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Die oppositionellen Konservativen der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) haben klar die Wahlen zum Europäischen Parlament gewonnen. Nach dem offiziellen Wahlergebnis, das am Montag in Zagreb bekannt gegeben wurde, erreichten die Konservativen 41,4 Prozent der Stimmen. Damit stellen sie künftig sechs der 11 kroatischen EU-Abgeordneten. Die im Land regierenden Sozialdemokraten entsenden nur vier Parlamentarier nach Brüssel und Straßburg. Sie erzielten 29,9 Prozent der Stimmen.
Neben den beiden von den großen kroatischen Volksparteien SDP und HDZ geführten Wahlbündnissen, bewarben sich sowohl weitere Zusammenschlüsse, wie etwa die von der slawonischen Regionalpartei HDSSB geführte „Allianz für Kroatien“ und das vom Nationalen Forum (NF) geführte „Kroatische Zent-rum“, als auch weitere singuläre Parteilisten, wie die der bei den letzten Europawahlen erfolgreiche kroatische Arbeitspartei (HL) und die von der SDP Dissidentin und ehemaligen Umweltministerin Holy neu gegründete ORAH, um die Gunst der kroatischen Wähler.
Die HDZ hatte schon im vergangenen Jahr, als das jüngste EU-Mitgliedsland Kroatien erstmals seine Abgeordneten für das Europäische Parlament wählte, um einen knappen Prozentpunkt vor dem sozialdemokratisch geführten Block gelegen, allerdings vorrangig dank der sehr geringen Wahlbeteiligung von 20,8 Prozent. Zum ersten Mal seit Jahren führte in den vergangenen Wochen in den landesweiten Umfragen die HDZ vor der regierenden Sozialdemokratischen Partei (SDP), die im Dezember 2011 zusammen mit kleineren Partnern an die Macht kam und mittlerweile von Korruptionsskandalen eingeholt wurde.
Der Wahlausgang gilt auch als erster Indikator für die 2016 anstehenden Parlamentswahlen. Dabei steht auch die innerparteiliche Harmonie bei den Sozialdemokraten auf dem Spiel: Premier Milanović hatte erst vor wenigen Tagen seinen einflussreichen Finanzminister wegen Korruptionsvorwürfen entlassen.
Nach der nun verlorenen Europawahl könnten seine innerparteilichen Gegner in der SDP die Frage stellen, ob Milanović Parteivorsitzender bleiben sollte. Der Premier ließ sich indessen die Enttäuschung nicht anmerken: „In dieser schwierigen Situation, in der wir uns befinden, sehen wir so ein Ergebnis als Ansporn“, sagte er am Wahlabend der Presse.
Der HDZ-Vorsitzende Tomislav Karamarko sagte am Wahlabend: „Die HDZ ist die einzige Partei, die Kroatien aus den Unannehmlichkeiten herausziehen kann“.
Überraschend gelang der ehemaligen SDP-Umweltministerin Mirela Holy mit ihrer erst jungen Partei ORAH (Nachhaltige Entwicklung Kroatiens) ein Achtungserfolg, indem sie 9,4 Prozent der Stimmen erhielt und nun mit einem Abgeordneten ins EU-Parlament einzieht. „Wir sind mehr als zufrieden. Man darf nicht vergessen, dass wir uns erst sechs Monate auf der politischen Szene bewegen“, sagte Holy.
Mirela Holy, 42, war nach dem Vorwurf von Interessenskonflikten 2012 als Umweltministerin zurückgetreten. Zum Verhängnis wurde der ehemaligen Sozialdemokratin eine E-Mail, in welcher sie zugunsten der Frau einer Parteikollegin für eine Beschäftigung intervenierte. Sie wurde darauf einfache Abgeordnete im Parlament und trat auch bald aus der SDP aus.
ORAH, eine linke Partei mit Schwerpunkt auf Umwelt und Nachhaltigkeit, solle die „dritte politische Option“ in Kroatien werden, kündigte Holy an, als sie die Parteigründung bekanntgab. Dass sie so schnell wachsen würde, glaubte sie selbst nicht, wie sie in einer ersten Reaktion zugab.
Das „Bündnis für Kroatien“, eine Koalition von mehreren Parteien aus dem rechten und nationalistischen Sektor, erhielt 6,99 Prozent und stellt ein Mandat. Die Arbeiterpartei Laburisti konnte ihren Platz im Parlament nicht verteidigen. Parteichef Dragutin Lesar zog noch in der Wahlnacht die Konsequenzen und trat zurück.
Die Wahlbeteiligung war erwartungsgemäß niedrig bei 25,1 Prozent, jedoch höher als bei den ersten EU-Wahlen im April 2013 (20,8 Prozent).
Bereits im Vorfeld war ein Stimmverlust der Regierungskoalition erwartet worden, denn die Regierung hatte bisher keine wirtschaftspolitischen Erfolge vorzuweisen.
Kroatien steckt das sechste Jahr in Folge in der Rezession und auch der EU-Beitritt im Juli 2013 konnte bisher keinen bedeutenden Aufschwung bringen. Die Wirtschaftskraft Kroatiens sinkt seit 2008 kontinuierlich. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist um 13 Prozent geschrumpft. Mit einer Arbeitslosenquote von über 22 Prozent gehört Kroatien neben Griechenland und Spanien zu den von der Krise am schwersten betroffenen EU-Staaten.
Hinzu kamen Krisen innerhalb der Regierungspartei SDP, die das Image der Regierung zusätzlich beschädigten. Es existieren Presseberichte, wonach die Regierung sich bemüht habe, die Wahlen aus Furcht vor einem schlechten Ergebnis möglichst wenig zu thematisieren. Auch zeigen sich immerhin viel Kroaten von der EU-Mitgliedschaft enttäuscht, weil sich ihre Erwartungen hinsichtlich erweiterter Beschäftigungsmöglichkeiten, größerer Rechtsstaatlichkeit sowie umfangreicheren ausländischen Direktinvestitionen (bisher) immer noch nicht erfüllt haben. Dies wurde – sieht man sich das Wahlergebnis an - ebenfalls vor allem der Regierung zur Last gelegt.
Die niedrige Wahlbeteiligung und vor allem das schlechte Wahlergebnis des SDP-geführten Wahlbündnisses muss nun wohl als ein letzter Weckruf für die aktuell politisch Verantwortlichen gewertet werden, die politische und wirtschaftliche Situation des Landes endlich zu verbessern, wenn Sie sich an den Schaltstellen der Macht halten wollen.