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Event reports

Gemeinsame Grundlagen und Universelle Werte in der Euro-Mediterranen Partnerschaft

by Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Herausforderungen und Optionen für den Interkulturellen Dialog

In kaum einer anderen Region sind kulturell-religiöse Gemeinsamkeiten und Unterschiede so greifbar wie im Mittelmeerraum. Das Nebeneinander-, Zusammen- und leider auch zu oft auch Gegeneinander- Leben der christlich-abendländischen, der moslemischen und der jüdischen Kultur bildet eine Gretchenfrage für Erfolg oder Misserfolg der Euro-Mediterranen Partnerschaft. Die wachsenden Migrationsströme verlagern die Frage des interreligiösen und interkulturellen Dialoges einerseits in die einzelnen Nationalstaaten hinein, während ihr die Globalisierung andererseits eine weltweite Dimension gibt.

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1. Idee

Der globale Austausch von Werten, Ideen und Normen erfordert ein zunehmendes Engagement im Werte- und Religionsdialog. So kann der verbreiteten Furcht vor Verunsicherung und Identitätsverlust entgegengetreten werden.

Die vom Auslandsbüro Amman der Konrad-Adenauer-Stiftung in Nikosia / Zypern veranstaltete internationale Fachkonferenz zum Thema „Gemeinsame Grundlagen und Universelle Werte in der Euro-Mediterranen Partnerschaft - Herausforderungen und Möglichkeiten für den Interkulturellen Dialog“ hat einen Beitrag zu diesem Dialog geleistet. Dazu konnten mit dem Middle East Observatory der Europäischen Volkspartei, welches von der zypriotischen EVP-Partnerpartei „Democratic Rally“ betrieben wird, sowie dem vom ehemaligen jordanischen Kronprinzen Hassan bin Talal gegründeten „Royal Institute for Inter-Faith Studies“ in Amman zwei kompetente und einflussreiche Partner als Mitveranstalter gewonnen werden.

In Weiterführung des 2008 von der Europäischen Union ausgerufenen „Europäischen Jahres des Interkulturellen Dialoges“ waren Vertreter aus Politik, Religion, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu folgenden Zielen in Nikosia zusammengekommen:

  • Bildung und Vertiefung politischer Netzwerke unter Entscheidungsträgern und Experten beim Thema „Dialog der Religionen und Kulturen“
  • Intensivierung des Dialogs zwischen den Ländern der nördlichen und südlichen Mittelmeerregion
  • Intensivierung des Dialogs über Grundwerte innerhalb der EU
  • Beleuchtung der Grundwerte der freiheitlichen Demokratie aus der Perspektive der drei abrahamitischen Religionen zur Identifikation gemeinsamer Ziele
  • Verdeutlichung der wechselseitigen Auswirkungen von Globalisierung und interkulturellem und interreligiösem Dialog
  • Diskussion der durch Immigration und Integration entstehenden Herausforderungen für den interreligiösen und interkulturellen Dialog
  • Herausstellung der Verantwortung Europas im „Dialog der Religionen und Kulturen“

2. Ablauf

Der Dialog der Religionen und Kulturen führe nicht nur einen Dialog über Werte sondern sei bereits ein Wert in sich selbst. Mit dieser Feststellung eröffnete der Direktor des Institutes für Interreligiösen Dialog (IID) und ehemalige Vizepräsident der Islamischen Republik Iran, Sayyed Mohammed Ali Abtahi, die KAS-EPPMEO-RIIFS Mittelmeerkonferenz 2009 in Nikosia. Der Dialog könne helfen, viele Weltprobleme zu lösen, so Abtahi. Zu oft scheiterten ernsthafte Bemühungen daran, dass man sich gegenseitig nicht ausreichend kenne und verstehe. Bei der Religion gehe es um Toleranz. Somit sei Religion ein Kapital für die gesamte Menschheit. Mit Blick auf die Fundamentalisten warnte Abtahi jedoch davor, dass je wertvoller ein Kapital sei, desto mehr Menschen versuchten, es zu fälschen.

