Forum
Details
Ich möchte das diesjährige Forum mit einer Sentenz beginnen, an den Claudio Magris, ein italienischer Schriftsteller und Publizist, der auch in Polen bekannt ist, vor Jahren erinnert hat. Nach einer griechischen Tragödie tötet Orestes in einem Rachefeldzug für den Mord an seinem Vater seine Mutter Clitaimestra. Normalerweise sah die archaische, von den Göttern geschaffene Familienrache für eine solche Tat die Todesstrafe vor. Doch nicht die göttliche, sondern zum ersten Mal die menschliche Justiz sprach Orestes frei. Die Griechen waren bereit, eine so große Veränderung zu akzeptieren. "Uns fehlt diese antike Kultur, um die Herausforderung großer Veränderungen anzunehmen. Vielfalt ist für uns noch kein Wert". Dieser Kulturpessimismus bezieht sich auf die Situation des Westens. Wenn es dort so schlimm ist, wie weit sind wir in Polen, in Ost-Europa, von der Akzeptanz von Wandel und Vielfalt?
Diese Frage hat eine universelle und aktuelle Dimension. Die Vielfalt ist die Essenz der Demokratie. Sie hierarchisiert keine Werte, Menschen oder Ereignisse. Sie erlaubt ihnen, sich zu begegnen, sich kennenzulernen, miteinander zu konkurrieren, einen Dialog zu führen, um die besten Lösungen zu finden. Heute wenden wir uns von einer solchen agonistischen (Chantal Mouffe) Vorstellung von Gesellschaft ab zugunsten von Einheit, Stärke, Größe, Monumentalität und einer monolithischen Wahrnehmung unserer selbst, unserer eigenen Vergangenheit im Namen einer sich selbst bestätigenden Gemeinschaft der "Unsrigen". Haben wir Angst vor den anderen? Vor Juden, Deutschen, Flüchtlingen? Oder lassen wir uns nur einreden, dass sie für uns eine Bedrohung sind? Ein Feind eint eine Gemeinschaft, auch wenn er imaginär ist. Oder werden die Barbarei der Invasoren und die Tragödie der Opfer der russischen Aggression in der Ukraine zu einem Katalysator für die Schaffung neuer demokratischer Werte? Reicht die positive deutsch-polnische Erfahrung der Überwindung der Tragödie von Krieg und Versklavung nicht aus?
Um dem Kern unseres diesjährigen Forums "Braucht Polen/Europa heute die Dialogfähikeit der Kulturen?" näher zu kommen, sprechen wir mit Menschen unterschiedlicher Berufe, Interessen und Kulturen. Wir wollen nicht nach einfachen Definitionen suchen. Wir wollen über Bilder, Poesie und Diskussionen sprechen, in denen wir unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse gegenüberstellen. Die Lektüre der Landschaft in Stare Juchy legt nahe, dass Geschichten und aktuelle universelle Themen wahrgenommen und besser verstanden werden können, wenn wir von der "Meta"-Ebene in den Raum eines konkreten Ortes und einzelner menschlicher Schicksale hinabsteigen. Das Erbe eines Ortes ist uns nicht gegeben. Es existiert als Erbe der Vergangenheit, und nur wir sind es, die ihm Bedeutung verleihen (oder auch nicht). Unsere Kultur, die Erinnerungskultur und insbesondere die politische Kultur, hängt von dem "Wie?" und "Warum?" ab, das wir tun.
Robert Traba
Program
6. Juli 2023 | Donnerstag
15.00 Uhr |
Eröffnung
Rafał Żytyniec, Direktor des Museum für Geschichte in Lyck
Tomasz Andrukiewicz, Oberbürgermeister von Lyck
Außerhalb der Politik: Bürgergesellschaft als Bündeglied der Demokratie
David Gregosz, Direktor der KAS in Polen
15.30–17.00 Uhr |
Über Vielfalt. Brauchen wir eine ungewollste Hinterlassenschaft?
Violetta Szostak im Gespräch mit Robert Traba
17.15 Uhr |
Ausstellung
„Jan Bułhak. Landschaften. Ermland, Masuren und Suwalszczyzna 1946-49”
Prolog: Mariola Balińska im Gespräch mit Maciej Szymanowicz, Robert Tyska und Iwona Liżewska
Vernissage der Ausstellung von Jan Bułhak
Epiloque, Diskussionen über die Ausstellung
7. Juli 2023 | Freitag
10.00–16.00 Uhr |
Stare Juchy – Der Mikrokosmos Unterschiedlichkeiten. Das Lesen einer Landschaft
Führung: Jakub Knyżewski
Piotr Szatkowski über Stare Juchy früher
Małgorzata Budyta-Budzyńska: Ein Blick in die Gesellschaft in Stare Juchy
Ausstellung„Karol Fox – Der Priester für schwierige Zeit” (Kommentar: Rafał Żytyniec)
16.30–17.30 Uhr | Zusammenfassung
Die Zeit in der Landschaft versiegelt. Können wir uns vom Mythos der Wiedergewonnenen Gebiete befreien?
Zbigniew Rokita, Marcin Zaremba
Moderation: Jakub Knyżewski
18.00 Uhr |
„Dziady i dybuki"
Autorenabend mit Jarosław Kurski
Moderation: Michał Olszewski, Tygodnik Powszechny
8 lipca 2023 | sobota
10.00–11.30 Uhr |
Die Russen und … Die Russen. Verschiedene Menschen oder eine Gesamtverantwortung?
Piotr Mitzner, Marek Radziwon
Moderation: Zoriana Varenia
11.45–12.45 Uhr |
Gedichte von Natalii Bilotserkivets (auf Ukrainisch und in polnischer Übersetzung) anschließend das Gespräch mit der Autorin
13.15–14.45 Uhr |
Muss die Bilateralität symetrisch sein? Der Fall Polen – Deutschland – die Ukraine
Mykoła Riabczuk, Basil Kerski, Adam Krzemiński
Moderation: Jacek Lepiarz
15.00 Uhr | Zusammenfassung
Braucht Polen/Europa die Dialogfähihkeit der Kulturen?
Im Gespräch: Dominika Kozłowska, Robert Traba i Jacek Poniedziałek