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Der Energiedialog von KAS und TERI, dem Institut des Friedensnobelpreisträgers RK Pachauri, fand in diesem Jahr bereits zum vierten Mal statt. Damit wurde spätestens jetzt eine nachhaltige Institutionalisierung der Diskussionen um erneuerbare Energien, Klimawandel und Energiesicherheit geschaffen. Die internationale Konferenz in Goa stand unter dem Vorzeichen des Weltklimagipfels in Kopenhagen. In weniger als drei Monaten soll dort eine Antwort auf die wesentlichen Energie- und Klimaherausforderungen der Zukunft gefunden werden. Indien zählt in diesem Kontext zu den bedeutendsten Schwellenländern der Erde. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Indien neben China im Fokus des öffentlichen Interesses steht, couragierte Lösungen für unweltverträgliche Methoden der Energieerzeugung der Zukunft zu finden. Im Rahmen des Energiedialogs wurde deutlich, dass gerade die indische Seite an einer globalen Lösung interessiert ist, dennoch schränken die Inder ein, dass Klimaschutzziele mit den wirtschaftlichen Interessen und der Entwicklung des Landes mit der Milliardenbevölkerung in Einklang gebracht werden müssen.
Die Forscher von TERI haben basierend auf ihrer Studie „Carbon Constrained Scenario“ deutlich gemacht, dass neben China auch Indien in den kommenden Jahrzehnten einen erheblichen Hunger nach Energie entwickeln wird. Insbesondere die Nachfrage nach Öl und Gas werde bis zum Jahr 2030 um fast 100 % steigen. Betrachtet man diese Zahlen, so ist es nur verständlich, dass sich Indien Gedanken um seine Energiesicherheit macht. Bereits in Kürze will man wieder Wachstumszahlen in Höhe von 9 % und mehr erreichen und an Erfolge der Jahre vor dem Eintreten der weltweiten Wirtschaftskrise anknüpfen. Im Bezug auf die Energieerzeugung und den Stand der technischen Entwicklungen in Indien und der Region Südasien steht damit für die indischen Energieexperten fest, dass die Nutzung der Atomenergie auf absehbare Zeit unverzichtbar sein wird. Mit Blick auf die indische Regierung wird deshalb eine schnellere Deregulierung der indischen Energiemärkte gefordert. Bisher ist es für ausländische Investoren noch nicht möglich, auf dem indischen Markt eigene Projekte zur Energieerzeugung zu initiieren. Besonders im wichtigen Bereich der Atomenergie sind Investoren auf ein indisches Joint Venture angewiesen, bei dem sie im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung maximal 49 % einer Gesellschaft halten dürfen. Darüber hinaus wurde im Rahmen des vierten KAS/TERI-Energiedialogs die Frage der Zuständigkeit für Entscheidungen im Bereich der Energie aufgeworfen, denn in Indien ist Energie bisher eine Sache der Bundesstaaten. Der Bau neuer Kraftwerke, unabhängig vom Energieträger, kann in Indien von der Planungsphase bis zur Inbetriebnahme leicht zehn Jahre und mehr dauern. Einige Experten versprachen sich von einer Zentralisierung in diesem Sektor eine Beschleunigung bei der Lösung der Energieprobleme des Landes.
Mit Blick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung in Indien und die möglichen Verschmutzungspotentiale warnten die europäischen Akteure vor einem unbedachten Umgang mit Emissionen. So hat Indien gerade ein Programm zum Bau von Kraftwerken aufgelegt, die bei ihrer Inbetriebnahme im Jahr 2012 ebenso viel CO2 ausstoßen werden, wie alle Kraftwerke der Industrienation Großbritannien zusammen. Es ist zwar richtig, dass heute China für 23 % aller globalen Emissionen verantwortlich ist und Indiens Anteil nur 5 % beträgt, betrachtet man allerdings mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2030, sei eine gezielte Energiepolitik notwendig, um nicht zu den größten Verschmutzern der Erde zu gehören.
Der deutsche Bundestagsabgeordnete Dr. Joachim Pfeiffer (Koordinator für Energiepolitik und stellvertretender wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) deutete in seinem Statement darauf hin, dass Indien ähnlich wie Deutschland seine Energiefragen in einem ausgewogenen Energie-Mix lösen könne. Dazu zähle einerseits die Nutzung der Atomenergie – hier müssten die Verantwortlichen auf höchste Sicherheitsstandards und den Einsatz moderner Technologie Wert legen. Das erreiche man am besten durch die Kooperation mit internationalen Partnern. Ähnlich wie in Deutschland könne die Atomenergie so lange als Brückentechnologie genutzt werden, bis andere ausreichende Ressourcen zur Netzlastabdeckung zur Verfügung stünden. Ein weiterer Bestandteil müsse die Entwicklung von Ressourcen im Bereich erneuerbarer Energien darstellen. Bereits heute gibt es in Indien vielversprechende unternehmerische Initiativen im Bereich Solar- und Windenergie sowie Wasserkraft. Die klimatischen Voraussetzungen im Land und die zahlreichen Flüsse im Norden lassen eine Investition in diese Technologien rational erscheinen. Das gilt auch im Bezug auf Indiens nationale Sicherheit, denn außenpolitische Analysen des Institute for Defense Studies and Analysis (IDSA) und des KAS-Partners Instutute of Peace and Conflicts Studies (IPCS) sind zu dem Ergebnis gelangt, dass energieerzeugende Staaten (beispielsweise OPEC, Russland, Iran) ihre Energieressourcen immer stärker im Sinne einer Interessenpolitik einsetzten. Dieses Verhalten werde bei einem zunehmenden Wettbewerb um fossile Energien nicht abnehmen. Für vorwiegend energiekonsumierende Staaten bedeutet der Ausbau von Kapazitäten im Bereich erneuerbarer Energien damit auch wachsende Unabhängigkeit.
Im Rahmen der Diskussionen waren sich die Experten einig, dass einerseits eine möglichst unabhängige Versorgung mit Energie in Indien im Fokus des Interesses stehen muss, dass andererseits die Verantwortlichen damit beginnen müssen, für den effizienten Umgang mit Energie und Energieeinsparung zu werben. Die Forscher des Energie-Think Tanks REEEP brachten in die Diskussion ein, dass in Südasien schon heute durch energieeffizientes Verhalten der Gesamtverbrauch um 25 % gesenkt werden könne. In diesem Zusammenhang dürfe sich Indien nicht hinter seiner Armutsproblematik verstecken. Im Rahmen der Gespräche ist deutlich geworden, dass die Inder im Bereich der Energieeffizienz den Deutschen ein hohes Maß an Know-How zubilligen. Im Rahmen von Kooperationen in Forschung und Wissenschaft kann die bilaterale Zusammenarbeit noch deutlich ausgebaut werden. So sieht es auch das Strategieabkommen zwischen beiden Ländern vor.
Die Ergebnisse der Konferenz werden in einem Policy Paper den politischen Entscheidungsträgern und Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft zugänglich gemacht.