Der amtierende Präsident Muhammadu Buhari, Kandidat des All Progressive Congress (APC), konnte sich gegen seinen größten Widersacher, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Landes und Kandidat der Peoples Democratic Party (PDP) Atiku Abubakar, bei den Präsidentschaftswahlen am 23. Februar 2019 durchsetzen. Auch in der Nationalversammlung errang die APC die Mehrheit in beiden Kammern. Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen fanden am 9. März 2019 statt.
APC gewinnt Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
Mit einer Woche Verspätung fanden am 23. Februar 2019 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nigeria statt. Der amtierende Präsident Muhammadu Buhari, der nach 2015 erneut für den All Progressive Congress (APC) kandierte, konnte sich mit 55,6% der Stimmen gegen seinen größten Widersacher Atiku Abubakar von der Peoples Democratic Party (PDP) durchsetzen. Buhari wurde von insgesamt 15,19 Millionen Wählern im Amt bestätigt. Atiku konnte dagegen nur 41,2% der Stimmen auf sich vereinen. Für ihn stimmten 11,26 Millionen Wahlberechtige. Die APC konnte außerdem 210 der 360 Sitze im Repräsentantenhaus und 65 von 109 Sitzen im Senat und damit die Mehrheit in beiden Kammern der Nationalversammlung erringen. Die zweite große Partei Nigerias, die PDP, kam nur auf 113 Sitze im Repräsentantenhaus und 39 Sitze im Senat. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,6% und war damit um 8% geringer als bei den Wahlen im Jahre 2015.
Bei den ebenfalls um eine Woche verschobenen Gouverneurswahlen, die nun am 9. März stattfanden, konnten sich Kandidaten der APC in 15 Bundesstaaten durchsetzen. Die PDP errang die Mehrheit in 13 Staaten. Im Bundesstaat Rivers ist die Auszählung der Stimmen wegen anhaltender Unruhen auf April verschoben worden. Die Ergebnisse der Landesparlamentswahlen, die ebenfalls am 9. März erfolgten, sind von der Unabhängigen Wahlkommission (INEC) noch nicht veröffentlicht worden.
Buhari und APC profitieren von Wahlverschiebung
Viele Experten haben vor der Präsidentschaftswahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Buhari und Atiku erwartet. Dass Buhari nun die Wahlen für sich mit einem so deutlichen Abstand entscheiden konnte, ist wohl vor allem auf die Verschiebung der Wahlen um eine Woche zurückzuführen. Nur wenige Stunden vor dem Urnengang, der eigentlich für den 16. Februar vorgesehen war, gab die Unabhängige Wahlkommission bekannt, dass die Wahlen nicht stattfinden könnten. In vielen Regionen, so die Wahlkommission, lägen die Wahlmaterialien noch nicht vor. Der Grund dafür sei, dass schlechtes Wetter und schlechte Straßenbedingungen es erschwert hätten, die Wahlbüros im ganzen Land rechtzeitig mit Wahlzetteln und elektronischen Kartenlesegeräten auszustatten. Einige Regionalbüros von INEC sind zudem mit den dort zwischengelagerten Wahlmaterialien nur wenige Tage vor der Wahl in Brand gesetzt worden.
Die Enttäuschung und Entrüstung über die so kurzfristig angesetzte Wahlverschiebung war landesweit groß. Viele Menschen in Nigeria sind für die Wahlen nicht an ihren Wohnorten, sondern an ihren Heimatorten registriert. Sie mussten deshalb weite Wege auf sich nehmen, um an der Wahl teilzunehmen. Bereits ein bis zwei Tage vor der Wahl setzen sich Millionen von Wählern in Bewegung, um mehrere hundert Kilometer zurückzulegen. Viele von ihnen mussten dafür Urlaub nehmen oder bekamen von ihren Arbeitgebern frei. Vor allem die mobilen Christen aus dem Süden, die die Stammwählerschaft der PDP bilden, dürften die Mehrheit der Reisenden gewesen sein. Mit der kurzfristigen Verschiebung standen sodann Atiku und die PDP vor dem Problem, dass sie ihre Wähler eine Woche später erneut mobilisieren mussten. In den Tagen vor dem 23. Februar wurden deshalb Busse und Lastkraftwagen zur Verfügung gestellt. Viele Wähler dürften dennoch kein zweites Mal die strapaziöse Reise auf sich genommen haben. Dafür spricht unter anderem die selbst für Nigeria sehr niedrige Wahlbeteiligung.
