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Country reports

Als guter Hirte bei seiner Herde

by Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Papst Benedikt XVI. stärkt bei seinem Jordanienbesuch den Christen in der arabischen Welt den Rücken

Den ersten Teil seiner Nahostreise hat Papst Benedikt XVI. erfolgreich abgeschlossen. In Jordanien fand der Papst die richtigen Worte – sowohl gegenüber den Moslems als auch zur Unterstützung der Christen in der arabischen Welt. Auch Jordanien kann die Papst-Visite für sich als Erfolg verbuchen. Dem Land, das immer wieder unter Identitätsproblemen leidet, ist es gelungen, sich der Weltöffentlichkeit in puncto Religionsfreiheit und Toleranz als Vorreiter in der Region und als Vermittler im Nahost-Friedensprozess zu präsentieren.

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Vom heiligen Berg Nebo aus, so begann Papst Benedikt XVI. seine 13-minütige Predigt im Sportstadion von Amman vor 25.000 Menschen, habe er für die Kirche im Nahen Osten gebetet, damit sie „bestätigt werde in der Hoffnung und gestärkt durch ihr Bekenntnis des auferstandenen Herrn“. Seit langem habe er auf die Möglichkeit gewartet, den Christen im Nahen Osten zu begegnen, so der Papst beim Open-Air-Gottesdienst am 10. Mai. Auch wenn die Christen unter „all den Schwierigkeiten und Ungewissheiten zu leiden“ hätten, die alle Menschen im Nahen Osten beträfen, so seien die „starken christlichen Familien“ doch ein „großartiges Erbe“ und spielten seit der Zeit der Apostel eine „unersetzbare Rolle“ in den Gesellschaften des Nahen Ostens.

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Gut gefüllte Ränge während der Papstmesse

Stärkung und Ermutigung hatten sich die Katholiken und die Christen insgesamt im Nahen Osten vom ersten Besuch Papst Benedikts XVI. in ihrer Region erhofft. Auch deshalb waren sie aus anderen arabischen Staaten nach Jordanien geströmt. Viele kamen aus dem Libanon, wo Jordanien sogar extra mit Werbeplakaten für Papst-Tourismus geworben hatte, aus Syrien oder Ägypten. Sogar einige irakische Christen machten sich im Stadion von Amman mit ihren Flaggen bemerkbar.

Die Reise Benedikts XVI. stand vor allem im Zeichen des christlichen Erbes des Nahen Osten. Der Papst besuchte dabei nicht nur biblische Stellen, sondern segnete auch mehrere Grundsteine für neue Kirchen und eine katholische Universität in der traditionellen jordanischen Christenhochburg Madaba.

Klare Worte tauschte der Papst mit seinen moslemischen Gesprächspartnern aus. Gegenüber islamischen Geistlichen sprach der Papst von den „Missverständnissen“, welche das Verhältnis zwischen beiden Weltreligionen so oft belastet hätten. Auf das letzte dieser „Missverständnisse“ nahm Prinz Ghazi, der Berater König Abdullahs II. in religiösen Angelegenheiten, direkt Bezug, als er dem Papst dafür dankte, sein „Bedauern“ darüber zum Ausdruck gebracht zu haben, wenn die Gefühle mancher Muslime durch seine „Regensburger Rede“ aus dem Jahr 2006 verletzt worden seien. Besonders hätten Moslems die Klarstellung geschätzt, dass „das, was in der Regensburg-Rede gesagt wurde, nicht die Meinung Seiner Heiligkeit reflektiert, sondern einfach ein Zitat in einem akademischen Vortrag war“.

Benedikt XVI. drückte gegenüber dem Prinzen seinen „tiefen Respekt vor der muslimischen Gemeinschaft“ aus und brachte seine „Wertschätzung“ darüber zum Ausdruck, dass der jordanische Staat die Christen etwa durch die Erlaubnis für neue Kirchenbauten bei der Ausübung ihrer Religion unterstütze. Prinz Ghazi forderte, dieser „Geist der Harmonie zwischen den Religionen“ in Jordanien müsse auch dort als Beispiel aufgenommen werde, wo „muslimische Minderheiten von christlichen Mehrheiten unterdrückt werden - ebenso wie in andere Weltgegenden, wo das Gegenteil der Fall ist.“