Als Imperativ ohne Alternative beschrieb Botschafter Hassan Abu Nimah, Direktor des Royal Institute for Inter-Faith Studies in Amman den Interreligiösen Dialog. Im Nahen Osten sei das Verständnis der Religionen untereinander ein wichtiger Schlüssel zum Frieden. Aus diesem Grund sei gegenseitiger Respekt gerade hier besonders notwendig.

Die Wichtigkeit der Wertschätzung der eigenen Identität für einen nachhaltigen Dialog der Religionen und Kulturen strich Stavros Zenios heraus. „Nur wenn wir lieben, was wir sind, können wir verstehen, wie andere das lieben, was sie sind“ so der Rektor der University of Cyprus heraus. Der Konflikt zwischen Fragmentierung auf der einen und Integration auf der anderen Seite könne durch eine Einigung auf gemeinsame Grundwerte verhindert werden.

Nicos Anastasiades schließlich, der Parteivorsitzende der Democratic Rally of Cyprus, zeigte sich erfreut darüber, dass eine so hochrangige Konferenz in Nikosia stattfand. Für die Zukunft wünsche er sich eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen KAS und dem seiner Partei angegliederten EPP-Middle East Observatory, gerade beim Thema des Dialogs der Religionen und Kulturen.

Das erste Panel stellte am zweiten Konferenztag die Frage nach den Grundwerten in den drei monotheistischen Religionen.

Jonah Sievers, Landesrabbiner von Niedersachsen, stellte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Grundwerte des Judentums dar. Freiheit sei dabei in der Schrift zunächst auf die physische Freiheit nach dem Auszug aus Ägypten und die spirituelle Freiheit durch das Empfangen der Torah definiert. Freiheit als persönliche Autonomie im modernen Sinne sei mit dem traditionellen Judentum zwar nicht vereinbar, doch gebe es modernere Auslegungen, die eine solche Autonomie mit der jüdischen Tradition verknüpfen. Gerechtigkeit sei im Judentum nicht irgendein beliebiger Wert, sondern eine Eigenschaft Gottes. Sie geschehe in zweifacher Hinsicht – einmal als vollkommene Gerechtigkeit, aber auch als vollkommene Barmherzigkeit. Ohne Solidarität schließlich hätte das jüdische Volk die zahlreichen Verfolgungen der Geschichte kaum überleben können. Das Aufbauen einer freien und gerechten Gesellschaft sei eine Aufgabe, auf die sich alle Religionen verständigen könnten. Um dies zu erreichen, müssten Religionen auch in der Lage sein, die eigenen Quellen zu interpretieren.

Der ehemalige stv. CDU-Vorsitzende Christoph Böhr machte aus christlicher Sicht klar, dass es nicht die verschiedenen Glaubensüberzeugungen oder der Wahrheitsanspruch der Religionen seien, welche das Zusammenleben zwischen den Religionen gefährdeten, sondern „bestimmte Weisen, den Herrschaftsanspruch des religiösen Glaubens mit dem Herrschaftsanspruch politischer Macht zu verbinden“. Böhr erteilte sowohl dem Säkularisierungspostulat als auch dem Dominierungspostulat eine Absage. Weder müssten alle Menschen Agnostiker werden, um Frieden zu erreichen, noch müsse eine Religion alle anderen dominieren. So wie Glaube und Vernunft, so Böhr, befänden sich auch Religion und Politik in zwei unterschiedlichen Sphären. Dennoch gebe es ein Element, das beide untrennbar verbinde – das auf der unantastbaren Würde jedes Menschen fußende Menschenbild. Diese religiöse Wahrheit spanne das Koordinatenkreuz für die staatliche Verfasstheit auf und aus diesem Menschenbild ergäben sich Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sowie deren politische Implementierung.

Der Islam, so Mohammed Dajani, Gründer der zentristischen palästinensischen Partei „Wasatia“, kenne das Konzept der Mäßigung bzw. Balance (arabisch: „Wasatia“). So verstanden, stehe er Diversität und Pluralismus positiv gegenüber. Dajani stellte heraus, der Koran rufe nicht dazu auf, Juden oder Andersgläubige zu töten. Extremisten, die den Koran so auslegten, hätten mit dem Islam nicht viel zu tun. Zentraler Wert im Islam sei die Gerechtigkeit. Mit Blick auf den Nahen Osten, rief Dajani dazu auf, in die Zukunft zu blicken und nach pragmatischen Lösungen des Zusammenlebens zu suchen.