Hinzu kommt, dass die Politikverdrossenheit weiter Teile der Bevölkerung bereits vor den Wahlen ein großes Thema war. Buhari hatte die Wahlen in 2015 mit großen Versprechen gewonnen, die er nicht halten konnte. Viele Wähler waren deshalb enttäuscht von seiner Bilanz. Atiku hingegen stand wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik, die noch aus seiner Zeit als Vizepräsident stammten. Für viele Menschen wäre es somit ohnehin eine schwierige Wahlentscheidung gewesen (siehe ergänzend KAS-Länderbericht, Februar 2019).
Chaotische Zustände und Gewalt
Selbst mit einer Woche Verzögerung konnten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nicht reibungslos stattfinden. Zahlreiche Wahllokale machten erst Stunden später als vorgesehen auf. Es fehlten Wahlzettel, oder die elektronischen Kartenlesegeräte, mit denen die Wähler authentifiziert werden sollten, funktionierten an vielen Orten nicht einwandfrei. Menschenmassen hatten sich vor den Wahllokalen im gesamten Land versammelt und mussten lange warten, bis sie ihre Stimme abgeben konnten. In einigen Regionen kam es zudem zu gewaltsamen Ausschreitungen. In Lagos zum Beispiel hatten Bewaffnete Wahllokale in Hochburgen der PDP gestürmt, schossen um sich und vernichteten Wahlmaterialien sowie bereits abgegebene Wahlzettel. Im nordöstlichen Bundesstaat Yobe soll die Boko-Haram-Splitterfraktion Islamic State Westafrica Province, kurz ISWAP, Wahllokale überfallen und die Wähler auseinander getrieben haben. Bei diesen und weiteren Vorfällen im Zusammenhang mit der Wahl sollen laut New York Times mindestens 39 Menschen gestorben sein.
Wahlbetrug und Manipulation
Inzwischen verfestigt sich auch der Vorwurf, dass die Wahlen zu Teilen manipuliert gewesen sein dürften. Erst kürzlich hatte eine nationale Vereinigung bedeutender NGOs, die an der Wahlbeobachtung teilnahm, ihren Bericht vorgelegt. Darin werden die Wahlen von 2019 mit den Wahlen von 2007 verglichen, als Ergebnisse massiv verfälscht wurden. Es ist die Rede von weitreichendem Stimmenkauf, von weitverbreiteter Einschüchterung der Wählerschaft und von Behinderung, Entführung oder Lebensbedrohung von Mitarbeitern der Unabhängigen Wahlkommission, die den Wahlgang vor Ort organisieren sollten. Dabei sollen sich auch Sicherheitskräfte, die für die Wahlen abgestellt worden waren, nicht neutral verhalten haben, sich also an vielen Orten in den Wahlgang eingemischt oder diesen sogar aktiv behindert haben. Die vielen Videoclips, die in den sozialen Medien bereits einige Tage nach der Wahl zu sehen waren, zeigen außerdem mehrfache Stimmabgaben in großem Umfang.
Atiku hatte der APC bereits kurz nach Verkündung der Wahlergebnisse massiven Wahlbetrug vorgeworfen und angekündigt, dass er die Wahl nicht akzeptieren und juristische Schritte einleiten wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich auch Anhänger der PDP der Wahlmanipulation schuldig gemacht haben.
Der Blick auf die Resultate in einigen Bundesstaaten wirft zudem Fragen auf. Ein Vergleich der Wahlergebnisse von 2019 mit 2015 im nordöstlichen Bundesstaat Borno zum Beispiel zeigt, dass die APC ihre Stimmen verdoppeln konnte. Dies ist insofern erstaunlich, als Boko Haram und ISWAP die Bevölkerung Bornos seit Jahren täglich terrorisieren, obwohl Buhari 2015 seine Wahl mit dem Kernversprechen gewonnen hatte, die Terroristen in nur wenigen Monaten zu besiegen. 2018 starben wieder mindestens 1.200 Menschen, hunderttausende mussten fliehen. Um die Jahreswende herum konnten die Terrormilizen wieder große Gebiete des Bundesstaats unter ihre Kontrolle bringen. Ein so klares Ergebnis für Buhari war deshalb nicht zu erwarten (siehe ergänzend KAS-Länderbericht, Februar 2019).
Ein weiteres Beispiel, das Fragen aufwirft, sind die Ergebnisse in Rivers, eine PDP-Hochburg im Nigerdelta. Im Vergleich zu 2015 hat die PDP in diesem Bundesstaat etwa eine Million Stimmen verloren, während die APC ihre Stimmen mehr als verdoppeln konnte. Ein Grund dafür dürfte nicht nur die Wahlverschiebung gewesen sein, sondern auch die große Präsenz der Armee. Berichten zufolge haben Soldaten viele Wähler eingeschüchtert oder aktiv vom Urnengang abgehalten.