„Respekt“ vor den Frauen

Neben dem klaren Bekenntnis zum interreligiösen Dialog und der Unterstützung der Christen im Nahen Osten setzte Benedikt XVI. einen weiteren wichtigen Akzent – die Betonung der Rolle der Frauen in der arabischen Welt. In seiner Predigt im Sportstadion von Amman wies er eindringlich darauf hin, dass die Gesellschaft im Nahen Osten den zahlreichen Frauen viel verdanke, die „zu verschiedenen Zeiten und in mutiger Art und Weise ihr Leben dem Aufbau des Friedens“ gewidmet hätten. Leider, so fügte der Papst hinzu, sei diese „gottgegebene Würde und Rolle der Frauen“ nicht immer „ausreichend verstanden und geschätzt worden“. Deshalb forderte er die „Kirche im Heiligen Land“ dazu auf, den „Respekt“ vor den Frauen zu verkündigen und ihre „angeborene Würde“ zu verteidigen.

Benedikt XVI. bemühte sich um Volksnähe. So ließ er sich ein jordanisches Tuch um den Hals legen und begann die Heilige Messe im Sportstadion auf Arabisch mit „As-salam aleikum („Der Friede sei mit Euch“), was zu einem spontanen Beifallssturm im weiten Rund des Stadions führte.

Derartige Zeichen kamen in Jordanien an. Der Besuch des Pontifex und seine Worte wurden im Land aber auch in der arabischen Welt insgesamt überwiegend positiv aufgenommen. Das offizielle Jordanien, angeführt von König, Königin und Mitgliedern der königlichen Familie, hieß den Papst willkommen. Das Staatsoberhaupt erklärte an den Papst gerichtet in seiner Begrüßungsrede: „Wir heißen Ihr Engagement willkommen, die falschen Meinungen und Divisionen zu entkräften, welche die Beziehungen zwischen Christen und Moslems geschädigt haben“.

Die Königin berichtete ihre Eindrücke vom Papstbesuch sogar über die interaktive Online-Plattform „Twitter“ und verbreitete dort im Jugendjargon verfasste Kommentare wie: „Crowds excited 2 c Pope. Baptism site left me in awe. Heart filled with love“ oder „Taking kids 2 meet Pope, just about convinced eldest 2 wear suit. Now negotiating with my 4 yr old“.

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Menschen warten am Strassenrand auf Benedikt XVI. – mit Jordanien- und Vatikanflaggen

Bereits Tage vor Beginn des Papstbesuches war dieser beherrschendes Thema in Jordanien. Vatikanflaggen und Bilder des jordanischen Königs mit dem Papst zierten die Laternenmasten und alle Zeitungen brachten Sondernummern über die Nahost-Reise Benedikts XVI. Alle öffentlichen Termine des Papstes wurden live im jordanischen Staatsfernsehen übertragen. Die Straßen waren geputzt und die Bordsteine gestrichen worden. Die jordanische Post brachte gar eine Sonderbriefmarke anlässlich des Papstbesuches heraus. Für jeden im Land sollte deutlich werden, dass Jordanien gewillt und in der Lage ist, den Heiligen Vater, der in Jordanien nicht nur als geistiges Oberhaupt der Katholischen Kirche, sondern auch als politischer Botschafter für den Frieden anerkannt wird, gebührend zu empfangen. Jordanien, so die Botschaft sei ein offenes und tolerantes Land, welches Christen respektiere und sie als wichtigen Bestandteil der eigenen Identität betrachte. Gleichzeitig wollte sich das Königreich als Teil des „Heiligen Landes“ auch als Ziel für religiösen Tourismus attraktiv machen.

Reaktionen

Die englischsprachige „Jordan Times“, welche neben einer arabischen Leserschaft auch auf die im Land lebenden Ausländer ausgerichtet ist, druckte praktisch alle Reden des Papstes, der Königsfamilie sowie der jordanischen Regierungsvertreter in voller Länge ab und berichtete täglich seitenlang vom Papstbesuch. Auch die arabischsprachigen Tageszeitungen widmeten dem hohen Besuch Sonderbeilagen. Insbesondere, so der Tenor, untermauere die Tatsache, dass Benedikt XVI. gerade Jordanien besuche, die „herausragende Bedeutung des Landes“.

