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Vom kleinen zum großen Europa

60 Jahre Schuman-Plan und die Aussichten des Weimarer-Dreiecks

Im Rahmen einer dreitägigen Vorlesungsreihe mit Besuchen in Stettin, Posen und Warschau hielt Prof. Henri Ménudier am 28. April im Posener Westinstitut einen Vortrag zu dem Thema "Frankreich und die Europäische Einigung - Katalysator und Bremse". Veranstaltungsbericht von Daniel Schultewolter

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Vom kleinen zum großen Europa - 60 Jahre Schuman-Plan und die Aussichten des Weimarer-Dreiecks

Die Veranstaltung fand im Konferenzsaal des West-Institutes Posen statt. Etwa 50 Teilnehmer waren der Einladung zu der Veranstaltung gefolgt, in deren Rahmen Prof. Ménudier nach Begrüßungsworten von Stephan Raabe, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen und Prof. Dr. Andrzej Sakson, Direktor des West-Institutes, einen Vortrag zu dem Thema „Frankreich und die Europäische Einigung – Katalysator und Bremse“ hielt.

Prof. Ménudier begann seinen Vortrag mit einer Darstellung der geschichtlichen Entwicklung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, vor deren Hintergrund man die Linien französischer Außenpolitik erkennen müsse. Nach dem Ende des Weltkrieges habe Frankreich, zu den Siegermächten zählend, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhalten. Die wichtigste Grundlage der Außen- sei aber immer die Europapolitik gewesen. Mit Blick auf die Vergangenheit sei Frankreich nicht an einer Wiedervereinigung Deutschlands interessiert gewesen. Diese sei als Bedrohung der eigenen Sicherheit interpretiert worden. Erst der Kalte Krieg habe das deutsch-französische Verhältnis im internationalen Kontext verändert. Es habe sich die Frage gestellt, wie zu Deutschland in dieser Situation ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Die Grundlage dafür habe der Schuman-Plan geliefert. Dieser baue auf drei Grundkonzeptionen auf: Zum einen habe er die Voraussetzungen für Versöhnung und deutsch-französische Zusammenarbeit schaffen sollen. Mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sei eine Gemeinschaft gegründet worden, die im Montansektor eine Zusammenarbeit zwischen ihren Gründungsmitgliedern, Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, erlaubt und gleichzeitig die gegenseitige Kontrolle der Rüstungsindustrien ermöglicht habe. Sie sei also auch Ausfluss des Bedürfnisses nach Sicherheit im europäischen Kontext gewesen.

Zum zweiten habe er nach außen hin offen sein und die Teilnahme weiterer europäischer Staaten ermöglichen sollen.

Vor allem der dritte Ansatz, die Idee der Supranationalität und damit der erstmalige Verzicht auf nationale Kompetenzen der Mitgliedsstaaten, habe die Grundvoraussetzungen für die Europäische Union geschaffen. Es entstand mit den Römischen Verträgen hieraus 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorläufer der EG und der Europäischen Union.

Ménudier hob hervor, dass ohne die Unterstützung von Konrad Adenauer und Alcide de Gasperi die Annäherung und Zusammenarbeit in Europa auf dieser Ebene nicht funktioniert hätte.

Schuman selbst habe im Schuman-Plan nur den ersten Schritt gesehen. Nach diesem Anfang stellte er sich eine weitergehende Zusammenarbeit in anderen Bereichen vor. Namentlich eine Wirtschafts- und später eine politische Union. Er habe sich außerdem bereits damals für eine Aufnahme der osteuropäischen Länder - nach deren Befreiung von der Sowjetunion - ausgesprochen.

Im internationalen, sicherheitspolitischen Kontext habe sich dennoch immer die Frage nach der Einbindung Deutschlands gestellt. Nach dem Scheitern einer – von Frankreich mitinitiierten - europäischen Verteidigungsgemeinschaft, kam es zur Wiederbewaffnung Deutschlands, die Frankreich eigentlich habe verhindern wollen. Mit der Integration in die NATO und der Beschränkung auf eine rein konventionelle Armee seien französische Bedenken aber weitgehend ausgeräumt worden.

Nach diesem Rückschlag für die Europäische Staatengemeinschaft sei die Integration mit den Römischen Verträgen, also der Bildung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, auf anderer Ebene weitergeführt worden. Nach dieser Zeit, in der vor allem Deutschland und Frankreich die Integration vorangetrieben hätten, folgte auf René Coty 1959 Charles de Gaulle als französischer Präsident. De Gaulle sei ein Gegner des Prinzips der Supranationalität gewesen und habe das Prinzip der intergouvernementalen Zusammenarbeit unterstützt. Er habe sich außerdem entschieden gegen eine Mitgliedschaft Großbritanniens in der EG ausgesprochen und es als „Trojanisches Pferd der USA“ bezeichnet.

