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Wie kaum ein anderes Thema hat das Atomabkommen zwischen den P5+1 Mächten und dem Iran im vergangen Jahr nicht nur, aber vor allem, in Israel sowohl im öffentlichen Diskurs als auch unter der politischen Elite zu kontroversen Diskussionen geführt. Dabei warnte die israelische Regierung, allen voran Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, vor einem nicht zu vertrauendem Iran, der weiterhin die Vernichtung des jüdischen Staates anstrebe und entgegen des Atomabkommens mit dem Westen seine atomaren Bestrebungen, nebst eventuellen vorübergehenden Einschränkungen, auf lange Sicht fortführen werde. Im Zuge der Verhandlungen mit dem Iran wurde eine generelle weltweite Debatte über internationale Bemühungen für atomare Abrüstung und nukleare Rüstungskontrolle angestoßen. Denn trotz Jahrzehnter langer Bestrebungen, gibt es heute mehr Länder denn je, die im Besitz nuklearer Waffen sind.
Um die Herausforderungen der Abrüstung bzw. Rüstungskontrolle offen und tiefgründig erörtern zu können, richtete sich der erste Tag der Konferenz im Rahmen eines Expertenforums an internationale Akademiker, Fachexperten und politische Entscheidungsträger. Ziel war es unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Chatham House Rule einen ehrlichen und direkten Austausch zu ermöglichen, der auch Raum für Meinungen außerhalb öffentlicher politischer Positionen bietet.
Während der erste Tag sich kritisch mit generellen Fragestellungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung auseinandersetzte, wurde am zweiten Tag unter Augen der israelischen Öffentlichkeit explizit über den Atomdeal mit dem Iran diskutiert. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch ein Grußwort des deutschen Botschafters in Israel, Dr. Clemens von Goetze. Dieser betonte, dass das Abkommen eine große Chance der Annäherung bedeute und zur regionalen Sicherheit beitrage. Im gleichen Atemzug betonte er jedoch auch und stellte damit unmissverständlich klar, dass das Abkommen das gute und vertrauensvolle Verhältnis zwischen Israel und Deutschland nicht beeinträchtigen dürfe. Auch weiterhin sei für die Bundesregierung das Existenzrecht Israels unanfechtbar und stelle einen der wichtigsten Pfeiler der bilateralen Beziehungen dar. Darüber hinaus werde die internationale Gemeinschaft strengstens kontrollieren, ob und inwieweit der Iran die Einigungen sowie die korrekte Umsetzung der vereinbarten Reglementierungen bzw. Schritte des Abkommens einhält, so der Botschafter.
Auf das Grußwort des Boschafters folgte ein Einführungsvortrag durch den ehemaligen Direktor der Israel Atomic Energy Commission, Gideon Frank, indem er vor allem auf die Herausforderung der Implementierung des Abkommens einging und bekräftigte, dass der Iran alles dafür tun werde, die Abmachungen während der Vertragszeit einzuhalten. Denn nur so werde sich die katastrophale Wirtschaftslage des Landes erholen können. Die schwierige Frage sei vielmehr, was nach Ablauf des Vertrages, d.h. in ca. neun Jahren passieren werde. Zwar existiere ein „Nebenabkommen“, das den Iran auch bis zu fünf Jahre nach Ende des eigentlichen Abkommens gewissen Regelungen unterzieht, doch bleibe fraglich, ob dies als Maßnahme genüge. Bis dahin sei jedoch sichergestellt, dass die Anreicherung und Wiederaufbereitung von Uran im Iran unter strengen Richtlinien und einer scharfen Kontrolle geschehe. Ferner müsse eine Batterie von wirkungsvollen Abschreckungsmechanismen eingeführt werden, die im Falle einer Verletzung des Abkommens durch den Iran greifen, so Frank. Die größten Herausforderungen in diesem Zusammenhang seien der Erhalt einer permanenten wirkungsvollen Sicherheitsstrategie, die Effektivität des UN Sicherheitsrates (der oftmals durch einen langwierigen Vetoprozess in seiner Arbeit behindert werde) und die Notwendigkeit durch erfahrene Experten mögliche Verletzungen des Abkommens zu identifizieren. Dennoch berge das Abkommen auch eine große Chance der Annährung, schloss Frank seinen Vortrag.