Kritische Stimmen zum Papstbesuch kamen – erwartungsgemäß – aus islamistischen Kreisen. Bereits im Vorfeld des Besuches hatte der jordanische Zweig der Moslembruderschaft den Papst aufgefordert, seine Reise zu verschieben und sich für seine Bemerkungen gegenüber dem Islam zu entschuldigen. „Der Papst hasst den Islam und die Moslems“ hatte der stellvertretende Generalsekretär der Islamic Action Front, des politischen Arms der jordanischen Moslembrüder, Raheil Gharayba, erklärt. Deshalb sei der Papst „nicht willkommen in Jordanien“. Während und nach dem Papstbesuch schalteten die Moslembrüder rhetorisch einen Gang zurück, insbesondere – den Gerüchten zufolge – nachdem die jordanischen Sicherheitskräfte Warnungen an die Moslembrüder ausgesandt hatten. Die Moslembrüder zeigten lediglich ihre Enttäuschung darüber, dass sich der Papst für seine Regensburger Rede nicht förmlich entschuldigt hätte. „Was der Papst gesagt hat, war keine Entschuldigung“ , so Hamam Said, der Chef der jordanischen Moslembrüder.

Der maßgeblich für den Papstbesuch verantwortliche Informationsminister und Regierungssprecher Nabil Sharif zeigte keinerlei Beunruhigung über die Aussagen der Moslembrüder: Jordanien sei ein “freies und demokratisches Land”, in dem jede politische Gruppe das Recht habe, die eigene Meinung „frei auszudrücken“.

Auch außerhalb Jordaniens fand der Papstbesuch ein Echo. Der Besuch des Papstes, so bemerkte die libanesische Zeitung „Daily Star“ in einem Leitartikel , habe den Blick der Weltöffentlichkeit auf die Situation der Christen im Nahen Osten gelenkt, welche in großer Zahl ihrer Region den Rücken kehrten. Benedikt XVI. habe sie aufgefordert, trotz aller Schwierigkeiten in der Region zu bleiben. Auch wenn der Papst sich auf die Christen bezogen habe, so das Blatt, „sind die Lösungen, die benötigt werden, um diese Minderheit dazu zu bewegen, nicht aus ihren Heimatländern zu fliehen dazu geeignet, allen Menschen in dieser Region zu helfen: Konfliktlösung, Friedensstiftung und wirtschaftliche Entwicklung“.

Der arabische Fernsehsender „Al-Jazeera“ (Katar) bezog sich in einem Kommentar auf die politische Bedeutung des Papstbesuches im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt : „ Benedikt XVI. hat herausgestellt, dass er sich auf einer Pilgerreise und nicht auf einer politischen Mission befindet, aber dies ist der Nahe Osten und seine Kommentare werden zwangsläufig eine politische Dimension erhalten, insbesondere so kurze Zeit nach dem Krieg in Gaza.“ Auf die Frage, welche Rolle die Kirche bezüglich des israelisch-palästinensischen Konfliktes übernehmen könne, habe der Papst erklärt, die Kirche sei keine politische, sondern eine spirituelle Macht und könne so ihren Beitrag zum Frieden leisten. Sicherlich sei dies ein „nobles Gefühl“, jedoch lasse es „die Details vermissen, die jeder an der Frontlinie des Konfliktes hören möchte“.

Kritischer bewertete das iranische Nachrichtenportal “Press TV” die Reise. Der Papst habe durch seine nicht erfolgte Entschuldigung für seine Regensburger Rede „Öl ins Feuer der Kontroverse“ gegossen.

Bewertung

Im Vorfeld des Papstbesuches war viel davon gesprochen worden, dass der Papst auf seiner heiklen Reise nach Jordanien eigentlich nur Fehler machen könne. Derartige Befürchtungen sind nicht eingetreten. Dies lag vor allem daran, dass sowohl der Vatikan aber auch Jordanien mit aller Macht einen Erfolg der Reise herbeiführen wollten. Dieser Erfolg ist auch ohne Einschränkung gelungen. Insbesondere der ernsthafte und sachorientierte Dialog zwischen Prinz Ghazi und dem Papst in einer Moschee in Amman dürfte dem Interreligiösen Dialog wichtige Impulse gegeben haben. Dabei muss klar gesagt werden, dass dies auch an der Bereitschaft des Prinzen und damit der jordanischen Seite allgemein lag, selbst Schritte auf den Papst zuzugehen. Der Prinz zeigte sich insbesondere durch seine Annahme der Erklärung Papst Benedikts zu seiner Regensburger Rede und das Eingeständnis, dass es Gegenden gebe, in denen christliche Minderheiten von moslemischen Mehrheiten unterdrückt werden, dialogbereit. Dieses Entgegenkommen könnte durchaus noch für Angriffe von Seiten islamistischer Kreise sorgen.