Nach der, für die europäische Einigung eher bremsenden Präsidentschaft de Gaulles, sei es zu einer Grundsatzdiskussion gekommen. Seit der Amtzeit Pompidous bis heute stelle sich zur Zukunft der Europäischen Union die Frage: Erweiterung oder Vertiefung?

Grundsätzlich seien Frankreich und Deutschland als die Motoren der Europäischen Union zu bezeichnen. Unter ihrer Federführung sei es zu wichtigen Schritten im Prozess der Integration der Europäischen Gemeinschaft gekommen. Ménudier nannte exemplarisch die Gründung des Europäischen Rates, die Direktwahl des Europäischen Parlamentes und die Einführung der Europäischen Währungsunion. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätten, so Ménudier, Frankreich und Deutschland Wert auf „Zusammendenken und –arbeiten“ gelegt, anstatt getrennt voneinander zu agieren. Nach einer kurzen Zeit der Verstimmung in den Beziehungen sei es mit der gemeinsamen Auffassung zum Irak-Krieg zwischen Jaques Chirac und Gerhard Schröder wieder zu Bemühungen gemeinsamer Lösungen gekommen, zu deren Ergebnis auch der Vertrag von Lissabon zähle. Die aktuell komplizierte und von Widersprüchen gekennzeichnete Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland unter Nicolas Sarkozy und Angela Merkel bat Ménudier nicht überzubewerten.

Im Bezug auf die Osterweiterung der Europäischen Union befand er, dass man in Frankreich noch Probleme habe, Osteuropa zu verstehen. Frankreich sehe in vielen Belangen noch ein „Europa der 6 oder 15“.

Im Anschluss hielt Prof. Dr. Koszel vom West-Institut Posen einen Vortrag zu dem Thema „Perspektiven des Weimarer Dreiecks“. Die Bedeutung des Dreiecks führte er hier auch auf den Bevölkerungsanteil der drei beteiligten Länder an der Europäischen Union zurück, der sich auf etwa 40 Prozent belaufe. Koszel zeigte vier Zukunftsszenarien auf, die er sich für das Weimarer Dreieck vorstellen könne: ein vollständiger Verzicht auf die Zusammenarbeit in diesem Rahmen, ein „Weimarer Dreieck als symbolische Formel“, ein Lenkungsausschuss oder gar ein Viereck, oder ein Dreieck als „Instrument zur Umsetzung konkreter Projekte wie der Ostpartnerschaft“.

Er befand, dass das Weimarer Dreieck in der Bevölkerung immer mehr Rückhalt verzeichne und empfiehlt eine Revitalisierung bzw. Reaktivierung des Dreiecks mit Zusammenarbeit auf verschiedenen Feldern. Koszel schlägt zum Beispiel die Gründung eines „Weimarer Clubs“, eines trilateralen Jugendwerkes oder eines gemeinsamen TV-Programms (mit Hinweis auf den deutsch-französischen Sender ARTE) vor.

Deutschland und Frankreich nannte er die „Vorkämpfer für Polen“, bemängelte aber, dass viele Vorschläge des Weimarer Dreiecks auf dem Papier bleiben und nicht in die Tat umgesetzt würden. Der größte Nachteil sei, dass es sich nicht um ein „gleichseitiges Dreieck“ handle, sondern immer um ein Dreieck im Verhältnis „2:1“. Dies stelle einen Konstruktionsfehler dar. In den meisten aktuellen politischen Fragen habe es sich als „disfunktional“ erwiesen. Den Beitrag Deutschland für Polens Perspektiven in der EU und Deutschlands Überzeugungsarbeit gegenüber Frankreich in Bezug auf Polens EU-Beitritt bezeichnete er als wichtiges Arbeitsbeispiel für die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Dreiecks. Abschließend nannte er verschiedene Beispiele für die Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks. Unter anderem die Zusammenarbeit der Justizminister der drei Länder, die internationalen Parlamentariertreffen, ein Komitee zur Förderung des Dreiecks sowie verschiedene Preisverleihungen.

Während der anschließenden, lebhaften Diskussion beantworteten die Referenten zahlreiche Fragen aus dem Publikum. Im Mittelpunkt stand das Thema Solidarität in der Europäischen Union, vor allem mit Blick auf die Situation in Griechenland. Unter anderem wurde die Rolle Deutschlands, als wirtschafts- und bevölkerungsstärkster Mitgliedsstaat und die Sicht Deutschlands als „Zahlmeister der EU“ hinterfragt. Vor diesem Hintergrund ging Prof. Ménudier weiter auf die deutsch-französischen Beziehungen ein.

Daniel Schultewolter ist Praktikant im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau und Student der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück

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