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Event reports

„Die Diskussion um das Abkommen zeigt, dass wir in Deutschland eine positive Debattenkultur haben!“

by Julian Höhl

Podiumsdiskussion zum Freihandelsabkommen TTIP in Hannover

Das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union polarisiert. Die Diskussion um die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, kurz TTIP, hat sich zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte entwickelt. Doch was wissen wir eigentlich genau über die Inhalte dieses Abkommens? Durch die Medien geistern Begriffe wie „Chlorhünchen“ oder Verringerung der hohen deutschen Standards, doch wie entscheidend ist das Abkommen letztendlich für Deutschland und bringt es auch mehr Vorteile als Nachteile?

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Diese Frage hat sich die Konrad-Adenauer-Stiftung angenommen und zu einer Podiumsdiskussion mit führenden Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft geladen, die Licht ins Dunkel bringen sollte. Fst 200 Gäste waren der Einladung gefolgt und hatten sich im Hotel Dormero in Hannover eingefunden.

„Eine Exportnation wie Deutschland kann es sich nicht leisten den Freihandel zu ignorieren. Deshalb ist TTIP für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands von herausragender Bedeutung.“, stellte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, gleich zu Beginn der Veranstaltung unmissverständlich klar. Der 54-Jährige leitete die Podiumsdiskussion mit einem politischen Impulsvortrag ein und nahm anschließend auch selbst bei der Podiumsdiskussion Stellung. Der Politiker gab sich als klarer Befürworter des Abkommens zu erkennen, er meint aber auch, dass Europa die Verhandlungen nicht zu ruhig angehen lassen solle. „Die Amerikaner werden versuchen ihr Punkte durchzusetzen, doch wir müssen ebenso hart für unsere Ziele verhandeln. Dann bringt TTIP auch viele Vorteile für uns mit sich.“ Man dürfe genauso nicht glauben, dass alle Standards in Amerika viel niedriger seien als in Deutschland. „In den meisten amerikanischen Industriebereichen sind die Umwelt- und Verbraucherstandards mindestens genauso hoch, oder gar wesentlich höher als die Standards in Deutschland.“ Für ihn sei der aktuelle Anti-Amerikanismus, der in Deutschland herrsche, vor allem auf die aktuellen Vorbehalte gegenüber der Vereinigten Staaten im Bereich der Geheimdienstoperationen zurückzuführen.

Für den studierten Juristen sei es aber verständlich, dass TTIP in Deutschland im Vergleich zu wirtschaftlich wesentlich schwächer aufgestellten EU-Partner, wie Polen oder Dänemark, in der Gesellschaft als sehr kritisch angesehen wird. „Wir müssen sehr selbstkritisch mit uns sein und einsehen, dass die Kampagnen gegen TTIP sehr viel früher da waren, als dass die Wirtschat überhaupt über das Abkommen aufklären konnte.“ Doch dieses scheine sich langsam zu wandeln. Es gäbe nun freien Zugang zu allen Verhandlungsdokumenten und es bestehe die Möglichkeit die Diskussionen um das Abkommen im Bundeswirtschaftsministerium per Livestream mitzuverfolgen. Ihm sei es aber weiterhin wichtig das Thema breit und transparent zu diskutieren und Mythen und Halbwahrheiten möglichst schnell aufzuklären, meinte der Bundestagsabgeordnete zum Abschluss seines Impulses und leitete damit nahtlos die Podiumsdiskussion ein.

Matthias Koch, Chefredakteur des RND RedaktionsNetzwerk Deutschland, moderierte die Veranstaltung und band gleich zu Beginn das Publikum mit ein. Er präsentierte zunächst eine Umfrage der Zeitschrift „Der Spiegel“, in der es um das Meinungsbild der Deutschen zum Thema TTIP ging. 50 % aller Befragten gaben bei dieser Umfrage „Weiß ich nicht“ an. Ein Meinungsbild im Publikum bestätigte diese repräsentative Umfrage noch einmal. Dieses unterstrich, laut Koch, noch einmal die Relevanz solcher Informationsveranstaltungen.

Anschließend stieg Koch direkt in die Diskussion ein und fragte die Diskutanten, weshalb das Thema TTIP ausgerechnet in Deutschland so hohe Wellen schlage. „Bei dem Abkommen mit den USA hat man das Gefühl, dass sich in Deutschland etwas nachhaltig negativ verändern könnte.“, sagte Dr. Evita Schmieg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Es werde so viel debattiert, weil man hier nicht mit einem kleinen europäischen Land, sondern mit einem Riesen verhandeln würde und eben dieses schüchtere viele Bürger ein.

