitergehen
würde ist allerdings unklar, rechtlich bindend ist
das Referendum nicht, von daher müsste auch der
Fahrplan danach erst noch verhandelt werden.
Denkbar und machbar wäre ein unabhängiges Schottland
durchaus, der Preis dafür und die damit verbundenen
Ungewissheiten sind aber für beide Seiten
enorm. Allein die finanzielle Rechnung Schottlands mit
den Erdöleinnahmen seinen Wohlstand finanzieren zu
können, steht angesichts sehr schwankender Prognosen
über Reserven und Kosten auf tönernen Füßen.
Auch der Wegfall der Transferleistungen und Subventionen
aus London gehört dazu sowie die schon erwähnte
Frage nach der Währungshoheit und des staatlichen
Gesundheitssystems NHS. Und die Schotten
müssen sich auch fragen lassen, wie viel mehr Autonomie
sie denn in der Union noch verlangen wollen neben
den schon bestehenden Faktoren wie ein eigenes Parlament,
eigener Fahne und Hymne und sogar eigener
Fußball- und Rugbynationalmannschaft.
Für Großbritannien wäre der Wegfall Schottlands eine
geradezu traumatische Angelegenheit. Ein erheblicher
Teil des bisherigen Staatsgebietes würde wegfallen,
das verbleibende Kernland wäre kleiner als Rumänien,
und die Bevölkerungszahl läge unter der von Italien.
Die Reduzierung von Great Britain auf Little England
wäre dann wohl mehr Realität als nur eine griffige Floskel.
Aber selbst wenn das Referendum zugunsten eines
Verbleibs ausginge, kommt Großbritannien nicht um
eine ernsthafte Debatte über die zukünftige Gestaltung
der Beziehungen zwischen London und seinen
Landesteilen herum. Und in dieser Debatte sind die Parallelen
zum Verbleib Großbritanniens in der EU (und
dem möglichen diesbezüglichen Referendum 2017)
frappierend. Fast identisch sind die Vorwürfe aus
Schottland in Richtung London zu denen Großbritanniens
in Richtung Brüssels. Insofern wird viel institutionelle
und politische Flexibilität nötig sein, um das zusammenzuhalten,
was sowohl national als auch international
zusammengehört.
Der Artikel erschien im Original in der Fuldaer Zeitung.