Um die Vorraussetzung für einen effektiven Dialog der Religionen und Kulturen sowie das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft drehte sich die anschließende Diskussion. So wurde angeregt, nicht nur die Inhalte der Religionen zu diskutieren, sondern die Art und Weise, wie man Andersgläubige akzeptieren könne. Weitgehend einig war man sich, dass eine Homogenisierung der Religionen, ein Verzicht auf den eigenen Wahrheitsanspruch und eine radikale Säkularisierung sich auf einen ehrlichen Dialog über Grundwerte hinderlich auswirke. Eine Lösung für ein funktionierendes Gemeinwesen mit Menschen unterschiedlicher Religionen könne eine säkulare Regierung bei gleichzeitiger religiöser Gesellschaft sein. Die Regierung dürfe dabei Religionsfreiheit nicht als Freiheit von sondern solle sie als Freiheit zur Religion verstehen. Das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft wurde als eine gemeinsame Frage der drei monotheistischen Religionen herausgestellt. Diese Frage könne bei künftigen Veranstaltungen vertieft werden.

Das zweite Panel sollte versuchen, die Grundwertediskussion aus Panel 1 auf die staatliche Ebene herunter zu brechen und die Frage zu beantworten, wie aus den religiösen Wurzeln hergeleitet, gesellschaftliches Leben gelingen kann.

Ghanem Jawad Ali, Direktor des Büros für Kultur und Menschenrechte der Khoei-Stiftung in London, arbeitete Unterschiede zwischen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem islamischen Menschenrechtsverständnis heraus. Das westliche Verständnis der Menschenrechte gehe auf die Naturgesetz-Idee zurück und beziehe sich auf gesamtgesellschaftliche Rechte, während nach islamischem Verständnis die Rechte dem Individuum direkt von Gott gegeben würden. Leider habe sich im Verlauf der Geschichte eine große Lücke zwischen dem aufgetan, was islamische Intellektuelle als Menschenrechte definierten und dem, was viele Regierungen in der islamischen Welt in der politischen Praxis umsetzten. Nicht umsonst kämen 70 Prozent der weltweiten Flüchtlinge aus arabischen und islamischen Staaten.

Rabbi David Rosen, Direktor der Abteilung für Interreligiöse Angelegenheiten des American Jewish Committee und Direktor des Heilbrunn Institutes für Internationales Interreligiöses Verständnis in Jerusalem, leitet die Demokratie als Regierungsform aus der jüdischen Überlieferung her. Nach der Torah gebe es eine „kreative Spannung“ zwischen der Autonomie des Einzelnen und der Verantwortung für das Gemeinwesen. Respekt vor der Autorität ist für den Juden eine Pflicht, solange diese sich nicht den grundlegenden ethischen Prinzipien widersetzt. Die wichtigste Voraussetzung sei dabei der Schutz von Leben und Würde jedes Einzelnen.

Aus christlicher Sicht betonte Faidon Papandopoulos, Beauftragter für Interkirchliche und Europäische Angelegenheiten der Church of Cyprus, die Zentralität der persönlichen Gottesbeziehung des Menschen zu Jesus, dem menschgewordenen Gott. Das Charisma Christi als Diener der Menschen fordere die Christen zur Solidarität mit den Schwachen und Entrechteten auf. Die Struktur der Kirche sei demokratisch, da alle Christen gerufen seien, an ihr und am Dienst an den Armen mitzuarbeiten. Dabei forderte Papandopoulos, man müsse sich zunächst um Grundrechte wie Gesundheit und Nahrung für die Leidenden kümmern, statt, wie einige entwickelte Länder, den Hauptschwerpunkt auf soziale oder gar Tierrechte zu legen. Der Dialog der Religionen und Kulturen müsse zunächst darauf fokussieren, wie man gemeinsam Antworten auf die sozialen Herausforderungen der Welt finden könne.

