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„Es ist mir eine große Freude, dass auch ich Sie, als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, heute hier begrüßen darf. Bereits zum elften Mal widmen wir uns mit dieser Konferenz der „Rolle der katholischen Kirche im Prozess der europäischen Integration“.
In diesem Jahr wollen wir uns dazu mit der ethischen Dimension der Politik, dem Einfluss des Lissabon-Vertrages auf Europa und die Kirchen und der Bedeutung der christlichen Werte für Politiker befassen. Ich halte alle Aspekte für gleichermaßen herausragend wie zentral. Warum?
Die Ethik der Verantwortung, wie sie Max Weber formuliert hat, ist meiner Auffassung nach die wichtigste ethische Dimension der Politik. Politik wird von Menschen für Menschen gemacht. Aus dieser Abhängigkeit entsteht die besondere Verantwortung der Politiker für die Menschen, die von ihren Entscheidungen betroffen sind.
Ein besonderes Beispiel für diese besondere Verantwortung ist die Europäische Union.
Die EU ist eine Erfolgsgeschichte, der wir seit mehr als sechs Jahrzehnten ein Leben in Frieden und Freiheit verdanken. Gegenwärtig steht die Europäische Union vor ihrer bislang wohl größten Herausforderung. Dabei spreche ich nicht von der Euro-Krise. Und ich möchte an dieser Stelle den populistischen, nationalistischen Äußerungen ausdrücklich widersprechen. Die erschreckenden Vorurteile, die von Einigen ausgesprochen werden, treffen nicht den Kern der Sache. Unsere noch junge Gemeinschaftswährung ist sehr viel stabiler als uns ihre Kritiker Glauben machen wollen.
Der Euro ist nicht der Kern der Krise. Im Kern geht es vielmehr um Verantwortung und um
Vertrauen:
Es geht um unsere Verantwortung für eine verlässliche und tragfähige Finanz- und
Wirtschaftspolitik. Es geht um unsere Verantwortung für kommende Generationen. Und es
geht darum, auf die Kraft der Gemeinschaft – der wir so viel zu verdanken haben – auch in
Zukunft zu vertrauen.
Die gegenwärtige Krise ist vor allem eine Staatsschuldenkrise. Darum brauchen wir eine verantwortungsvolle Finanzpolitik, die durch konsequenten Abbau der immens hohen Verschuldung die Zukunft kommender Generationen nicht weiter aufs Spiel setzt. Wir brauchen deshalb ein klares Bekenntnis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Vereinbarungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Wir brauchen eine Schuldenbremse für die EU. Und wir brauchen eine Finanzwirtschaft, die ihrer Verantwortung als Dienstleister für Unternehmen und für Menschen gerecht wird.
Nur mithilfe dieser langfristigen Maßnahmen werden wir die notwendige finanzpolitische Stabilität wiedererlangen, die Voraussetzung ist für Wachstum und Wohlstand. Wachstum und Wohlstand aber sind Voraussetzung für soziale Sicherheit, für inneren Frieden, für eine Zukunftsperspektive für die Menschen. Dazu bedarf es auch des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander. Denn: „Europa gelingt (nur) gemeinsam.“
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang zwei Zahlen nennen: Noch im Laufe dieses Jahres wird die Weltbevölkerung auf 7 Milliarden anwachsen. In den 27 Mitgliedstaaten der EU leben gegenwärtig rund 502,5 Mio. Menschen. Dies entspricht einem Anteil an der Weltbevölkerung von etwa 7,2 Prozent.
Folgt man den Prognosen der UNO, so soll die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf etwa 9,3 Milliarden ansteigen, der Anteil der EU-Bürger in den heutigen Grenzen läge dann bei nur noch 5,4 Prozent. Schon allein diese beiden Zahlen verdeutlichen meiner Ansicht nach, wie wichtig es für uns alle in der Europäischen Union ist, auf die Kraft der EU zu vertrauen.
Um dieses Vertrauen zu stärken, gilt es, das Verbindende zu betonen und uns unserer gemeinsamen Werte bewusst zu werden. Werte sind keine veralteten Ansichten. Werte sind die Grundlage für eine verantwortungsvolle Politik – in Polen, in Deutschland und in Europa. Politik agiert nicht im luftleeren Raum. Sie basiert auf Überzeugungen.
Als Christen und als christliche Demokraten sind wir überzeugt von der Gleichheit der Menschen und der Unantastbarkeit ihrer Würde.
Es ist dieses christliche Bild vom Menschen, aus der unsere Werte erwachsen.
Diese Werte sind Frieden und Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Unsere Werte sind unser Fundament, auf dem wir stehen. Sie sind unsere Wurzeln. Sie sind Teil unserer Geschichte. Sie sind aber auch Kompass für unsere täglichen Entscheidungen und sie mahnen uns an unsere Verantwortung für die Zukunft.
Doch die meisten Menschen haben heute Angst vor der Zukunft. Sie haben Angst vor einer erneuten Wirtschaftskrise. Sie haben Angst vor dem Verlust ihrer Arbeit und damit ihrer Lebensgrundlage.
Die Politik muss alles dafür tun, um den Menschen diese Angst zu nehmen. Die Kirche bietet hier Orientierung und Halt, sie spendet Trost, sie gibt uns die Kraft, die Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen. Aus dieser Kraft erwächst das Vertrauen in die Zukunft.
„Wo Gott ist, da ist Zukunft“ – so lautet das Motto des Papstbesuches, den wir in Deutschland mit großer Freude erwarten. Dieses Motto sollten wir uns im besten Sinne zu Herzen nehmen.
Denn Zukunft ist kein Schicksal, das uns von einer fremden Macht vorherbestimmt wird. Die Zukunft liegt in unseren Händen. Wir selbst können schon heute, mit unserem Handeln in der Gegenwart, dazu beitragen, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft schauen dürfen. Dabei sollten wir auf unsere gemeinsamen Werte und unsere Überzeugungen vertrauen.
Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „Vertrauen erwächst vor allem aus der ethischen Basis des politisch Handelnden. Wird sie verlassen, sind die Folgen verheerend. … Durch eine ethische Grundlage des Handelns nur gewinnt man Vertrauen in der Welt und auch das Vertrauen der Bürger im eigenen Land.“
Politik muss sich ihrer ethischen Grundlagen bewusst sein. Nur so wird es gelingen, den Menschen vorhandene Sorgen und Ängste zu nehmen. Nur so schaffen wir Vertrauen. Und dieses Vertrauen ist die entscheidende Voraussetzung dafür, die Menschen in ihren Hoffnungen und ihrer Zuversicht zu stärken.
Herzlichen Dank!“