Für Jordanien bot der Papstbesuch zusätzlich die einzigartige Gelegenheit, sich der Welt als wichtige arabische Nation zu präsentieren. Dass ausgerechnet Jordanien als erste Etappe für die päpstliche Nahostreise ausgewählt worden war, empfand man als eine Art Ritterschlag. Das Land hat deutlich gemacht, dass es gewillt ist, eine Vermittlerrolle einzunehmen – sowohl im Interreligiösen Dialog als auch im Nahostkonflikt. Durch die gemeinsame nationale Kraftanstrengung „Papstbesuch“ versuchte man weiterhin, das Gemeinschaftsgefühl des aus Jordaniern, Palästinensern und weiteren Minderheiten (insbesondere Tscherkessen und Tschertschenen) zusammengesetzten Volkes zu stärken. Letztlich ist der Papsbesuch für Jordanien so zu einem durchschlagenden Erfolg geworden. Daran konnten auch die recht leisen Proteste der Moslembrüder nichts ändern.

Die vielleicht bedeutsamste Geste des Papstes war jedoch die Betonung der Wichtigkeit der nahöstlichen Christenheit für die Gesellschaften der arabischen Welt, wo sich die Wiege der Christenheit befindet. Die stark schrumpfende arabische Christengemeinde – resultierend aus geringen Geburtsraten und Auswanderung – fühlt sich von ihren Glaubensgenossen im Westen nicht ausreichend beachtet und vernachlässigt. Benedikt XVI. hat den Christen den Rücken, aber auch ihren Glauben gestärkt. Dabei beließ er es nicht nur bei Worten. Durch die Segnung von Grundsteinen katholischer Bildungseinrichtungen und Kirchen legte er ein klares Bekenntnis ab, dass die Katholische Kirche an einer starken Rolle der Christen in Jordanien und dem gesamten Nahen Osten interessiert ist. Die Erbauung einer neuen Katholischen Universität kommt auch deshalb besondere Bedeutung bei, da immer mehr gut ausgebildete Christen Jordanien in Richtung Ausland verlassen. Die Botschaft des Heiligen Vaters an die arabische Christengemeinde ist eindeutig: Durch einen gestärkten Glauben am Frieden im Heiligen Land gemeinsam zu arbeiten.

Die Christen in Jordanien und dem gesamten Nahen Osten gehen so gefestigt aus dem Besuch des Pontifex hervor. Der Papst hielt sich damit an das Evangelium vom „guten Hirten“, welches während der Heiligen Messe im Sportstadium von Amman verkündet wurde. Der Papst ist als „Hirte“ der katholischen Kirche zu seiner „Herde“ im Nahen Osten gekommen.

Auch politisch hat dieser Besuch vieles bewirkt: Der Vatikan hat immer wieder betont, dass es sich um eine Pilgerreise des Papstes im Heiligen Land handelt. Dennoch sind zahlreiche politische Botschaften insbesondere in seiner Predigt im Stadium von Amman zu erkennen. Der Papst hat politische Wahrheiten angesprochen. Nicht nur, was den Dialog zwischen Muslimen und Christen angeht, sondern auch hinsichtlich der Stellung der Frau in der arabischen Welt. Gleichsam ist das reformwillige Haschemitische Königshaus auf den Papst zugegangen und hat ebenso bittere Wahrheiten verkündet, die es zu korrigieren gelte.

Die wohl bedeutsamste politische Botschaft des Papstes für Jodanien war, dass der Heilige Vater dem Land Jordanien bescheinigt hat, ein Teil des Heiligen Landes zu sein, welches über eine eigene Identität verfügt. Diese Identität bestehe aus der Vielfalt des jordanischen Volkes mit seinen christlichen und moslemischen Wurzeln und seinen unterschiedlichen Bevölkerungsteilen. Diese Botschaft ist wichtig für das Land hinsichtlich seiner politischen Stabilität sowie auch für seine gewollte Vermittlerrolle im Nahost-Friedensprozess und im Dialog zwischen Christentum und dem Islam. Jordanien sucht die internationale Anerkennung. Der Nahostkonflikt überschattet aus Sicht Jordaniens die Bedeutung dieses sta bilen Landes, das nach außen ein Image des friedlichen Zusammen- und Miteinanderlebens im Nahen Osten vermitteln will. Durch den Papstbesuch findet Jordanien als Land, welches Fortschritt und Tradition friedlich zu vereinen versucht, diese Anerkennung und Beachtung. Umso wichtiger war es daher für Jordanien, dass dieser Besuch des Pontifex von Erfolg gekrönt wurde.

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de

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