Komplikationen auch bei Gouverneurswahlen
Nicht nur die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen waren von Komplikationen überschattet, sondern auch viele Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen. Im Bundesstaat Rivers musste sogar die Zusammentragung der Stimmen und deren Auszählung gestoppt werden, nachdem es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen dem Militär und bewaffneten Milizen gekommen war. In sechs Staaten musste außerdem eine Nachwahl organisiert werden, um eine Entscheidung herbeizuführen, da die Ergebnisse nicht eindeutig waren. Im nördlichen Bundesstaat Kano kam es dabei am 23. März zu schwerwiegenden Behinderungen von Wahlbeobachtern und der Presse. Mit Macheten und Keulen Bewaffnete sollen außerdem Wähler eingeschüchtert, Wahllokale besetzt und die Ergebnisse manipuliert haben. Viele Stimmen sollen zudem gekauft worden sein. Die unabhängige Wahlkommission hat mittlerweile den amtierenden Gouverneur Abdullahi Ganduje (APC) zum Sieger erklärt, obwohl das Wahlergebnis knapp war und internationale Wahlbeobachter, zum Beispiel der Europäischen Union, die Missstände in Berichten anprangern. Abba Yusuf, der Kandidat der PDP, hat angekündigt, dass er die Wahl nicht akzeptieren und gerichtlich gegen das Ergebnis vorgehen wird. Dies dürfte nicht der einzige Fall bleiben, der im Zusammenhang mit den Gouverneurswahlen vor Gericht ausgefochten wird.
Was ist zu erwarten?
Die PDP hat inzwischen ihre Anklageschrift gegen den Wahlsieg Buharis offiziell eingereicht. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie kaum eine Chance auf Erfolg bei der gerichtlichen Anfechtung der Präsidentschaftswahl haben wird. Es wird schwierig sein, der APC einen massiven Wahlbetrug in einer Form nachzuweisen, die eine Annullierung der Wahl rechtfertigen würde. Nigeria muss sich wohl damit abfinden, dass Buhari vier weitere Jahre das Land regieren wird.
Buhari hat bereits in seiner ersten Legislaturperiode nicht überzeugt. Er konnte weder entscheidende Erfolge gegen die Terroristen im Nordosten des Landes erzielen oder die prekäre Sicherheitslage in anderen Teilen des Landes verbessern, noch das Land aus der Wirtschaftskrise führen oder die weitverbreitete Korruption merklich eindämmen. Der 76jährige soll auch weiterhin gesundheitlich schwer angeschlagen sein. Viele sprechen davon, dass er womöglich das Ende seiner Legislaturperiode nicht erleben wird. Es bleibt daher fraglich, ob eine neue Regierung unter Buhari die Tatkraft entwickeln kann, die notwendig wäre, die vielschichtigen Probleme und allen voran die wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes zu lösen (siehe KAS-Länderbericht, Februar 2019).
Außerdem bleibt die Frage unbeantwortet, woher die Staatsgelder kommen sollen, um die äußerst ambitionierten Wahlversprechen der APC einzulösen. Buhari will nicht nur eine Lösung für die vielen Sicherheitsprobleme des Landes finden und weiterhin gegen Korruption konsequent vorgehen, sondern auch mit groß angelegten Förderprogrammen Millionen von Arbeitsplätzen schaffen, damit die hohe Arbeitslosigkeit abbauen und die Wirtschaft ankurbeln. Im Agrarsektor sollen mindestens 7,5 Mio. Arbeitsplätze mit Hilfe von Fördergeldern entstehen, darüber hinaus sollen sich über 10 Mio. Menschen in staatlich geförderten Bildungsprogrammen für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Der Technologie- und Kreativsektor soll staatliche Mittel in Höhe von 500 Mio. US-Dollar erhalten. Überall im Land sollen außerdem Industrieparks entstehen, die weitere Arbeitsplätze schaffen sollen. In die marode Straßeninfrastruktur und die schlechte Energieversorgung soll ebenfalls investiert werden. Das Land hat sich bereits in den letzten Jahren zunehmend verschuldet. Sollte die APC tatsächlich ihre Wahlversprechen wahr machen wollen, dann wird vermutlich kein Weg vorbei an einer erneuten Verschuldung führen.
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