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Die Siegerin hatte im Wahlkampf versucht, die Gunst der Wähler mit pro-russischen Parolen zu gewinnen und mit Wahlslogans wie „Zusammen mit Russland“ oder „Mit Russland zusammen sein ist in unserer Macht“ geworben. Unmittelbar nach der Wahl sprach sich Vlah für eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit russischen Regionen – das Moskauer Gebiet und die Republik Tatarstan – in einem Interview für den russischen Fernsehsender „Rossiya 24“ aus.
Die von den turkstämmigen, christlich-orthodoxen Gagausen mehrheitlich bewohnte russischsprachige Region mit einer Bevölkerung von etwa 160.000 Einwohnern gilt dabei als Hochburg der PSRM, die sich für einen Beitritt der Republik Moldau zur Eurasischen Wirtschaftsunion einsetzt und im Parlament in Chișinău seit den Wahlen Ende November 2014 die stärkste Fraktion stellt. Im Februar 2014 hatten die dortigen Behörden ein – nach moldauischem Recht illegales – Referendum zum außenpolitischen Kurs der Republik Moldau organisiert, bei dem über 98 Prozent der Wähler ihre Präferenz für die damalige Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan zum Ausdruck brachten. Vor diesem Hintergrund gab es keinen einzigen Kandidaten bei der Gouverneurswahl, der sich für die europäische Perspektive ausgesprochen hat.
Die pro-europäischen Parteien in Chișinău stellten in diesem Zusammenhang gar keine eigenen Kandidaten auf, weil mit keinerlei Erfolgsaussichten gerechnet wurde. Moldauische Politiker kritisierten jedoch die offene Einmischung der Russischen Föderation in den Wahlkampf. Mehrere Abgeordnete der russischen Staatsduma hatten im Vorfeld des Urnengangs die autonome Region besucht und ihre Unterstützung für Vlah verkündet. Zudem wurde in den Medien darüber berichtet, dass der Wahlkampf von Vlah einschließlich russischer Gelder finanziert worden sei. Tatsächlich begrüßte das russische Außenministerium in einer offiziellen Stellungnahme das Wahlergebnis als „solide Grundlage für die künftige Entwicklung der interregionalen Beziehungen mit Regionen, die historisch Russland nahe stehen, im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und Bildungsbereich“. Das Ergebnis zeige, dass eine „signifikante Anzahl von Bürgern (...) für die Entwicklung der traditionell engen Beziehungen zur Russischen Föderation gestimmt habe“.
Im Vorfeld der Wahl waren sowohl von moldauischen als auch von westlichen Beobachtern Befürchtungen geäußert worden, dass Russland versuchen werde, über die Wahl in Gagausien die Republik Moldau zu destabilisieren. Während der Wahlsieg von Irina Vlah in der Tat ein öffentlichkeitswirksames Signal darstellt, zumal innerhalb von wenigen Monaten Kommunalwahlen im ganzen Land anstehen, sind die sicherheits- und geopolitischen Risiken, die von Gagausien ausgehen, nicht zwangsläufig überzubewerten. Zum einen war auch in den vergangenen Wahlkämpfen eine Steigerung der pro-russischen Rhetorik zu verzeichnen, zum anderen hat selbst Irina Vlah nach der Wahl die Notwendigkeit guter Beziehungen zu Chișinău betont. Konkret gab sie auch zu, dass sie ihr Wahlkampfversprechen, zu versuchen, eine Föderalisierung der Republik Moldau in die Wege zu leiten, in der gegenwärtigen politischen Konstellation nicht einlösen könne. Außerdem hob sie hervor, dass sie die wirtschaftliche Situation in der strukturschwachen und von Armut geprägten Region verbessern möchte. In Zukunft ist eine Radikalisierung ihres Diskurses aber auch nicht auszuschließen, zumal Vlah davon sprach, dass sie bereit sei, Chișinău „Stabilität im Süden des Landes im Gegenzug für eine Öffnung gegenüber der gagausischen Autonomie“ vorzuschlagen.
Inwieweit es zu Spannungen zwischen nationaler und regionaler Ebene kommen wird, dürfte auch von der Fähigkeit der Zentralregierung abhängen, sich den sozioökonomischen Problemen in Gagausien zu widmen. Aufgrund der fehlenden Rumänischkenntnisse der meisten Einwohner in der Region bleibt etwa der Einfluss russischer Medien – und des von ihnen vermittelten Weltbildes – sehr hoch und wirkt sich auf die geopolitischen Präferenzen der Bevölkerung aus. Die gagausische Gesellschaft ist zudem deswegen vom moldauischen Mainstream isoliert. Ferner hat Russland die wirtschaftliche Lage in der Region ausgenutzt, um politisches Kapital zu erwirtschaften: unter anderem wurde von Russland das für den Rest des Landes geltende Embargo gegen Weine und Agrarprodukte für gagausische Unternehmen aufgehoben, was in der Darstellung örtlicher Medien als Argument dargestellt wurde, dass Moskau im Gegensatz zu Chișinău die Region nicht vernachlässige. Diesem Diskurs entgegenzuwirken dürfte keine leichte Aufgabe sein – sie ist jedoch für die Sicherheit des Gesamtstaates unentbehrlich.