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Die DUI droht mit „Kalaschnikovs“, wenn sie nicht an der neuen Regierung in Mazedonien beteiligt wird

by Ulrich Kleppmann
Das neu gewählte mazedonische Parlament trat zu seiner ersten Sitzung zusammen undvertagte sich gleich wieder. Bevor Nikola Gruevski das Mandat zur Regierungsbildung erhält,muss vielleicht noch erst ein neuer Parlamentspräsident gewählt werden.

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Die erste Sitzung des neugewählten Parlaments wurde heute unterbrochen und auf einen noch nicht festgelegten Tag verschoben, da kein Kandidat zur Wahl des Parlamentspräsidenten vorgeschlagen wurde. Von heute an muss der Staatspräsident Branko Crvenkovski (SDSM), laut Verfassung das Mandat zur Regierungsbildung an den Vorsitzenden der stärksten Partei geben. Nikola Gruevski von der VMRO-DPMNE könnte aber noch bis zum 5. August warten müssen, denn dann läuft hierfür erst die Frist ab. Seit dem Bekanntwerden des Wahlergebnisses vom 5. Juli wurde die DUI von einigen Botschaftern, allen voran der EUSR, Erwan Fouere, in ihrer Auffassung unterstützt, dass sie als stärkste albanische Partei auch in die künftige Regierung müsse. Da die Verhandlungen mit der VMRO-DPMNE nicht gut verliefen, fingen der stellvertretende Premierminister Musa Xhaferi und Parteichef Ali Ahmeti an, mit Kalashnikovs und möglicher Gewalt zu drohen. Das Zeitfenster und der Verhandlungsspielraum werden immer enger, da sich Gruevski nicht mit solchen Drohungen erpressen lassen will.

Eigentlich könnte die Koalitionsbildung der VMRO-DPMNE längst abgeschlossen sein und man hätte heute zur ersten konstituierenden Sitzung des neugewählten Parlaments bereits eine Liste, der an der neuen Regierung beteiligten Parteien, vorlegen können. Zunächst sah es so aus, als hätten sich VMRO-DPMNE (44), DPA (11), NSDP (7), DOM (1) und PEI (1) im Prinzip geeinigt und könne mit einer Mehrheit von 64 der 120 Sitze im „Sobranje“ regieren. Die linke albanische DUI, die nach ersten Ergebnissen auf 18 Sitze kam, ging aber davon aus, dass sie an der Regierung künftig, wie schon bei der alten SDSM geführten, beteiligt sein werde. Der EUSR und einige andere Botschafter machten der DUI auch Hoffnungen, da sie offen eine Beteiligung der Partei Ali Ahmetis forderten.

In den Gesprächen, die die VMRO-DPMNE mit allen gleich nach der Wahl führte, wurde aber schnell deutlich, dass die DUI weniger an Sachthemen, sondern lediglich an Ministersesseln und anderen Posten interessiert ist. Sie forderte einen stellvertretenden Premier und fünf (anfangs sieben) Ressorts, darunter auch das begehrte Wirtschafts- und Transportministerium. Das Transportministerium verwaltet u. a. allen staatlichen Grundbesitz und vergibt die Rundfunk- und Mobilfunklizenzen. Es soll auch Forderungen nach dem Innen- oder dem Verteidigungsministerium gegeben haben, da von den drei Nachrichtendiensten Mazedoniens, zwei in den genannten Ministerien beheimatet sind. Diese Forderungen sind allerdings von der VMRO-DPMNE abgelehnt worden, da man sich zunächst dem Regierungsprogramm widmen wollte.

Nachdem der Oberste Gerichtshof die Ergebnisse von 29 Wahllokalen, davon 26 in albanisch bewohnten Gebieten, aufgehoben hatte, wurde der Ton rauer. Die DUI, bislang immer noch von der „International Community“ unterstützt, beklagte sich, dass das Ohrid Abkommen verletzt werde und ihre Anhänger, die früheren UÇK Kommandeure eine Regierungsbeteiligung forderten. Der stellvertretende Premierminister Musa Xhaferi (DUI) nutzte alle ihm zur Verfügung stehenden Kontakte und bat sogar um die Einflussnahme ausländischer Regierungschefs auf Gruevski. Die Nachwahl in den 29 Wahllokalen am 19. Juli brachte dann auch wie erwartet ein weiteres Mandat für die VMRO-DPMNE, das der DUI verloren ging. Bemerkenswerterweise beklagte sich Ali Ahmeti und seine Sprecherin Emira Mehmeti über das „politische Urteil“ des Obersten Gerichts, die ursprünglichen Ergebnisse aufzuheben und Nachwahlen zuzulassen. Waren doch auch die drei albanischen Richter, die am Urteil beteiligt waren, in den letzten vier Jahren gerade durch die SDSM-DUI Regierung eingesetzt worden.

Nach Bekanntwerden, dass die DUI ein Mandat verlieren wird, kippte die Stimmung völlig. Die Zeitungen veröffentlichten ein Interview mit Musa Xhaferi, in dem er bereits am Vortag erklärte, „... es könnte eine Rebellion und Gewalt unter den albanischen Wählern entstehen, ebenso die Anwendung von Gewalt, Kalaschnikovs...“ (Tageszeitung Dnevnik vom 19.07.2006) , wenn die DUI nicht in der neuen Regierungskoalition vertreten sein wird. Auch Ali Ahmeti drohte, dass er es nicht ohne weiteres hinnehmen werde, da seine ehemaligen Kampfkommandeure Taten sehen wollen. Zeitgleich, während sich die DUI in der Öffentlichkeit beklagte, liefen die Gespräche mit der VMRO-DPMNE jedoch weiter.

