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Polen und Deutsche lassen sich nicht spalten

Vorwürfe gegen Erika Steinbach waren „unfair“

Gunther Krichbaum MdB hat in einem Interview mit der polnischen Tageszeitung „Polska. The Times“ (Auflage 310.000) die im Zusammenhang mit der Kandidatur Erika Steinbachs zum Beirat der Stiftung „Vertreibung, Flucht, Versöhnung“ ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe als „unfair“ bezeichnet. Krichbaum ist Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages und war auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau.

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Kann die Causa Erika Steinbach den deutsch-polnischen Beziehungen schaden? (Anm. der Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Erika Steinbach ihre Kandidatur noch nicht zurückgezogen.)

Krichbaum: Personelle Angelegenheiten sollten wir vom Tisch kehren. Wichtiger ist die Angelegenheit

selbst. Vertreibungen und menschliches Leiden, das sich damit verbindet, finden immer noch

an verschiedenen Orten der Welt statt. Das Berliner Zentrum gegen Vertreibungen ist als eine

Chance für die Zukunft gedacht. Es ist ein Projekt, das vor Wiederholung vergangener

Schicksalsschläge warnen soll.

Wir sollten also vor Erika Steinbach keine Angst haben?

Krichbaum: Erika Steinbach will die Geschichte nicht neu schreiben. Sowohl sie, als auch fast

ausnahmslos alle Deutschen fühlen sich für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Wir sind

uns auch der Konsequenzen, die dieser Krieg mit sich führte, bewusst. Was man ihr vorwirft,

ist einfach unfair.

Diese Angelegenheit wird also die gegenseitigen Beziehungen nicht in negativer Art und Weise beeinflussen?

Krichbaum: Angela Merkel und Donald Tusk verstehen sich sehr gut und vertrauen einander. Deswegen

können sie sich sachlich über verschiedene schwierige Angelegenheiten unterhalten. Die

Chemie zwischen den beiden stimmt.

Es gibt allerdings immer mehr Angelegenheiten die Polen und Deutschen spalten. Die Bundesregierung will zum Beispiel die Zugangsbeschränkungen zum deutschen Arbeitsmarkt nicht aufheben.

Krichbaum: Diese Einschränkungen gelten nicht nur für Polen, sondern für alle neuen EU-Mitgliedsländer.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage bleiben sie bis 2011 bestehen. Außerdem gelten für neue EU-Mitglieder auch in Polen Übergangsfristen, wie zum Beispiel im Bereich des Umweltschutzes.

In diesem Jahr werden wir die Jahrestage der Ereignisse von 1939 und 1989 feiern. Es scheint, dass sogar im Falle der friedlichen Revolution vor 20 Jahren Polen und Deutsche miteinander im Wettbewerb stehen werden.

Krichbaum: Trotz der Teilung des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg, sind wir Europäer durch eine

gemeinsame Geschichte verbunden. Deswegen sollten wir nicht gegeneinander um das Bild der Geschichte im europäischen Bewusstsein kämpfen.

In „Polska“ wird aber geschrieben, dass die Deutschen den zwanzigsten Jahrestag von 1989 bereits im März feiern wollen, um die polnischen Feierlichkeiten in den Schatten zu stellen.

Krichbaum: Für uns Deutsche hat das Jahr 1989 eine besondere Bedeutung. Vor 20 Jahren haben unsere östlichen Landsmänner das kommunistische Regime abgelehnt und die Teilung Deutschlands war endgültig aufgehoben. Wir freuen uns sehr, verspüren aber auch eine Dankbarkeit den Polen gegenüber.

Tatsächlich? Wird die Rolle Polens in diesen Ereignissen nicht marginalisiert?

Krichbaum: Dass in Osteuropa Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit herrschen, haben wir mutigen Bürger in Polen, Ungarn und anderer Länder des Warschauer Paktes zu verdanken. Der Wandel, der in Polen stattgefunden hat, das war der Anfang. Ohne eine starke Position der polnischen Kirche, die zur Entstehung der ‚Solidarność“ führte, wären diese Ereignisse gar nicht möglich gewesen. Helmut Kohl hatte Recht, wenn er sagte, dass gerade Polen den ersten

Stein aus der Berliner Mauer geschlagen hat.

Und was ist mit der Wirtschaftskrise? Wird sie uns nicht noch mehr spalten?

Krichbaum: Es gibt bereits protektionistische „Verbesserungsmaßnahmen“, die die schon bestehende Krise vertiefen oder verlängern könnten, wie es in den dreißiger Jahren der Fall war. Die Bundesregierung sieht solche Lösungen eher kritisch. Zum Beispiel soll die Abwrackprämie und der Kauf neuer Wagen nicht nur deutschen Autokonzernen helfen. Sie hilft auch den Produzenten und ihren Partnern in anderen Ländern.

Sind Sie also, was die deutsch-polnischen Beziehungen angeht, ein Optimist?

Krichbaum: Polen und Deutsche mögen verschiedene Angelegenheiten verschieden betrachten. Sie bleiben aber enge Partner.

aus dem Polnischen übersetzt: Olga Bartnik

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