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Prof. Masala von der Universität der Bundeswehr München, der die Diskussion als aktiver Moderator begleitete, wollte zu Beginn von Dr. Keller wissen, was für ein Bild die Amerikaner von den Russen haben. Dr. Keller erklärte, dass niemandem Russland egal sei, aber zwischen zwei Gruppierungen unterschieden werden müsse. Zum einen gäbe es die „bear hugger“ (dt. „Umarmer des Bären“), die mit Russland intensiver zusammenarbeiten wollen. Zum anderen existiere die Gruppierung der „bear hunter“ (dt. Bärenjäger), die den Bären lieber erledigt sehen würden. Anschließend erläuterte Dr. Keller, dass die Stärke Russlands aus der Sicht Amerikas aus vier Säulen bestehe. Neben dem Platz im UN-Sicherheitsrat und den großen Rohstoffvorkommen gehörten noch die Nuklearwaffen und die militärischen Streitkräfte dazu. Allerdings stellte Keller die offene Frage, wie stark diese einzelnen Komponenten heute noch seien.
Prof. Adomeit beurteilte das amerikanisch-russische Verhältnis dann aus der Sicht Russlands und machte deutlich, dass sich die Russen als Macht im Aufstieg sehen. Zudem ergänzte er zwei weitere Säulen: die enorme geographische Ausdehnung über 11 Zeitzonen und die große Bevölkerungszahl von 141 Millionen Einwohnern. Doch auch Adomeit äußerte erhebliche Bedenken bei diesen Faktoren. So stellte er in Frage, ob 11 Zeitzonen wirklich von Vorteil für eine Macht seien und erklärte, dass die Einwohnerzahl in Russland rapide zurückgehe. Vor 20 Jahren lag die Bevölkerungszahl noch bei 148 Millionen, in den letzten Jahren sanken die Zahlen sogar um 500.000 pro Jahr. Zudem machte er die möglichen Konfliktpotentiale an der russisch-chinesischen Grenze deutlich. Während auf russischer Seite nur 8 Millionen Menschen im Grenzgebiet leben, sind es auf chinesischer Seite mittlerweile 145 Millionen Menschen. Trotzdem erheben die Russen den Anspruch, „auf gleicher Augenhöhe mit den USA zu sein“, so Adomeit, auch, wenn sie momentan „an der Finanz- und Wirtschaftskrise extrem leiden“.
Des Weiteren stellte Prof. Masala an den Russland-Experten Prof. Adomeit die Frage, was eigentlich zwischen Medwedjew und Putin passiere. Prof. Adomeit war der Meinung, dass Medwedjew nur Übergangspräsident sei und Putin in den nächsten Jahren das Amt wieder übernehmen werde. Doch auch weiterhin habe Putin „die Fäden in der Hand“. So war es beispielsweise seine Entscheidung, in Südossetien zu intervenieren. Anschließend skizzierte Adomeit sein eigenes Bild vom russischen Staat. Für ihn ist Russland ein fahrendes Auto auf gerader Strecke, das „an einer Abzweigung blinkt, dann aber doch nicht abbiegt“.
Bevor Fragen aus dem Publikum gestellt wurden, gaben alle Experten noch ein Statement zur Frage ab, ob sich Amerika im Aufbruch oder Abstieg befände. Prof. Masala erklärte, dass Amerika für ihn im militärischen Bereich auf längere Zeit die uneinholbare Supermacht bleiben werde. In der Wirtschaft ließen sich die Machtverhältnisse hingegen als multipolar kennzeichnen.
Dr. Keller stimmte Prof. Masala in beiden Punkten zu, ergänzte jedoch noch eine dritte Ebene. Hierbei handelte es sich um die kulturellen Werte und die Anpassungsfähigkeit eines Landes. „Aus dieser „soft power“ beziehen die Vereinigten Staaten einen Großteil ihrer Macht“, urteilte Dr. Keller und verdeutlichte, dass die amerikanische Kultur das Land für Außenstehende so attraktiv mache.
