Wir kennen es alle: Auf einmal hängen wieder Wahlplakate an den Laternen in der Nachbarschaft. Erst die Plakate einer Kandidatin oder eines Kandidaten, dann kommen zwei oder drei hinzu, schließlich ist gefühlt „alles voll“ mit Plakaten. Manch einen stört das. Andere merken immerhin: „Es geht wieder los, da steht wohl eine Wahl an.“ Die wenigsten jedenfalls dürften Wahlplakate komplett ignorieren – ob sie wollen oder nicht. Sind sie also hilfreich oder doch eher lästig und wirkungslos?
Wahlplakate gehören seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire fast jeden Wahlkampfes. Es gibt Kandidaten- und Themenplakate. Während auf letzteren vor allem eines der Wahlkampfthemen transportiert wird, geht es bei ersterem um die Bekanntmachung der Kandidatinnen und Kandidaten. Freundlich lächelnd präsentieren sich Kandidatinnen und Kandidaten unterschiedlicher Parteien oder Einzelbewerber den Wählerinnen und Wählern. Es gibt keine Vorgaben an die Gestaltung, aber es finden sich immer wieder übliche Elemente. Für gewöhnlich ist neben dem Gesicht und dem Namen der Person auch die Partei abgedruckt. Manchmal steht ein Listenplatz daneben, oft noch ein griffiger Slogan.
In der Regel haben Parteien für Wahlkämpfe eigene Werbelinien mit speziellen Farben und Designs, in denen auch die Plakate, Flyer und ähnliches gehalten sind. Neben solch individuellen Vorgaben ist es der persönlichen Abwägung überlassen, ob das Gesicht größer oder kleiner abgebildet ist. Sind die Schultern zu sehen? Der Oberkörper? Ist das Gesicht freigestellt oder vor einem wiedererkennbaren Hintergrund abgelichtet? Wie groß ist der Name zu lesen und wie viele weitere Informationen werden platziert?
Es erscheint einfach: Auf dem Plakat sollen vor allem Gesicht und Name abgebildet sein, damit Wählerinnen und Wähler beides kennenlernen. Wie das Plakat genau gestaltet wird, hängt dann aber doch von vielen Abwägungen ab. Die Fläche ist begrenzt, ebenso ist es mit der Aufmerksamkeitsspanne. Oft werden Plakate nicht in Ruhe betrachtet, sondern im Vorbeigehen, im Vorbeifahren mit dem Fahrrad oder gar mit dem Auto. Dann muss das Plakat im Bruchteil einer Sekunde Wirkung entfalten. Alle Gestaltungselemente müssen daher abgewogen werden: Machen sie das Plakat unübersichtlich? Lenken sie die Aufmerksamkeit vom Namen weg? Letztlich handelt es sich um ein Werbemittel, das nach Kriterien der Werbebranche gestaltet werden muss. Da ist es hilfreich, wenn Parteien ihren Kandidatinnen und Kandidaten einen Baukasten zur Hand geben, der viele dieser Entscheidungen abnimmt.
Was bringt das Wahlplakat denn nun? Über die Wirkung unterschiedlicher Wahlkampfinstrumente ist über die Jahrzehnte viel geforscht worden. Nach nahezu jeder Bundes- und Landtagswahl erscheinen neue Analysen, die auch diese Frage untersuchen. Das Wahlplakat wird seit Jahrzehnten eingesetzt und war schon vor Radio, Fernsehen und Internet da. Einst wurden die Plakate als dünne Papierplakate auf wiederverwendbaren Karton- oder Holzelementen geklebt. Heute sind es meistens bedruckte Kartonbögen, die schnell mit Kabelbindern fixiert werden können. Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass man genau wegen dieser einfachen Handhabung kaum etwas daran bemessen kann. Digitale Werbeformen kann man auslesen und analysieren. Wie würde man aber ein Plakat analysieren wollen? Es lässt sich schlicht nicht feststellen, wie viele Personen das Plakat gesehen haben, wie viele es tatsächlich wahrgenommen und verinnerlicht haben. Die Wirkungsforschung hat daher Probleme, die Effizienz von Wahlplakaten empirisch zu belegen.
Doch die Wissenschaft ist natürlich nicht untätig geblieben. Im Laufe der Jahre hat man sich dem Phänomen „Wahlplakat“ mit immer neuen Ansätzen genähert. In den 1960ern stellte Henk Prakke klar, dass Wahlplakate als Mittel der Außenkommunikation im Wettbewerb mit vielen anderen Eindrücken stehen. Man ist zwangsläufig darauf angwiesen, dass die Plakate deutliche Blickfänger sind, von jedem sofort verstanden und bestenfalls erinnert werden. An diesem an sich simplen Befund hat sich nichts geändert. Über die Jahrzehnte wurde weiter untersucht, wie Wahlplakate individuell wirken.
In den vergangenen Jahren haben vor allem Prof. Dr. Stephanie Geise und Prof. Dr. Frank Brettschneider immer wieder untersucht, wie Wahlplakate wahrgenommen und bewertet werden. Ausgehend vom Picture Superiority Effect, nach dem Bilder eher im Gedächtnis bleiben als Texte, untersuchten die beiden 2010 die individuelle Wirkung von Plakaten. Dabei bestätigte sich, dass Wahlplakate mit Bildern einen besseren ersten Eindruck machen, schneller und besser erinnert werden und als Kommunikationsmittel allgemein eher akzeptiert werden. Der umgekehrte Befund für Textplakate war laut der Studie deutlich.
Trotz solcher Studien lässt sich aber bis heute keine generelle Aussage treffen, dass Wahlplakate empirisch eine Wirkung auf den Erfolg einer Wahlkampagne hätten. Mittels Befragungen lassen sich zumindest Mutmaßungen anstellen. So haben in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung nach der vergangenen Bundestagswahl 92% der Befragten angegeben, dass sie ein Wahlplakat gesehen hätten. Das spricht für eine hohe Wahrnehmung, sagt aber natürlich nichts über die Entscheidungsfindung bzw. die tatsächliche Stimmabgabe aus. Ein Effekt lässt sich nicht messen.
Dennoch sind sich Wissenschaftler und Politikberater einig: Wahlplakate sind wirkungsvoll, informieren tatsächlich und nützen der Mobilisierung. Wer gewählt werden möchte, sollte also auch weiterhin Gesicht zeigen!
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