Event reports
Von Weizsäcker war in Hannover glänzend aufgelegt. Fast 90 Minuten führte der Ex-Chefredakteur Dr. Wolfgang Mauersberg das Gespräch mit dem ehemaligen Bundespräsidenten im Maritim Grand Hotel Hannover. Anschließend signierte er geduldig eine halbe Stunde lang sein Buch „Der Weg zur Einheit“ sowie eine neue Biographie über sein Leben jeweils aus dem Verlag C.H. Beck.
550 Gäste passten in den Saal - ausverkauft! Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Bildungswerk Hannover, und die Buchhandlung Leuenhagen & Paris aus der Lister Meile in Hannover hatten sich zusammengetan, um einen unterhaltsamen und erkenntnisreichen Abend mit von Weizsäcker zu bestreiten, der am 15. April 2010 seinen 90. Geburtstag feiert.
Voller Saal im Maritim Hotel
Erster privater Ausflug in den Ostteil Berlins
Mit Humor, Spontaneität, Intelligenz und politischen Gespür setzte der von 1984 bis 1994 als Bundespräsident amtierende von Weizsäcker dem Abend seinen Stempel auf. Auch einige humorvolle Anekdoten kamen darin vor. So berichtete von Weizsäcker von seinem ersten unbewachten, privaten Ausflug nach dem Mauerfall, als die DDR formal noch existierte. Am Potsdamer Platz, noch getrennt in West- und Ostteil, sei ein „Vopo“ (DDR-Volkspolizist) aus seiner Ost-Baracke hervorgesprintet, hatte den Arm zum Gruß gerichtet und gerufen: „Herr Bundespräsident, ich melde: Keine besonderen Vorkommnisse!“.
So nahm der Abend zwischen Kriegsbeginn, Kriegsende, Adenauers Weg der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das Westbündnis bis hin zum Mauerbau seinen Verlauf zwischen Geschichtsstunde und Erzählung persönlicher Stationen und Begebenheiten. Stets spielte darin die evangelische Kirche eine besondere Bedeutung und Rolle. Dies ging bis hin zum Jahr 1983, als er als Regierender Bürgermeister von Berlin, auf Einladung der Kirche und mit Genehmigung der DDR-Staatsmacht, sogar auf dem Marktplatz in Wittenberg, der Lutherstadt, reden durfte.
KAS-Landesbeauftragter Jörg Jäger, Buchhändler Klaus Eberitzsch, Bundespräsident a.D. Dr. Richard von Weizsäcker, Moderator Dr. Wolfgang Mauersberg
Das Lebensgefühl der Menschen
Immer wieder spitzte Moderator Mauersberg seine Fragen zu, wenn es um die Rolle von Parteien und Politikern ging. Von Weizsäcker hob die Rolle Willy Brandts bei der Annäherung an Polen hervor und das ehemalige Staatsoberhaupt betonte, dass vormalige Maßnahmen wie die Hallstein-Doktrin von 1955 nicht das Lebensgefühl der Menschen trafen. „Unmenschlich und nicht haltbar“ sei der Abbruch der Beziehung zu Staaten, die mit der DDR diplomatischen Kontakt aufnahmen, so von Weizsäcker zur Hallstein-Doktrin, benannt nach dem ehemaligen Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Und deshalb würde auch die Mauer eines Tages durch die Bürgergesellschaft überwunden werden, so von Weizsäcker. Er stellte klar, dass die Mauer nur von Zeit sein würde und das jedem hätte bewusst sein müssen, "weil die Mauer weder die Menschen im Westen noch im Osten je gewollt haben“. Nur ob man den Einsturz noch zu Lebzeiten erleben dürfe, das war nie klar. Von Weizsäcker sah man bei diesen Worten das Glück an, jene Zeiten des Wandels in politischer Verantwortung erlebt zu haben. Er selbst habe den Mauerfall und die Pressekonferenz Schabowski im Autoradio vernommen - auf der Fahrt von Bayern nach Berlin.