Die anschließende Diskussion drehte sich fast ausschließlich um den Begriff der Menschenrechte. Die moslemischen Teilnehmer der Konferenz betonten, Menschenrechte könnten – obwohl sie nicht explizit im Koran erwähnt seien – als integraler Bestandteil des Islams gedeutet werden. Dennoch gebe es auch westlich definierte Menschenrechte, die mit moslemischen religiösen Vorschriften in Konflikt geraten könnten, wie etwa das Recht auf freien Religionswechsel. Rabbi Rosen betonte, das Judentum sei hinsichtlich des Menschenrechtsverständnisses anpassungsfähig, da man an eine „evolutionäre Offenbarung“ und nicht an eine „revolutionäre Offenbarung“ glaube.

Das dritte Panel beschäftigte sich mit dem Zusammenleben verschiedener Religionen in Staaten.

Salam Kawakibi, Koordinator der „Arabischen Reforminitiative“, forderte eine „Rationalisierung“ der Debatte über religiöse Minderheiten in der arabischen Welt. In Syrien beispielsweise gebe es eine „offizielle“ Version, die in utopischer Weise ein problemloses Zusammenleben der Religionen propagiere. In Europa hingegen befänden sich moslemische Einwanderer häufig in einem Spannungsfeld zwischen Integration und Assimilation. Der Dialog, so Kawakibi, könne eine Lösung für die Probleme im Zusammenleben sein. Allerdings mache ein „Dialog um des Dialoges willen“ keinen Sinn, sondern müsse auf praktische Ergebnisse ausgerichtet sein.

Für das Konzept der „hard tolerance“ im Umgang mit andersgläubigen Migranten sprach sich Nils Ole Oermann, Berater des Innenministers der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Islamkonferenz, aus. Die „hard tolerance“ benenne klar die Probleme, die aus unterschiedlichen Sicht- und Lebensweisen entstünden und suche anschließend pragmatisch nach Lösungen. Basis dieser Lösungen müsse dabei der Rechtsstaat sein. Dieses Konzept, welches Schwierigkeiten klar benenne, stehe in deutlichem Widerspruch zum Konzept der „soft tolerance“, welches auf der Annahme beruhe, alle Meinungen seien gleichwertig und welches sich um den Inhalt der Meinungen der Anderen nur wenig kümmere. Die „soft tolerance“ sei nicht zur Lösung der Probleme im Zusammenleben verschiedener Religionen geeignet, da es bei Religionen nicht in erster Linie um Werte, sondern um Wahrheiten ginge. Nur in der klaren Benennung dieser Wahrheiten und damit der Unterschiede liege die Chance zu einem funktionierenden Miteinander.

Auch Hassan Abu Nimah betonte, eine funktionierende Integration bedeute nicht, die eigene Identität aufgeben zu müssen. Er erläuterte das jordanische Beispiel, wo verschiede ethnische und religiöse Gemeinschaften durch das Gesetz geschützt würden. Sie seien gleichzeitig vollkommene Jordanier, behielten aber auch ihre christliche, drusische, tscherkessische oder tschertschenische Identität. Eine gelungene Integration charakterisiere sich weder durch Aufgabe der eigenen Identität noch durch Abschottung vom Gastland.

Die intensiv und teilweise kontrovers geführte Diskussion fokussierte auf konkrete Integrationsprobleme, wie etwa die Weigerung muslimischer Eltern, ihre Kinder auf deutsche Schulen zu schicken. Für Botschafter Abu Nimah ist ein solches Verhalten nicht mit dem Islam als Religion vereinbar. Der Islam sei flexibel und erlaube das Finden von gangbaren Kompromissen. Keinesfalls stehe der Islam gegen das Befolgen der Gesetze im Gastland. Abu Nimah forderte zudem, den integrationspolitischen Dialog der Religionen in Zukunft zu verstärken und auch bei konfliktträchtigen Fragen wie etwa Kopftuchverboten Vorurteile beiseite zu räumen.

Mohammed Ali Abtahi warnte in Antwort auf Nils Ole Oermann vor einem zu eng gefassten Gesetzeswerk. Gesetze müssten gegenüber den religiösen Vorschriften eine gewisse Flexibilität zeigen, da sonst die Gefahr der Auflehnung gegen dieselben bestehe.

Rabbi Rosen bemerkte, dass aus jüdischer Sicht ein Dialog der Religionen durchaus ein Dialog über Werte und nicht nur über Wahrheit sei. Das Judentum kenne so die Figur des Nichtgläubigen, der sein Leben jedoch an ethischen Grundsätzen ausrichte und somit ein gelingendes Leben führen könne.