Vor allem das "Chlorhünchen“ sei ein Trumpf der TTIP-Gegner gewesen, um die Bürger von den negativen Seiten des Abkommens zu überzeugen, erklärte Tilmann Brunner, von der Industrie- und Handelskammer Hannover. Doch er sagt auch: „Wir sind auf einem guten Weg die Mythen aufzuklären und das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.“ Michael Grosse-Brömer sieht in der Diskussion auch eine Chance: „Dass wir momentan so viel um Freiheit und Sicherheit diskutieren, zeigt gerade, dass wir hier in Deutschland eine positive Debattenkultur haben!“ Er meint aber auch, dass es den europäischen Binnenmarkt ohne Abkommen nicht gegeben hätte und, dass man sich nun im Hinblick auf das immense wirtschaftliche Wachstum im asiatischen Raum für die Zukunft rüsten müsse.

Doch um die Debatte zu verstehen, müsse man auch genau wissen um was debattiert werde, meint Lutz Güllner. Er ist Leiter des Referates Kommunikation in der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission und somit unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt. Zu der großen Angst der Deutschen, einer Senkung der Produktnormen, sagte er: „Die Frage ist immer was wir verhandeln wollen. TTIP wird kein Geschenk von der EU an die Amerikaner, aber eben jene wollen genauso nicht, dass wir ihnen unsere Normen aufdrücken, deshalb wird es intensive Verhandlungen geben.“ Allerdings seien die Vereinigten Staaten einer der wenigen Partner, mit dem man in vielen Punkten, was Nachhaltigkeit im Bereich Umwelt, Arbeiterschutz und Konsumentenschutz angehe, leicht auf einen Nenner kommen könnte, beruhigte der 43-Jährige.

Doch bei dem Punkt Arbeiterschutz musste Dr. Mehrdad Payandeh, aus dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, klar widersprechen. Den kleinen, regionalen Betriebe und Unternehmen würde das Abkommen nicht zu Gute kommen, denn sie müssten um ihre Existenz fürchten, da sie nicht die Stärke hätten sich auf dem Weltmarkt behaupten zu können, meint er. „Somit stellt das Abkommen ein großes Risiko sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kleinerer und mittlerer Unternehmen dar.“, fasste Payandeh, der beim DGB die Abteilungen Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik leitet, seine Meinung zusammen.

Als nächstes warf Matthias Koch die Frage in den Raum, inwiefern Dritte durch das Abkommen geschädigt werden und ob nicht gerade die Entwicklungsländer noch mehr darunter zu leiden hätten. „Natürlich können die Länder der Dritten Welt durch das Abkommen verdrängt werden!“, antwortete Dr. Evita Schmieg auf die Frage. Doch gleichzeitig sagt sie auch, dass jene auch profitieren könnten, da größeres Wachstum in Deutschland auch größere Investionsmöglichkeiten in andere Länder mit sich bringe.

Im Anschluss öffnete der Moderator die Diskussion für Fragen und Meinungen aus dem Publikum. Zunächst drängte sich die Frage auf, wie lange die Aushandlungen des Abkommen dauern würden und inwiefern sie demokratisch gestützt seien. Das Ziel sei es das Abkommen noch vor 2016 auszuhandeln, um es noch während der Obama-Regierung auf den Weg zu bringen, sagte Lutz Güllner dazu. „Da wir es hier mit einem gemischten Abkommen zu tun haben ist eine Abstimmung in den jeweiligen Parlamenten der betroffenen Länder unabdingbar und daher ist das Abkommen sehr demokratisch!“, fuhr er fort. Außerdem seien alle Dokumente für die Bürger frei zugänglich, so dass die Transparenz auf jeden fall gewahrt werde. Abschließend schloss Matthias Koch die Diskussionsrunde und erklärte, dass uns das Thema wohl in den kommenden Wochen weiterhin beschäftigen werde.

Weitere Informationen zum Thema: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153410.pdf

Die Veranstaltung ist Teil eines Projektes des Freiwilligen Sozialen Jahr Politik: http://www.kas.de/niedersachsen/de/pages/7730/

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Jörg Jäger

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