Auf die „keynote address“ folgte das erste Panel der Konferenz. Unter dem Titel „Nuclear Snapshots“ stellten sich die drei Expertinnen Dr. Emily Landau (INSS), Valerie Lincy (Wisconsin Project) und Kelsey Davenport (Arms Control Association) den kritischen Fragen des Fernsehmoderators Udi Segal. Dieser begann die Diskussionsrunde mit der generellen und breit aufgestellten Frage, ob das Atomabkommen mit dem Iran grundsätzlich das erfülle, was sich die P5+1 Mächte erhofft hatten. Die Panelisten stimmten darüber ein, dass das Abkommen ein Jahr nach dessen Inkrafttreten seinen Zweck prinzipiell erfülle und der Iran den Regularien und Abmachungen nachkomme. Dennoch habe das Abkommen Schwächen: so sei das frühe Auslaufdatum des Vertrages eine große Schwachstelle und führe zu der Frage, wie mit dem Iran anschließend umzugehen sei. Wichtig sei vor allem, wie die Expertinnen betonten, dass die internationale Gemeinschaft in einen konstanten Dialog mit dem Iran trete, um auch nach dem Ende des Abkommens eine mögliche illegale Urananreicherung zu verhindern.
In der zweiten Diskussionsrunde wurde unter dem Titel "Sanctions Dimensions" konkreter über die ökonomische Dimension des Abkommens gesprochen. Botschafter Dr. Oded Eran, Moderator des zweiten und dritten Panels, wollte von Mark Dubowitz (FDD) und Andrea Berger (RUSI) wissen, ob ein Regimewechsel bzw. ein radikaler Kurswechsel der jetzigen iranischen Führungsriege denkbar sei. Dubowitz machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass die iranische Wirtschaft vor dem Abkommen kurz vor dem Kollabieren stand und der Staat somit auf eine Lockerung der Sanktionen angewiesen war. Somit stelle sich vor allem die Frage, was mit dem Abkommen passiere, wenn das Land sich wirtschaftlich rehabilitiert hat und nicht mehr von der Aufhebung der Sanktionen abhängig ist. Berger ging daraufhin auf die Menschenrechtsverletzungen ein, die täglich im Iran begangen würden. Auch hier müssten Sanktionen eigentlich greifen – das dies nicht geschehe, sei ein großes Versäumnis.
Die letzte Diskussion setzte sich mit den „Regional Implications“ des Atomabkommens auseinander – eine Thematik, die vor allem die israelische Öffentlichkeit im vergangen Jahr sehr beschäftigte und Grund zur Sorge gab. So wird befürchtet, dass durch eine grundsätzliche Stärkung des Iran im Zuge der Aufnahme von wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen, die Bedrohung Israels, die vom Iran ausgeht, merklich steigen werde. In der Diskussionsrunde an der Prof. Carlo Masala (Universität der Bundeswehr) und Prof. Meir Litvak (Iranian Center for Iranian Studies) teilnahmen wurde deutlich, dass die Regionalmächte im Nahen Osten Iran als den „Gewinner des Abkommens“ und die USA als schwachen Akteur wahrnehmen, der sich in den Verhandlungen nicht wirklich hat durchsetzen können. Im Verlauf des Panels wurde insbesondere ebenso über die Rolle Saudi-Arabiens und der Türkei gesprochen: es dürfe beispielsweise auf keinen Fall angenommen werden, dass sich Israel und Saudi-Arabien durch den gemeinsamen Feind „Iran“ annähern werden – dies sei ein Trugschluss.
Der Konferenznachmittag endete mit einem Schlusswort durch den Direktor von INSS, General a.D. Amos Yadlin. Dieser betonte nochmals, wie wichtig die Einhaltung des Abkommens sei, so dass es auch zu dem erhofften Resultat führe – nämlich zu einer Welt mit einer atomaren Bedrohung weniger.
Die hohen Besucherzahlen des öffentlichen Konferenztages machten einerseits deutlich, wie groß das Interesse in Israel an dem Atomabkommen mit dem Iran ist. Andererseits aber auch, wie wichtig es ist, Vorbehalte und Vorurteile durch versierte Experten zu konfrontieren, um somit auch die Entscheidung der P5+1 Mächte für solch ein Abkommen zu übermitteln und zu erläutern. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Diskussionen auch Verständnis für die kritische Perspektive Israels auf die Annäherung zwischen dem Westen und Iran geschaffen und warf insbesondere den so wichtigen Blick auf die regionalen Implikationen des Abkommens.