Einig war man sich, dass das Thema der Integration einer vertieften Diskussion bedarf. Insbesondere betrifft dies das Verhältnis von Gesetzen und Religion und die Bereiche, in denen das eine mit dem anderen in Konflikt gerate.

Das vierte und letzte Panel schließlich versuchte einen Ausblick auf die Effekte der Globalisierung auf religiöse Identitätsfragen.

Ranier Fsadni, Direktor des AZAD-Zentrums in Malta, definierte Religion als eine Kraft, die stark genug sei, um einen Staat herauszufordern. Nicht umsonst seien soziale Bewegungen oftmals religiös motiviert. Die Globalisierung habe zur Folge, dass die eigene Identität immer weniger mit der eigenen Nation identifiziert werde. Aus diesem Grund biete eine stärkere Definition über die eigene Religion einen Ausweg aus dieser Identitätskrise.

Mohammed al-Sharkawi, Direktor der Abteilung für Islamische Philosophie und Vergleichende Religionswissenschaft an der Dar-Ul-Ulum-Fakultät der Cairo University, wies die Ansicht zurück, mit der weltweiten Finanzkrise ende die Globalisierung. Im Gegenteil sei die Globalisierung nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein kultureller und politischer Prozess. In diesem liege eine große Chance für Frieden zwischen den Religionen. Der Wunsch nach Frieden wohne den Religionen inne, wenn auch manche religiöse Eliten diesen Frieden zerstörten. Als Gefahr der Globalisierung sieht Sharkawi einen „kulturellen Imperialismus“. Religionen müssten zusammenarbeiten, um die kulturelle Diversität zu erhalten.

Mohammed Ali Abtahi stellte heraus, dass alle Religionen Wahrheiten enthielten. Weder seien es die Säkularen, die die Religion authentisch verträten, noch die Extremisten. Religionen sollten weder pessimistisch noch mit übertriebenen Erwartungen auf die Globalisierung schauen. Entgegen den Erwartungen vieler sei die Religion mit der Globalisierung nicht in die Privatsphäre verschwunden, sondern bestimme alle Ebenen der Gesellschaft, auch die Politik. Es gebe zwei Möglichkeiten, im Zeitalter der Globalisierung mit der Religion umzugehen. So könne man die Religion entweder einfach sich selbst und den Wellen der Globalisierung überlassen, oder man könne sich ihre Werte zu nutze machen, um die Globalisierung zu gestalten. Religion antworte auf die spezifischen Sehnsüchte der Menschen und wolle die Welt besser und gerechter machen. Die Werte und Paradigmen der Religionen seien feste Säulen, auf denen der moderne Mensch auch in der globalisierten Welt bauen könne. So könne verhindert werden, dass der Mensch im Materialismus und der technologischen Entwicklung der modernen Welt ersticke.

In der Diskussion wurde das Thema der globalen Finanzkrise angerissen und nach der Antwort der Religionen auf dieses Thema gefragt. Dabei war man sich einig, dass Religion ethische Grundsätze für unternehmerisches Handeln beinhalte. Es wurde deshalb angeregt, sich auf Folgekonferenzen mit dem Thema „Religionen und Wirtschaftsethik“ zu befassen.

Zum Abschluss zeigte sich Tasos Mitsopoulos, Direktor des EPP-Middle East Observatory, erfreut über das hohe Niveau der Veranstaltung. Es sei gelungen, auch politisch brisante Themen in der nötigen Klarheit zu diskutieren. Michael Däumer, Direktor der KAS Amman, wies auf die Wichtigkeit des in Nikosia entstandenen Netzwerkes hin. Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass diese Konferenz der Anfang eines intensiveren Austausches über den Beitrag von Religionen und Kulturen zu einem friedlichen Mittelmeerraum bilde.

Abgerundet wurde die Konferenz durch ein festliches Abendessen, bei dem Markos Kyprianou, der Außenminister der Republik Zypern, die Keynote Speech hielt und die Grundlagen zypriotischer Außenpolitik darlegte. Zypern, so Kyprianou, sei wie kaum ein anderer Staat eine Brücke zwischen West und Ost, zwischen Nord und Süd und, nicht zuletzt aufgrund der eigenen Teilung auch zwischen christlicher und moslemischer Welt. Deshalb wünsche er sich künftig mehr Aktivitäten zum Interkulturellen Dialog in seinem Land.