Hier stimmte auch Prof. Adomeit zu: „Die „soft power“ ist die größte Stärke der USA“. Zudem stellte er die Flexibilität der amerikanischen Gesellschaft und deren Politik heraus und gab zu verstehen, dass Amerika keinesfalls eine Macht im Abstieg sei. Andere Länder wie Indien, China und Brasilien würden sich lediglich im Aufstieg befinden.
In der Diskussion wurden viele verschiedene Themenbereiche angesprochen. So wurde gefragt, ob Amerika in der Lage sei, die hohe Akzeptanz, die es zu Beginn der 90er Jahre gab, wiederzuerlangen, und welche Rolle dabei der Regierungswechsel zu Obama spielen würde. Zudem wurde der Friedensnobelpreis für Barack Obama kritisch hinterfragt.
Dr. Keller ging hierbei auf internationale Umfragen ein, die belegen, dass das Ansehen Amerikas im Ausland wieder gewachsen sei. Vor allem auch in Deutschland wird Amerika seit dem Wechsel zu Obama wieder positiver gesehen.
„Der Friedensnobelpreis hat Obama aber innenpolitisch geschadet“, sagte Dr. Keller. McCain habe im Wahlkampf immer erklärt, dass Obama zwar ein toller Typ sei, der gut reden könne, sich politisch aber noch nicht bewährt oder einen großen Stab geleitet hätte. Jetzt bekommt er den Friedensnobelpreis, weil er tolle Ideen habe, die er gut verkaufen würde. Diese Kritik an Obama ziehe sich durch die bisherige Regierungszeit und bekäme durch die Verleihung nur neue Nahrung.
Auch Prof. Masala kritisierte die Entscheidung für Obama und berichtete, dass viele Amerikaner auch der Meinung waren, dass er den Preis hätte ablehnen sollen.
Des Weiteren wurde die aktuelle Situation der NATO angesprochen und kritisiert, dass sie nicht wüsste, wohin sie wolle. Daraufhin wurde angemerkt, dass die NATO für die USA keine große Bedeutung mehr hätte.
Hierzu erklärte Prof. Masala, dass die NATO in Zukunft als „global alliance“ gesehen werden müsse, wenn ihre Bedeutung für die Vereinigten Staaten wieder steigen solle. Er machte deutlich, dass eine NATO-Stärkung der USA nur möglich sei, wenn die EU auf den „global alliance“ – Zug aufspringen würde. „Für Europa ist die Orientierungslosigkeit der NATO gefährlicher, als für Amerika“, ergänzte Dr. Keller. Zudem erläuterte der außen- und sicherheitspolitische Koordinator der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass eine Art Hegemonie immer auch Stabilität bringe: „Instabilität entsteht hingegen durch neue Akteure, die stark genug sind, die Unipolarität anzugreifen“.
Spannend wurde es auch am Ende, als Prof. Masala die abschließende Frage stellte: „Was für ein internationales System haben wir in 10 Jahren?“
Prof. Adomeit blickte optimistisch in die Zukunft und sagte, dass sich die Tendenzen zwischen Russland und Amerika entspannen würden und das Dreieck EU-Russland-Amerika in Zukunft stärker kooperieren werde.
Dr. Keller sieht in Zukunft zwei unterschiedliche Trenderscheinungen: Zum einen werde es in 10 Jahren gestärkte Regionalmächte geben, zu denen er beispielsweise China oder Brasilien zählt. Über den regional verankerten Mächten siedelt er weiterhin die USA an, die den Vorteil besäßen, überall eingebunden und gleichermaßen Pazifik- und Atlantikmacht zu sein. Zum anderen beobachtet er eine Wandlung im Internet. „Durch Medien wie Twitter und Facebook wird die Globalisierung in Zukunft noch stärker unterfüttert“. Dazu fand Prof. Adomeit die passenden Schlussworte: „Es wird garantiert nicht langweilig werden“.
Das Bildungswerk Hannover der Konrad-Adenauer-Stiftung und das Lufttransportgeschwader 62 werden die Wunstorfer Gespräche im kommenden Jahr fortsetzen.
Steffen Lühning
Kontakt: Steffen.Luehning@kas.de