Von Weizsäcker betonte immer wieder die Notwendigkeit von vermittelnden Gesprächen über politische Parteien und Systeme hinweg, wobei er selbst seine Unterhaltung mit Erich Honecker, die vier Stunden andauerte, als „mein langweiligstes Gespräch, was ich überhaupt je geführt habe“ titulierte.
Parteien sind nicht dazu da, sich zu eradieren!
Als von Weizsäcker wiederholt vom Moderator nach den politischen Konflikten mit der SPD gefragt wurde und ob man denn einig zwischen CDU und SPD sein müsse oder nicht eher der Konflikt in der Ostpolitik noch stärker - auch bezogen auf sein Handeln als damaliger CDU-Bundestagsabgeordneter (1969 bis 1981) - hätte austragen müssen, hob er empört die Stimme und erklärte: „Parteien sind nicht dazu da, sich zu eradieren!“ und kassierte spontanen Publikumsbeifall, hielt sich aber ansonsten mit der Parteienkritik zurück. Er zitierte statt dessen Herbert Wehner (SPD) und dessen Forderung, dass man die Ostpolitik gemeinsam bestreiten müsse. Auch Helmut Kohl habe später die Politik Helmut Schmidts fortgesetzt und mit dem Nachrüstungsbeschluss erst die Abrüstung im Warschauer Pakt erzwungen. Große Themen seien eben nur parteiübergreifend zu bewegen.
Dr. Wolfgang Mauersberg und Dr. Richard von Weizsäcker
Europäische Einigung
Vom Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West bis hin zum Solidarzuschlag wurde kaum ein Feld an diesem Abend ausgelassen. Natürlich wurde auch der europäische Einigungsprozess von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl gestreift und die Rolle der Briten, der Franzosen und der Deutschen diskutiert. Moderator Mauersberg, der sich eher als früherer Kohl-Kritiker erkennen gab, musste im Verlauf des Abends zum europäischen Einigungsprozess feststellen, dass die Kohl-Aussage richtig sei: „Europa bleibt ein Europa der Vaterländer“! „Der Mann hat recht, es geht gar nicht anders!“ so Wolfgang Mauersberg.
Von Weizsäcker freilich erneuerte seinen Aufruf der jüngsten Tage, den er gemeinsam u.a. mit Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher und Henry Kissinger formulierte nämlich jenen nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in Europa. Weder eine übereilte Erweiterung der NATO noch der EU sei der Schlüssel für mehr Frieden. Der Gefahr der Kernwaffen sei nur durch eine „einige NATO gemeinsam mit einer europäischen Strategie“ zu begegnen. Und so blieb klar: Dieser Alt-Bundespräsident ist ein anhaltend hochpolitischer Mensch, der nicht nach Beachtung drängt, aber nach wie vor auch in wichtigen Fragen der Zeit sich zu Wort melden wird.
Staatsoberhaupt des Dialoges und Gespräches
Auch viele Jugendliche waren nach der Veranstaltung auf das Podium gekommen, um sich ihre Bücher vom ehemaligen Bundespräsidenten signieren zu lassen.
Klaus Eberitzsch, Seniorchef der Buchhandlung, und Jörg Jäger, KAS-Landesbeauftragter für Niedersachsen, begrüßten den Bundespräsidenten a.D., Richard von Weizsäcker, bereits am späten Nachmittag in Hannover. Jäger hob bei seiner einleitenden Begrüßung hervor, dass von Weizsäcker in seiner zehnjährigen Amtszeit als Staatsoberhaupt des geduldigen Zuhörens, des Dialoges und ganz besonders des Gespräches mit jungen Menschen gewesen sei. Politische Aussagen würden von ihm nicht mit lehrhaften Zeigefinger vorgetragen oder im eindimensionalen Vortrag getroffen, sondern im Gespräch herausgearbeitet und Schritt für Schritt hergeleitet. Das zeigte sich nicht nur im Verlauf des Gespräches mit Dr. Mauersberg. Noch bei der Verabschiedung am Podium deutete er an, aus Anlass seines baldigen 90. Geburtstages gemeinsam mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ein Gespräch mit jungen Menschen zu führen. Er wolle diese jungen Leute fragen, warum sie sich diese heute überhaupt politisch engagieren, lächelte zugleich altersmilde und verschmitzt und freute sich wohl schon jetzt auf dieses Ereignis - oder besser - auf diesen Dialog mit der jüngsten Politikergeneration.
