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Sachargumente auf kommunaler Ebene wichtiger als parteipolitisches Lagerdenken

Marlon Brüßel studiert Geschichte und besitzt eigene Erfahrung mit kommunalpolitischer Gremienarbeit. In Siegen begleitete er erstmals das Planspiel „Entscheidung im Stadtrat“.

Los ging es mit der inhaltlichen Einführung im Stil eines Unterrichtsgesprächs über die Grundlagen unserer Demokratie, über die kommunale Selbstverwaltung und über die Funktionsweise der Kommunalpolitik. Im fließenden Übergang erklärte Robert Hein die Gegebenheiten in der fiktiven Kleinstadt Wattenburg, die er für unsere Planspiele kreiert hat. Anschließend wählten die Schülerinnen und Schüler ihre Berufe in der simulierten Stadtgesellschaft aus. Während sich für die im Planspiel vorgesehene Berichterstattung Journalisten zwei Journalisten-Teams bildeten und mit ihrer Redaktionsarbeit begannen, überlegte sich der Rest zusätzlich zu den Berufen noch ein Sozialgefüge: Wer war mit wem verwandt, verschwägert, verheiratet? Wer sah sich regelmäßig in welchem Verein? Erst dann verteilte Robert Hein die Parteizugehörigkeiten und wollte damit veranschaulichen, dass gerade in kleinen Gemeinden auch andere Dinge zählen als das Parteibuch und dass Parteigrenzen oft mitten durch Familien, Freundeskreise und Vereine verlaufen.  Lokalpresse und Stadtratsfraktion einsatzbereit Nun gehörten also alle Schülerinnen und Schüler entweder zur Lokalpresse oder zur Stadtratsfraktion von CDU, SPD, Grünen, FDP oder von der zweitgrößten Partei Wattenburgs, der lokalen „Unabhängigen Wählergemeinschaft“ (UWG). Das Szenario für Tag 1 lautete: Der Bürgermeister von Wattenburg war unerwartet spurlos verschwunden und musste neu gewählt werden. Jede Partei musste einen Kandidaten oder eine Kandidatien aufstellen und diesen bei einer Bürgerversammlung, die der Wahl voranging, vorstellen. Bürgermeisterwahlkampf fordert Kreativität und Überzeugungskraft Die frisch gebildeten Fraktionen gingen sofort motiviert in Gruppenarbeit die Kandidatenaufstellung und Wahlkampfvorbereitung an. Sie formulierten auf Grundlage der Problemstellungen von Wattenburg und der echten Parteiprogramme, die sie kurz zuvor im Unterricht durchgenommen hatten, Forderungen für ein besseres Wattenburg, die ihre Kandidatur besonders überzeugend machen sollten. Die kreativen Köpfe aus den Teams designten sogar Plakate, aber vor allem zählte natürlich eins: die persönlichen Argumente für ihren Bürgermeister und der Entwurf für die Rede, an dem sie ebenfalls gemeinsam arbeiteten.  Mit Motivation und Eifer bei der Sache  Denn am Ende würde die Person allein vorne stehen und von sich überzeugen müssen. In allen Bereichen – Programm, Design, persönliche Argumente – wählte jede Partei ganz eigene Ansätze und Schwerpunkte. Unsere KAS-Trainer Hein standen allen Gruppen für Rückfragen und Ratschläge zur Verfügung, aber schon in der ersten Gruppenarbeitsphase zeigte sich die Motivation der Teilnehmer zum eigenständigen Arbeiten. Auch die beiden Lokalredaktionen legten sofort mit großem Eifer und jeweils ganz eigenen journalistischen Stilen los und veröffentlichten erste Artikel auf Social-Media-Profilen, die sie auf unterschiedlichen Plattformen eigens erstellten (und deutlich als fiktiv kennzeichneten). Die neuesten Artikel konnten im Laufe der beiden Tage auf mobilen Endgeräten sowie über den Beamer verfolgt werden. Generell war die gute digitale Infrastruktur des Berufskollegs eine sehr praktische Unterstützung für die Abläufe der beiden Tage. Alle Beteiligten arbeiteten mit einer solchen Begeisterung, dass sie freiwillig die Pause durchmachten und durch einen Snack am Gruppentisch ersetzten.  Bürgerversammlung ist Highlight des ersten Tages Der Tag gipfelte in der Bürgerversammlung, bei der die Kandidatinnen und Kandidaten sich vorstellten, während man ihr Wahlplakat groß an der Leinwand sehen konnte. Nach den Reden wurde fand eine geheime Urnenwahl in Wahlkabinen durchgeführtstatt. Wahlberechtigt waren alle Bürgerinnen und Bürger Wattenburgs – also neben den Ratsmitgliedern auch die Presse und, um Unbeteiligte zu simulieren, der Lehrer, Trainer und ich selbst und wir Trainer. Nur der UWG-Kandidat konnte mit einem überzeugenden Auftreten mehr Wähler überzeugen, als seine Partei Mitglieder hatte, und setzte sich in der Stichwahl durch.  Stadtratssitzung mit lebhafter Debatte Am zweiten Tag durfte er der frisch Gewählte dann die Sitzung des Wattenburger Stadtrats leiten. Hierfür hatten die Trainer gab es vorgegebene die Themen zur Tagesordnung festgelegt und Hintergrundinfos verteilt, sodass die Fraktionen sich in einer weiteren Gruppenarbeitsphase eigene Positionen und Argumente überlegen sowie Anträge schreiben konnten. Auch diese Gruppenarbeit war von großem Elan und – trotz mancher kleinen Hilfestellung der Trainer – sehr viel Selbstständigkeit und Eigeninitiative geprägt. Teil dessen war auch die Reflexion über Befangenheit bei den Anträgen durch Berufe und Familienbande der Rollen. Sachargumente wichtiger als parteipolitisches Lagerdenken Im Plenum der Ratssitzung folgten rege Debatten voller kluger und kreativer Argumente und kritischer Nachfragen. Auch den einen oder anderen rhetorischen Kniff konnten die Ratsmitglieder ausprobieren. Der eine oder die andere ließ sich durch gute Punkte der Gegenseite überzeugen und bewies damit, dass gerade auf der kommunalen Ebene Sachargumente wichtiger sein sollten als parteipolitisches Lagerdenken. Wenn sich durch reine Plenumsdebatten dennoch keine Mehrheit finden ließ, unterbrachen die Schülerinnen und Schüler die Sitzung für ein paar Minuten, um hinter den Kulissen zu verhandeln.  Super Resonanz: „Hat Spaß gemacht.“ Generell meldeten die Schülerinnen und Schüler während des Planspiels und im Anschluss immer wieder zurück, wie viel Spaß ihnen das Programm machte und wie viel sie gelernt habätten. Hinterher hatten sie direkt Lust auf das nächste Planspiel und waren sehr enttäuscht zu erfahren, dass mit ihrem Jahrgang keins mehr geplant ist. Auch mir hat die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern, mit Robert Hein und mit den Lehrkräften sehr viel Spaß gemacht. Viel gelernt habe ich auch – wenn auch nicht über Kommunalpolitik, dann aber doch über die Didaktik von Trainerseite. Also für alle Beteiligten zwei gelungene Tage!

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