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Die Situation in Polen hat sich seit November letzten Jahres mit der Wahl der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stark verändert, denn die Regierung hat seit Amtsübernahme eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet, die unter anderem die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichts und der Medien beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund haben bei der jüngsten Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung vier Podiumsgäste im Kuppelsaal des Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover über die aktuellen Entwicklungen in Polen und die Gründe für die Wahl dieser Partei gesprochen.
Als ehemaliger Polen-Korrespondent der ARD und Leiter des Warschauer Fernsehstudios von 2009 bis 2014 zeigte sich Ulrich Adrian in seinem Impulsvortag besonders erschrocken über die gegenwärtigen Ereignisse in seinem früheren Heimatland. Er ging nach eigenen Worten vor sieben Jahren ohne Erwartungen nach Polen und nahm dieses „Abenteuer“ für sich persönlich in Warschau an. „Ich hab mich in dieser Zeit in Polen verliebt“, sagt der Fernsehjournalist, bevor er auf das Jahr 2016 blickt und besorgt sämtliche Veränderungen kritisiert. Er betonte das herausragende Verhältnis Deutschlands zu Polen, welches am 17. Juni in Form des deutsch-polnischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrages seinen 25. Jahrestag feiert. Doch die Nachbarn distanzieren sich und nennen diesen neuen Weg der Außenpolitik einen „Paradigmenwechsel“. Dieser sogenannte Paradigmenwechsel zeigt sich nun auch innenpolitisch, denn auf die Entmachtung des Verfassungsgerichts folgte zur Schaffung nationaler Kulturinstitute die Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, mit dem Auftrag Patriotismus zu lehren.
Aus Sicht eines Juristen ging Harm Adam, Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Niedersachsen e.V., auf die institutionelle Änderung des Verfassungsgerichts ein. Das Ziel sei ganz klar, das Gericht handlungsunfähig zu machen, zum Beispiel indem die Fälle nach ihrem zeitlichen Eingang bearbeitet würden, was bei dem jetzigen Stand sehr viele Jahre dauern könnte. „Hier ist es ganz bewusst Teil einer Operation zur Entmachtung des Rechtstaats“, so die Feststellung Adams.
Die Moderatorin des Abends, Marina Kormbaki (Reporterin beim RedaktionsNetzwerk Deutschland), ging mit ihren Fragen u.a. den Gründen nach, wieso die PiS mit einer Mehrheit von den polnischen Bürgern gewählt wurde. Dr. Andrzej Kaluza, Mitarbeiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, begründete diese Wahl mit den Versäumnissen der vorherigen Partei PO (Bürgerplattform). „Die Bürger haben nicht die PiS gewählt, sondern die PO abgewählt“, so Kaluza in seinen Ausführungen. „Es kam so, wie es kommen musste“, ergänzte Adrian, denn die Bürgerplattform zeigte sich in den letzten Jahren der Regierungszeit wenig motiviert und politisch nicht entsprechend aufgestellt. Auch die Programmleiterin am Institut für öffentliche Angelegenheiten in Warschau, Dr. Agnieszka Lada, unterstrich diese Behauptung, denn letztlich waren es die Wahlversprechen der PiS, die die Menschen überzeugten. Mit dem Blick auf die Biografie Jaroslaw Kaczynskis zeigte sich schon früher, dass der Expremier nur solche Wahlprogramme thematisierte, die den meisten Zuspruch versprachen, erläuterte Andrzej Kaluza. So auch in diesem Fall: Die Senkung des Rentenalters, mehr Kindergeld, die Anhebung des Schulalters, kostenlose Medikamente für Menschen ab 75 und die Verschärfung des Abtreibungsgesetztes – das sind nur wenige Beispiele die zeigen, wie sowohl die Familie auf dem Land mit niedrigem Einkommen, die ältere Bevölkerung und die katholische Kirche als größter Unterstützer, thematisch angesprochen wurden.
„Ich habe die Hoffnung, dass die Menschen nicht alle blind Kaczynski folgen“, so Agnieszka Lada, denn die Menschen in den Großstädten gehen mit dem Blick gen Westen auf die Straßen und demonstrieren gegen die Einschränkung ihrer Rechte. Ebenso sei eine Abwendung von der Europäischen Union undenkbar, verstärkt durch die Abhängigkeit von den hohen Subventionen – das wisse selbst der kleine Landwirt im Osten des Landes, dessen Landmaschinen durch die EU finanziert seien.
Die Podiumsgäste zeigten sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Polen, gleichzeitig waren sich an diesem Abend alle einig, dass die Hoffnung einer Besserung weiterhin besteht und Deutschland wie auch die Europäische Union sich keinesfalls von ihrem einstigen Musterschüler der postsozialistischen Transformation distanzieren sollte. „Ein Blatt vor dem Mund schadet der deutsch-polnischen Beziehung noch viel mehr“, so die Meinung von Ulrich Adrian. Wichtiger sei es die Missstände zu benennen, vor allem im Austausch auf höchster Ebene.