So langsam scheint auch die EU Delegation gemerkt zu haben, dass sie mit ihrer offenen Unterstützung für die DUI auch gewisse Kräfte in der Partei geweckt hat, die die Drohungen auch wahr werden lassen könnten. Sich jetzt mehr zurückzuhalten und die gemachten Äußerungen von Ahmeti, Mehmeti oder Xhaferi zu verurteilen, kommt etwas zu spät. In der DUI ist man nun entschlossen, jetzt erst recht die Regierungsbeteiligung zu fordern. Am Montag hat die Partei einen Brief an Jan de Hoop Scheffer und an Solana geschickt, wo sie nochmals um Unterstützung bittet, in die Regierung mit aufgenommen zu werden. Darin beklagt die DUI, dass ihrer Meinung nach das Ohrid Abkommen und die sog. Doppelte Mehrheit verletzt werde. Doppelte Mehrheit bedeutet, dass alle Gesetzte, die die Minderheiten betreffen, nicht nur durch die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament, sondern auch durch die Mehrheit aller Minderheitenvertreter verabschiedet werden müssen. Sie ist aber nicht bei der Regierungsbildung, wie die DUI behauptet, erforderlich. Ahmeti verschweigt auch, dass zur Doppelten Mehrheit neben den 28 Albanern, auch die Vertreter der Roma (3), Türken (2), Serben (1) und Bosnier (1) zählen.

Vielfach unbeachtet bleibt die Tatsache, dass zu den 17 Abgeordneten der DUI auch drei der PDP gehören, die früher immer mit der DPA verbündet war und deren Führer sich Anfang des Jahres miteinander zerstritten hatten. Daraufhin war die PDP mit der DUI in eine Wahlkoalition eingetreten und würde eigentlich gerne wieder zurückwechseln. Ihr Parteivorsitzender Abdylhadi Vejseli gab gegenüber Vertrauten zu, dass er unter starkem Druck von Ahmeti stehe. Angeblich habe man gedroht, die Häuser der drei MP’s und eine Tankstelle, die Vejseli gehört, anzuzünden, wenn sie aus der Koalition mit der DUI austreten. Würde die PDP wechseln, was früher oder später der Fall sein wird, dann stünde es DUI 14 zu DPA-PDP 14 und die DUI könnte nicht mehr behaupten, stärkste albanische Partei zu sein.

Gruevski unterdessen gab zu den laufenden Verhandlungen keine Stellungnahmen ab, er sagte lediglich, dass er sich von den Drohungen nicht einschüchtern lasse und solche Äußerungen die Gespräche sicherlich nicht erleichtern werden. Aus Kreisen der Partei wurde der Brief der DUI vielfach kritisiert, da er zeige, dass anscheinend Mazedonien nicht in der Lage sei, ein kleineres politisches Problem zu lösen, wenn seine Parteien beim kleinsten Widerstand gleich nach der internationalen Gemeinschaft um Hilfe rufen. Gestern traf die amerikanische Botschafterin Milovanovic in Tetovo mit Ali Ahmeti zusammen und erklärte, dass sich die USA nicht einmischen werden. Sie sagte, die DUI müsse nun beweisen, dass sie sich konstruktiv wie eine demokratische Partei verhalte.

Heute am 43. Jahrestag des verheerenden Erdbebens in Skopje, trat das neu gewählte Parlament zusammen. Die Sitzung wurde durch den Alterspräsidenten Stojan Andov eröffnet. Da die alte Regierung den bisherigen Parlamentspräsidenten noch kurz vor der Wahl zum neuen Botschafter in Washington machte, blieb das Amt vakant. Eigentlich hätte heute der neue Parlamentspräsident gewählt werden sollen, da sich aber überraschenderweise kein Kandidat fand, unterbrach Andov die Sitzung auf unbestimmte Zeit. Die SDSM geht von einer Verfassungskrise aus, da bis zur Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten auch das Mandat zur Regierungsbildung nicht erteilt werden dürfe. Staatspräsident Crvenkovski entschied sich daher, noch zu warten, laut Verfassung kann er dies bis zum 5. August. Die Verfassung sagt aber nichts über so einen Fall aus, dies bedeutet, dass der Präsident das Mandat dennoch erteilen könnte. Aus Kreisen der VMRO-DPMNE war zu hören, dass in den nächsten drei Tagen die Sitzung fortgesetzt werden soll. Da Andov die erste Sitzung nur „unterbrochen“ hatte, scheint es noch keine Verfassungskrise zu geben, wenn sie innerhalb der Frist bis zum 5. August fortgesetzt wird. Über die Gründe, warum es heute zu keiner Wahl kam, kann man nur spekulieren. Weder Tito Petkovski von der NSDP, noch Stojan Andov wollten sich zur Wahl stellen. Fraglich ist, warum Gruevski keinen anderen Kandidaten hatte oder warum man sich mit den anderen Parteien vor der Sitzung auf keinen einigen konnte.

Bleibt zu hoffen, dass die Ereignisse der letzten Tage nur kleine Startschwierigkeiten waren und die künftige Regierung nicht während ihrer ganzen Legislaturperiode mit solchen Hemmnissen kämpfen muss.

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Johannes D. Rey (2020) kas

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July 10, 2006
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