550 Gäste passten in den Saal - ausverkauft! Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Bildungswerk Hannover, und die Buchhandlung Leuenhagen & Paris aus der Lister Meile in Hannover hatten sich zusammengetan, um einen unterhaltsamen und erkenntnisreichen Abend mit von Weizsäcker zu bestreiten, der am 15. April 2010 seinen 90. Geburtstag feiert.
Voller Saal im Maritim Hotel
Erster privater Ausflug in den Ostteil Berlins
Mit Humor, Spontaneität, Intelligenz und politischen Gespür setzte der von 1984 bis 1994 als Bundespräsident amtierende von Weizsäcker dem Abend seinen Stempel auf. Auch einige humorvolle Anekdoten kamen darin vor. So berichtete von Weizsäcker von seinem ersten unbewachten, privaten Ausflug nach dem Mauerfall, als die DDR formal noch existierte. Am Potsdamer Platz, noch getrennt in West- und Ostteil, sei ein „Vopo“ (DDR-Volkspolizist) aus seiner Ost-Baracke hervorgesprintet, hatte den Arm zum Gruß gerichtet und gerufen: „Herr Bundespräsident, ich melde: Keine besonderen Vorkommnisse!“.
So nahm der Abend zwischen Kriegsbeginn, Kriegsende, Adenauers Weg der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das Westbündnis bis hin zum Mauerbau seinen Verlauf zwischen Geschichtsstunde und Erzählung persönlicher Stationen und Begebenheiten. Stets spielte darin die evangelische Kirche eine besondere Bedeutung und Rolle. Dies ging bis hin zum Jahr 1983, als er als Regierender Bürgermeister von Berlin, auf Einladung der Kirche und mit Genehmigung der DDR-Staatsmacht, sogar auf dem Marktplatz in Wittenberg, der Lutherstadt, reden durfte.
KAS-Landesbeauftragter Jörg Jäger, Buchhändler Klaus Eberitzsch, Bundespräsident a.D. Dr. Richard von Weizsäcker, Moderator Dr. Wolfgang Mauersberg
Das Lebensgefühl der Menschen
Immer wieder spitzte Moderator Mauersberg seine Fragen zu, wenn es um die Rolle von Parteien und Politikern ging. Von Weizsäcker hob die Rolle Willy Brandts bei der Annäherung an Polen hervor und das ehemalige Staatsoberhaupt betonte, dass vormalige Maßnahmen wie die Hallstein-Doktrin von 1955 nicht das Lebensgefühl der Menschen trafen. „Unmenschlich und nicht haltbar“ sei der Abbruch der Beziehung zu Staaten, die mit der DDR diplomatischen Kontakt aufnahmen, so von Weizsäcker zur Hallstein-Doktrin, benannt nach dem ehemaligen Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Und deshalb würde auch die Mauer eines Tages durch die Bürgergesellschaft überwunden werden, so von Weizsäcker. Er stellte klar, dass die Mauer nur von Zeit sein würde und das jedem hätte bewusst sein müssen, "weil die Mauer weder die Menschen im Westen noch im Osten je gewollt haben“. Nur ob man den Einsturz noch zu Lebzeiten erleben dürfe, das war nie klar. Von Weizsäcker sah man bei diesen Worten das Glück an, jene Zeiten des Wandels in politischer Verantwortung erlebt zu haben. Er selbst habe den Mauerfall und die Pressekonferenz Schabowski im Autoradio vernommen - auf der Fahrt von Bayern nach Berlin.
Von Weizsäcker betonte immer wieder die Notwendigkeit von vermittelnden Gesprächen über politische Parteien und Systeme hinweg, wobei er selbst seine Unterhaltung mit Erich Honecker, die vier Stunden andauerte, als „mein langweiligstes Gespräch, was ich überhaupt je geführt habe“ titulierte.
