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„Das Verhältnis zwischen Landwirten und Verbrauchern ist nicht einfach“, begann Vierboom seine Ausführungen über die Interessenkonflikte von Erzeugern und Kunden. Vor allem die Sensibilität beim Thema Tierhaltung sei in den letzten 20 Jahren zunehmend in die Wahrnehmung der Verbraucher gerückt. „Doch woher kommt diese Emotionalität?“, fragte der Marktforscher das Publikum, die sogar nicht mit den Dumpingpreisen der Discounter harmoniere.
Ferner romantisierten viele Menschen die Landwirtschaft, reduzierten sie auf rein körperliche und materielle Aspekte. Diese Tendenz werde von der Werbung aufgegriffen, gar unterstützt: Markennamen wie „Obstgarten“, „KerryGold“ oder „Landliebe“ seinen keine Seltenheit und auch „Milka“ werbe seit Jahrzehnten mit einer Kuh in den Bergen.
Diese Idealisierung verdecke aber die hohe Industrialisierung und Produktivität der Landwirtschaft. „Wir sind heute so gut ausgestattet, dass uns die Sachen in den Untiefen des Kühlschranks wegfaulen – das ist uns häufig aber auch egal.“, beschrieb Vierboom die heutige Lebensmittelsituation in Deutschland sowie die Naivität und Widersprüchlichkeit der Verbraucher. Die „utopischen Fantasien“ unserer Großeltern, von einer Welt, in der wir nie mehr Hunger oder Durst erleiden müssten, sind für meisten Deutschen seit langem Wirklichkeit. Im heutigen Schlaraffenland, wollen wir nun alles zum halben Preis bekommen – bei gleichbleibender Qualität und Löhnen selbstverständlich. So gäben die Deutschen im Durchschnitt nur 10% ihres Einkommens für Essen aus. In vielen europäischen Nachbarländen seien 20% normal.
Auf der anderen Seite dieser „Essen-to-go“-Gesellschaft ständen die Landwirte, die bis heute einen großen Erzeugerstolz hegten. Doch sei ihr Problem, dass sie sich nicht auf die Kundenkommunikation, sondern hauptsächlich auf die Produktion konzentrierten. „Den Typus des wortkargen Bauern gibt es noch heute“, so Vierboom. Die Mehrzahl der Landwirte sei stolz auf ihren Besitz, ihr Können, doch hätten auch sie mit dem sektoralen Wandel zu kämpfen, den die zunehmende Technisierung mit sich bringe. „Landwirte arbeiten oft sehr leidenschaftlich, doch haben sie manchmal das Gefühl, nicht mehr Herr im eigenen Haus zu sein, so haben Massentierhandlung und Maschinisierung den Alltag auf dem Land verändert“, zierte Vierboom einzelne Landwirte. Gleichzeitig sähen sie sich auch mit der Inkonsequenz und Indifferenz der Verbraucher konfrontiert. Insgesamt steige jedoch das Ansehen und Vertrauen der Landwirte. Aktuellen Studien zufolge ernten die Landwirte bei 31% der Bevölkerung Zustimmung für ihre Arbeit.
Als Mittler zwischen Landwirten und Verbrauchern agierten die Medien. Es sei aber falsch ihnen ein reines Wächteramt zu zusprechen. Auch die Medien seien zunehmend unter Druck und im gnadenlosen Kampf zwischen Auflage und Quoten würden fundierte Hintergrundinformationen häufiger zugunsten schlecht recherchierten „Hetzartikel“ zurückgedrängt. Zudem versteckten sich hinter der – auch berechtigten - Kritik an moderner Tierhaltung oft einfache Schuldgefühle. Wurde früher Gott vor jeder Mahlzeit für seine Gaben gedankt, fehle es den Menschen heute an entsprechenden Ritualen oder Orientierungen. Um die Schuld für den Tot eines Tieres, das nur starb, damit man es selbst essen könne, von sich zu weisen, suche man sich andere Schuldige. „Wir selbst wollen uns immer als unschuldig darstellen“, so der Psychologe.
In der nachfolgenden, sehr ausführlichen Diskussion ging es vor allem um den Druck der Landwirte, welche die Abnahmepreise häufig von Lebensmitteldiscountern diktiert bekommen. Eine Landwirtin aus dem Publikum erzählte: „Früher hatten wir 30 Sauen auf Stroh, doch davon können wir nicht mehr leben. Heute haben wir 300 mit weniger Bewegungsmöglichkeiten. Das ist nicht perfekt, ich bin trotzdem keine Tierquälerin und mache nur meine Arbeit.“ Ähnlicher Ansicht war auch Carl Vierboom, der betonte, es gäbe nichts umsonst und nichts zum halben Preis.