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Der Norden des Kosovo rund um die Stadt Mitrovica war in der letzten Woche geprägt von gewalttätigen Auseinandersetzungen, weil auf Befehl des kosovarischen Premierministers Hashim Thaçi Spezialeinheiten der kosovarischen Polizei auch an den Grenzpunkten Brnjak und Jarinje zu Serbien das Einfuhrverbot für serbische Wahren durchsetzen wollten. Serbien hatte bereits 2008 – nach Unabhängigkeitserklärung des Kosovo - die Einfuhr von Waren aus dem Kosovo verboten, weil es den Zollstempel mit der Bezeichnung „Republic of Kosovo“ nicht anerkennt. Im Gegenzug hatte das Kosovo ein Importverbot für Produkte aus Serbien verhängt. Am Tag der Durchsetzung des Verbotes durch die Spezialeinheiten kam es im Norden des Landes zu gewalttätigen Ausschreitungen, dem ein kosovarischer Polizist zum Opfer fiel. Seitdem ist ein Konflikt mit verhärteten Fronten zwischen den serbischen Gruppen und der kosovarischen Polizeieinheit im Gange.
Die NATO bemüht sich um Schadensbegrenzung. Die Soldaten der internationalen Schutztruppe der Nato-Einheit KFOR hatten weder den Einsatz der Kosovo-Polizei im Norden noch die gewaltsame Reaktion der serbischen Minderheit im Kosovo verhindern können, bei dem es trotz des großen Aufgebotes an Polizei und KFOR-Soldaten zu Ausschreitungen kam, bei denen die beiden Grenzpunkte niedergebrannt wurden. Die Grenzübergänge wurden aber in der Zwischenzeit von deutschen und US-KFOR-Soldaten übernommen und bewacht. Der Grenzpunkt Nr. 31 Brnjak steht jetzt vollkommen unter Aufsicht des Kosovos: Grenzbeamte (3 Serben, 2 Albaner und 1 Türke) der Kosovo-Regierung halten an diesem Grenzübergang gemeinsam mit der KFOR die Stellung. Der Grenzpunkt 1 in Jarinje zu Serbien ist vollkommen niedergebrannt und wird von der KFOR kontrolliert.
Premierminister Thaçi unterstreicht immer wieder die Wichtigkeit dieser Aktion, in dem er sie damit rechtfertigt, dass die Durchsetzung der Gesetze und die Souveränität im ganzen Gebiet des Kosovos Geltung haben müsse, also auch im Norden und in Mitrovica. Er betonte, dass es keine Parallellstrukturen mehr geben dürfe, die zurzeit noch so aussehen, dass Serbien z. B. für die Gesundheits- und Altersvorsorgung sowie Bildung der serbischen Minderheit im Kosovoverantwortlich ist. Das will das Kosovo nicht weiter hinnehmen. Thaçi betonte, dass sich die Aktion nicht gegen die Serben richte, sondern ein Akt zur Bewahrung der Verfassung und ihrer Durchsetzung im ganzen Kosovo sei. Dazu gehöre es, die Staatsgewalt auch in Mitrovica und an den beiden Grenzpunkten 1 und 31, die bisher von Schmuggel und Korruption gekennzeichnet gewesen seien, durchzusetzen. Korruption und Schmuggel könnten nur durch dezidiertes Auftreten des Staates bekämpft werden, so der Premierminister.
Bis auf den französischen Botschafter, der sich positiv zu der Aktion der kosovarischen Regierung äußerte, kritisierte die EU das Vorgehen der Regierung Thaçi als übereilt. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat die Konfliktparteien zu einer raschen friedlichen Lösung des Grenzstreits zwischen Serbien und dem Kosovo aufgerufen. Sie kündigte am vergangenen Freitag die Entsendung eines EU-Vermittlers in die Region an und betonte, dass die EU einen substanziellen Fortschritt in den Gesprächen erwarte und von beiden Seiten fordere, alles Nötige, zu tun, um die Lage zu beruhigen.
Die Nato erklärte die Region um die zwei Grenzübergänge im Norden des Kosovo am Donnerstag zur gesperrten Militärzone. Der Befehlshaber der internationalen Schutztruppe KFOR, der deutsche General Erhard Bühler, drohte auch mit härteren Maßnahmen bei eventuellen neuen Angriffen der serbischen Gruppen auf die Übergänge.
Jetzt sucht man nach einem Schuldigen für den Konflikt und jede Seite schiebt der anderen die Verantwortung zu. Im Kosovo heißt es Belgrad sei Schuld, weil es die Serben im Norden des Landes zu Widerstand und Brandstiftung animiert habe und für die im Norden des Kosovos entstandenen Parallellstrukturen verantwortlich sei. In diesem Zusammenhang wird laut Medienberichten im Kosovo auch immer wieder das Verhalten der EU-Rechtsstaatsmission EULEX kritisiert und über die Unzufriedenheit der Regierung des Kosovo mit der EULEX-Mission berichtet, die sich nicht ausreichend um die Durchsetzung der Verfassung im Land gesorgt habe.
Die Regierung in Belgrad streitet alle Anschuldigungen, den Konflikt herbeigeführt zu haben, heftig ab und forderte die serbischen randalierenden Gruppen in Mitrovica auf, Ruhe zu bewahren. Das serbische Parlament hat am vergangenen Samstag eine Erklärung verabschiedet, in der die gewaltsamen Auseinandersetzungen verurteilt wurden und eine friedliche Lösung des Konflikts gefordert wird. Dieser sei nach Auffassung Serbiens natürlich einseitig von Priština herbeigeführt worden.