Parteien sind nicht dazu da, sich zu eradieren!
Als von Weizsäcker wiederholt vom Moderator nach den politischen Konflikten mit der SPD gefragt wurde und ob man denn einig zwischen CDU und SPD sein müsse oder nicht eher der Konflikt in der Ostpolitik noch stärker - auch bezogen auf sein Handeln als damaliger CDU-Bundestagsabgeordneter (1969 bis 1981) - hätte austragen müssen, hob er empört die Stimme und erklärte: „Parteien sind nicht dazu da, sich zu eradieren!“ und kassierte spontanen Publikumsbeifall, hielt sich aber ansonsten mit der Parteienkritik zurück. Er zitierte statt dessen Herbert Wehner (SPD) und dessen Forderung, dass man die Ostpolitik gemeinsam bestreiten müsse. Auch Helmut Kohl habe später die Politik Helmut Schmidts fortgesetzt und mit dem Nachrüstungsbeschluss erst die Abrüstung im Warschauer Pakt erzwungen. Große Themen seien eben nur parteiübergreifend zu bewegen.
Dr. Wolfgang Mauersberg und Dr. Richard von Weizsäcker
Europäische Einigung
Vom Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West bis hin zum Solidarzuschlag wurde kaum ein Feld an diesem Abend ausgelassen. Natürlich wurde auch der europäische Einigungsprozess von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl gestreift und die Rolle der Briten, der Franzosen und der Deutschen diskutiert. Moderator Mauersberg, der sich eher als früherer Kohl-Kritiker erkennen gab, musste im Verlauf des Abends zum europäischen Einigungsprozess feststellen, dass die Kohl-Aussage richtig sei: „Europa bleibt ein Europa der Vaterländer“! „Der Mann hat recht, es geht gar nicht anders!“ so Wolfgang Mauersberg.
Von Weizsäcker freilich erneuerte seinen Aufruf der jüngsten Tage, den er gemeinsam u.a. mit Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher und Henry Kissinger formulierte nämlich jenen nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in Europa. Weder eine übereilte Erweiterung der NATO noch der EU sei der Schlüssel für mehr Frieden. Der Gefahr der Kernwaffen sei nur durch eine „einige NATO gemeinsam mit einer europäischen Strategie“ zu begegnen. Und so blieb klar: Dieser Alt-Bundespräsident ist ein anhaltend hochpolitischer Mensch, der nicht nach Beachtung drängt, aber nach wie vor auch in wichtigen Fragen der Zeit sich zu Wort melden wird.
Staatsoberhaupt des Dialoges und Gespräches
Auch viele Jugendliche waren nach der Veranstaltung auf das Podium gekommen, um sich ihre Bücher vom ehemaligen Bundespräsidenten signieren zu lassen.
Klaus Eberitzsch, Seniorchef der Buchhandlung, und Jörg Jäger, KAS-Landesbeauftragter für Niedersachsen, begrüßten den Bundespräsidenten a.D., Richard von Weizsäcker, bereits am späten Nachmittag in Hannover. Jäger hob bei seiner einleitenden Begrüßung hervor, dass von Weizsäcker in seiner zehnjährigen Amtszeit als Staatsoberhaupt des geduldigen Zuhörens, des Dialoges und ganz besonders des Gespräches mit jungen Menschen gewesen sei. Politische Aussagen würden von ihm nicht mit lehrhaften Zeigefinger vorgetragen oder im eindimensionalen Vortrag getroffen, sondern im Gespräch herausgearbeitet und Schritt für Schritt hergeleitet. Das zeigte sich nicht nur im Verlauf des Gespräches mit Dr. Mauersberg. Noch bei der Verabschiedung am Podium deutete er an, aus Anlass seines baldigen 90. Geburtstages gemeinsam mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ein Gespräch mit jungen Menschen zu führen. Er wolle diese jungen Leute fragen, warum sie sich diese heute überhaupt politisch engagieren, lächelte zugleich altersmilde und verschmitzt und freute sich wohl schon jetzt auf dieses Ereignis - oder besser - auf diesen Dialog mit der jüngsten Politikergeneration.