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Der Staat Plateau liegt im so genannten „middle-belt“ Nigerias - die Haupt- und Universitätsstadt Jos mit vielleicht einer Million Einwohnern ist etwa drei Stunden Autofahrt nordöstlich von Abuja entfernt -, und ist mit seinen etwa 3,5 Millionen Einwohnern überwiegend agrarisch. Es verfügt nicht über Öl- oder Gaslager, die mehr im Süden, zur Küste hin, zu finden sind.
Plateau ist Teil der Fuge zwischen den beiden großen Platten der politischen Tektonik Nigerias. Hier treffen – ja stoßen - Norden und Süden, Islam und Christentum, Eingesessene (so sehen sich die Christen) und zugezogene Siedler (so werden die moslemischen Hausa-Fulani gesehen) aufeinander und konkurrieren um die knappen Ressourcen. Kein Wunder, dass es hier mangels etablierter und allseits akzeptierter Konfliktlösungsmechanismen – wie etwa den Rechtsstaat – immer wieder zu politischen Erdbeben kommt. In den Jahren 2001 und 2004 gab es in Plateau jeweils mehrere hundert Todesopfer ethno-religiöser Auseinandersetzungen. 2004 verhängte der damalige Präsident Obasanjo dort den Notstand, der 2005 wieder aufgehoben wurde.
Eine Tragik-Komödie inszenierte dann 2007 der damalige Landtag als die große Mehrheit seiner Mitglieder in der laufenden Legislaturperiode die Partei wechselte, ohne sich klar darüber zu sein, dass sie dabei laut Verfassung ihre Mandate verlieren würden. Geheime Parlamentssitzungen bei Nacht, ein Rumpfparlament von nur noch einer Handvoll Abgeordneten, die Absetzung und Verhaftung des damaligen Parlamentspräsidenten und seine sich anschließende groteske Flucht, bei der er sich tagelang ausgerechnet in der Antikorruptionsbehörde versteckte, die nach ihm suchte, sind nur einige Impressionen aus dem politischen Leben von Plateau State.
Wahlmanipulationen – wie jetzt in Plateau behauptet – sind an sich sind in Nigeria nichts Unerhörtes. Auch nicht sich anschließende Gewalttätigkeiten. Bei den kombinierten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zur Nationalversammlung sowie zu den Landtagen im Frühjahr 2007 kam es nach Erklärung eigentlich aller Beobachtergruppen, auch der EU-Beobachter, zu massiven Wahlbeeinträchtigungen. Die erfreuliche Überraschung damals war, dass Nigeria anders als dann später Kenia relativ friedlich blieb und die Verlierer sich an die Gerichte wandten, von denen sie auch häufig Recht bekamen. Man hatte bei den Wahlen ursprünglich mit bis zu tausend Toten gerechnet. Damals schöpften viele Beobachter Hoffnung, Nigeria habe die Phase seiner blutigen Auseinandersetzungen bis auf das Nigerdelta überwunden und sei nach über drei Jahrzehnten Militärherrschaft auf dem richtigen Weg.
Der Berichterstatter und andere wiesen jedoch darauf hin, dass die strukturellen Probleme Nigerias (u. a. alte Konflikte zwischen den Ethnien und Religionen, Siedlern und Eingesessenen) noch nicht gelöst seien und das Land sich in einem Transformationsprozess befinde, dessen Ausgang noch niemand kenne. Durch exogene Schocks – etwa ein vorzeitiges Ausscheiden des als krank geltenden Präsidenten mit anschließenden Wahlen – könne Nigeria leicht aus seinem labilen Gleichgewicht gebracht werden. Die jüngsten Ereignisse in Jos belegen diese Einschätzung.
Was genau immer auch der Auslöser für die Gewalttaten gewesen ist, sie zeigen, dass es leicht möglich ist, latent schwelende Konflikte zu einem großen Feuer anzuheizen. Weder innerartliche Tötungshemmungen noch Erziehung, Religiosität – bei Nigerianern sehr ausgeprägt -, Vernunft, normale Vorsicht oder sonst etwas verhindert die Eskalation auch geringfügiger Konflikte. Jedenfalls dieser Beobachter kann keine irgendwie geartete „rationale“ Korrelation von möglicher Wahlfälschung bei einer Kommunalwahl in einem Bezirk zu eskalierenden Massentötungen von Hunderten und dem Niederbrennen von Gotteshäusern beider wichtigen Religionen Christentum und Islam erkennen.
Diese völlige Unverhältnismäßigkeit von – vielleicht - berechtigter Beschwerde und den grausamen Folgen legt die Vermutung nahe, dass der Anlass zumindest auch genutzt wurde, „alte Rechnungen zu begleichen“, Vorurteile auszuleben, Instabilität zu schüren oder irgendeine politische Agenda zu fördern. Einige Beobachter behaupten, die Auseinandersetzungen seien bewusst geplant worden, andere sind der Ansicht, die Behörden hätten sie antizipieren und besser vorbereitet sein müssen.
Die Wahl mag der Zündfunke gewesen sein, die Ursachen liegen mit Sicherheit tiefer und das bedeutet, dass Derartiges sich wiederholen kann. Auch in anderen Staaten Nigerias. Potentielle ausländische Investoren, die den langsamen Fortschritt Nigerias bisher mit Optimismus verfolgt haben, werden gewiss darüber nachdenken, wie sicher ihre Investitionen in Nigeria wohl wären. In einer Zeit, in der eher von Kapitalknappheit und weltweiter Rezession ausgegangen werden muss, verschlechtert dies Nigerias relative Position weiter. Dasselbe gilt für den Tourismus, von dem man sich gerade auch in Plateau – etwas zu optimistisch – einen großen wirtschaftlichen Beitrag erwartet.
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