Die gegenseitigen Anschuldigungen, den Konflikt heraufbeschworen zu haben gehen unvermindert weiter, auch wenn es mittlerweile wieder etwas ruhiger geworden zu sein scheint. Dennoch blockieren Angehörige der serbischen Minderheit im Kosovo Straßen im Norden und wollen so lange protestieren, bis die Grenzpunkte 1 und 31 wieder in ihrem alten Zustand sind. Die Regierung des Kosovos hat aber deutlich zu verstehen gegeben, dass sie den Norden als Teil des Kosovos ansieht, in dem es gilt, dass kosovarische Gesetz mit allen Mitteln zur Geltung und Durchsetzung zu bringen.
Der erneute Konflikt in der Region scheint die in den letzten Monaten vorsichtige Annäherung Serbiens und des Kosovos zunichte zu machen. Zwölf Jahre nach dem Krieg gab es in diesem Jahr erstmals einen Dialog zwischen Delegationen beider Länder, die Vereinbarungen verabschieden sollten, die den Personenverkehr, die Rückgabe von Zivilstandsregistern sowie die Anerkennung von Universitäts- und Schulabschlüssen regeln sollte. Kurzum: es geht um ganz praktische Erleichterungen für die Menschen. Da Serbien den Kosovo als abtrünnige Provinz betrachtet, wurden zwar keine schriftlichen Dokumente dazu erstellt, aber es gab mündliche Vereinbarungen über die Zusammenarbeit, die zwar die heikle Frage der Anerkennung ausklammert, aber einen wichtigen Schritt zur Entspannung darstellt.
Der Dialog zwischen der serbischen Regierung und ihrer früheren Provinz, die 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte, war auf Druck der EU zustande gekommen und lief seit März. Vor allem gegenüber Belgrad hat die EU bessere Beziehungen zum Kosovo angemahnt, denn Serbien hofft auf die offizielle Verleihung des Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt und den Start der Beitrittsverhandlungen. Diese Hoffnungen gründen sich zurzeit vor allem auf die Verhaftungen und Auslieferungen der als Kriegsverbrecher gesuchten Serben-Militärs Ratko Mladić und Goran Hadžić. Doch die EU verlangt von allen Beitrittskandidaten, dass sie spätestens bei der Aufnahme in die Europäische Union Konflikte mit ihren Nachbarn beigelegt haben. Insofern stellen die Ereignisse der vergangenen Woche sicherlich zunächst einen Rückschlag in der Annäherung dar, allerdings ist auch die Möglichkeit der EU, größeren Druck auf beide Seiten auszuüben beschränkt, da immer noch fünf Mitgliedsländer (Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei) die Unabhängigkeit des Kosovo ablehnen.
Wie verfahren die ganze Situation ist, zeigte sich auch am Montag. Zwei serbischen Politikern, die in den Kosovo gereist sind, droht nun die Abschiebung durch die Regierung des Kosovo. Das kündigte Innenminister Bajram Rexhepi in Priština an. Der für das Kosovo zuständige Minister in der serbischen Regierung in Belgrad, Goran Bogdanović, sowie der serbische Chefunterhändler Borislav Stefanović seien am Vorabend ohne die notwendige Zustimmung der Regierung in Priština ins Kosovo eingereist, begründete Rexhepi seine Ankündigung. Die beiden Politiker aus Serbien waren von KFOR-Soldaten am Grenzübergang Jarinje zunächst abgewiesen worden und dann aber wohl über die grüne Grenze ins Land gekommen. Bogdanović und Stefanović kündigten neue Verhandlungen mit dem KFOR-Kommandeur Erhard Bühler an den Barrikaden an, mit denen ihre serbischen Landsleute weiter den Transitverkehr unterbrochen haben.
In Belgrad wurde unterdessen der EU-Vermittler Robert Cooper erwartet. Er soll die von der EU vermittelten Gespräche zwischen dem Kosovo und Serbien wieder in Gang bringen. Diese werden jetzt auch noch dadurch belastet, dass die Kosovoseite inzwischen Stefanović als Unterhändler ablehnt. "Serbische Offizielle, die sich ohne Erlaubnis der Kosovo-Regierung im Kosovo aufhalten und an Gewaltaktionen teilnehmen, können keine Unterhändler in diesem Dialog sein", sagte die Kosovo-Verhandlungsführerin Edita Tahiri einer Belgrader Zeitung.
Die Ereignisse der vergangenen Woche haben gezeigt, der Krieg ist vorbei, aber der Konflikt lange noch nicht. Die Gegner in der Region haben wieder ihre Muskeln spielen lassen. Ein Kompromiss kann nur mit Verhandlungen erzielt werden, aber dafür müssen beide Seiten sensibler agieren und Serbien sich aus der Versorgung der kosovarischen Serben zurückziehen, aber ob das wirklich erreicht werden wird, kann zu diesem Zeitpunkt niemand vorhersagen. Jedenfalls wäre ein stärkeres Auftreten der EU wünschenswert, denn nur mit ihr ist in der Region ist eine tragbare Friedenslösung möglich.