3. Fazit

Die Konferenz kann als ungewöhnlich erfolgreich betrachtet werden. Dazu trugen mehrere Faktoren bei:

  1. Die äußerst hochrangigen Teilnehmer der Konferenz zeigten sich bereit, auch kritische Themen offen aber respektvoll anzusprechen. Das Format einer geschlossenen Veranstaltung erwies sich hier als zielführend und produktiv. Auch der „neutrale“ Veranstaltungsort Zypern war bestens geeignet um Teilnehmer aus Israel, Iran, Europa und der arabischen Welt zusammenzubringen.
  2. Es konnte deutlich beobachtet werden, dass bereits bestehende Netzwerke im Bereich des Interreligiösen Dialoges nachhaltig wirken können. Trotz der gespannten politischen Situation nach dem Gaza-Krieg konnte so gewährleistet werden, dass ein produktiver und menschlich angenehmer Dialog stattfand. Dass die Konrad-Adenauer-Stiftung in der Lage ist, diesen auch in politisch so schwierigen Zeiten zu organisieren, spricht für das Ansehen, welches die Stiftung in diesem Bereich hat.
  3. Die Veranstaltung verfügte über die nötige Unterstützung von höchster zypriotischer Stelle. Die nicht alltägliche Präsenz des zypriotischen Außenministers kann als Zeichen gewertet werden, dass Zypern mehr Verantwortung im Mittelmeerdialog übernehmen will.
  4. Die Teilnehmer kamen fast allesamt aus dem Spannungsfeld aus Religion und Politik. So verliefen die Diskussionen sehr viel politischer, als wenn es sich ausschließlich um religiöse Würdenträger gehandelt hätte und viel fundierter, als wenn nur Politiker diskutiert hätten.
  5. Der recht allgemeine thematische Ansatz der Konferenz bewährte sich. In den Diskussionen konnten so gewisse Themen herausgearbeitet werden, die es sich auf Folgekonferenzen zu vertiefen lohnt. Solche Themen sind beispielsweise das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft, das Menschenrechtsverständnis, die richtige Balance zwischen Gesetzen und religiösen Wahrheiten, Lösungsansätze für konkrete Konfliktfälle zwischen Religion und Gesetz sowie sehr aktuell das Thema „Religion und Wirtschaftsethik“.
  6. Das Feedback auf die Konferenz war ausgesprochen positiv. Offenbar waren die Teilnehmer selbst überrascht von der Dynamik, die auf den Panels zu spüren war. Deshalb zeigten sich die Teilnehmer nachdrücklich an Folgeveranstaltungen interessiert. Das große persönliche Engagement der Teilnehmer wurde auch darin deutlich, dass mehrere von sich aus Beiträge über die Konferenz selbstständig in den Medien ihres Landes veröffentlichten. So publizierte der „Rheinische Merkur“ den Vortrag Christoph Böhrs, Hasan Abu Nimah veröffentlichte einen Kommentar zum Panel über Immigration und Integration in der Jordan Times (Amman) und Mohammed Ali Abtahi benutzte die Konferenz als Aufmacher für den Newsletter seines in Teheran angesiedelten Institutes für Interreligiösen Dialog (IID). Für das hohe Engagement der Teilnehmer spricht auch die Tatsache, dass kein Redner ein Honorar verlangte.
  7. Der Zeitpunkt nur rund zwei Wochen vor der Nahost-Reise von Papst Benedikt XVI. ließ die Tagung in eine des verstärkten Interesses am Interreligiösen Dialogs fallen Zeit fallen. Auch dies war sicher ein Grund für die ungewöhnlich hohe Medienpräsenz nicht nur in zypriotischen Medien.
  8. Schließlich gelang es der KAS, dem noch sehr jungen EPP Middle East Observatory wichtige Kontakte in die arabische und jüdische Welt zu vermitteln. Das Observatory wird so künftig besser in der Lage sein, die ihm von der EVP übertragene Aufgabe wahrzunehmen.

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